Ukrainisches Staatsorchester in Bietigheim-Bissingen „Wichtiger Augenblick für die Musik“

Von Heidi Vogelhuber
Der Dirigent des Ukrainischen Nationalorchesters, Volodymyr Sirenko. Foto: /M&B Concerts

Das Ukrainische Staatsorchester tritt am Sonntag im Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen auf. Was es bedeutet, in Kriegszeiten aufzutreten, berichtet Dirigent Volodymyr Sirenko im Interview mit der BZ.

Das „National State Symphony Orchestra of Ukraine“ wurde vor über 100 Jahren – 1918 – gegründet und spielt auf den großen internationalen Bühnen. Am Sonntag wird es im Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen auftreten, jedoch nicht nur um der Musik wegen. Das Nationalorchester möchte Spenden sammeln, um den Menschen in den Kriegsgebieten in der Ukraine durch ihre Musik zu helfen.

Auf Anregung des Bietigheim-Bissinger Kulturamtsleiters Stefan Benning wird die BZ-Aktion Menschen in Not das Orchester dabei unterstützen. Dass Musik, Kunst und Kultur gerade in diesen schweren Zeiten wichtig ist, betont Dirigent Volodymyr Sirenko, mit dem die BZ vorab auf Englisch ein Interview führte.

Herr Sirenko, waren Sie mit dem „National State Symphony Orchestra of Ukraine“ schon einmal in Bietigheim-Bissingen oder in der Region?

Volodymyr Sirenko: Wir sind zum ersten Mal hier und freuen uns sehr darauf.

Welche Komponisten bringen Sie dem Bietigheimer Publikum mit?

Zu hören werden sein: Die „Grazhyna“ Symphonic Ballade von Borys Lyatoshynsky, Franz Liszt und das Klavierkonzert Nr. 1, Ludwig van Beethoven mit der Sinfonie Nr. 8 und Levko Kolodub mit der Ukrainian Carpathian Rhapsody. Solist ist Nuron Mukumi.

Wie klappt es derzeit mit den Proben? Können Sie den gewohnten Raum in Kiew nutzen?

Wir haben unsere ganz normalen Proben in Kiew. Im Falle eines Fliegeralarms müssen wir uns jedoch sofort an einen speziellen, unterirdischen Ort begeben. Wir warten dort bis zum Ende des Luftalarms und kehren dann zurück, um unsere Proben fortzusetzen. Krieg ist Krieg. Das ändert nichts. Wir haben uns an solche Situationen bereits gewöhnt – sowohl bei der Arbeit, als auch zu Hause.

Wie ist es für Sie, jetzt auf Tournee zu gehen, wenn Zuhause ein Krieg tobt?

Natürlich sind unsere Herzen in der Ukraine bei unseren Familien und Freunden. Wir erhalten umfängliche Informationen aus der Ukraine – wir wissen auch über die regelmäßig stattfindenden Luftalarme Bescheid.

Wie wichtig ist Musik, Kunst und Kultur gerade in solchen Zeiten?

Das ist so ein wichtiger Augenblick für Musik, Kunst und Kultur. Wir müssen unser kulturelles Aushängeschild bewahren. Die Menschen in der Ukraine brauchen und bitten um unsere Unterstützung. Wie haben unsere Aktivitäten Ende April wieder aufgenommen, als die meisten Musiker nach Kiew zurückgekehrt waren. Wir haben schon viele Konzerte in Kiew gegeben und auch ein ganz besonderes ukrainisch-italienisches Konzert am 1. Mai im Teatro la Fenice in Venedig.

Russische Komponisten werden aktuell eigentlich kaum noch gespielt. Finden Sie das richtig und wenn ja, warum?

Nichts gegen die großartige Musik und Kunst. Momentan jedoch nutzen die Russen ihre bekannten Namen aus der Kultur als Deckmantel für ihre schmutzige Propaganda, um Ukrainer zu töten. Es ist unmöglich, russische Musik zu spielen, ehe der Krieg beendet ist, ehe Russland sich entschuldigt und Reue zeigt, bis zur Rückgabe der eingenommenen ukrainischen Gebiete, bis zur vollständigen Entschädigung und Reparation.

Die Spenden aus der BZ-Aktion Menschen in Not werden an das Ukrainische Kultusministerium übergeben. Wofür sollen die Gelder eingesetzt werden?

Wir wissen die Hilfe wirklich zu schätzen. Das Ukrainische Nationalorchester ist eine staatliche und gemeinnützige Organisation des Kulturministeriums und wir rechnen mit sehr schweren Zeiten in Winter. Daher hoffen wir, mit Hilfe der Spendengelder weiterhin spielen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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