Beinahe eine ganze Fischpopulation verendet von dem einen Tag auf den anderen. Das Wasser ist schaumig und stinkt und es wird versucht, die letzten Fische zu retten „Die Verunreinigung hat im gesamten Verlauf der Metter von Sersheim bis zur Fischereigrenze Bietigheim stattgefunden. Das dadurch verursachte Fischsterben hat ein Ausmaß, das wir bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht definieren können“, schreibt die Vorstandschaft der Bachgemeinschaft Sachsenheim-Bietigheim der BZ.
Umweltkatastrophe im Kreis Ludwigsburg Gülle gelangt in die Metter: Unzählige Fische sterben
Am 1. Mai stellen mehrere Vereine fest, dass die Gewässer stark verunreinigt sind. Verantwortlich ist eine havarierte Biogasanlage. Die Behörden halten die Informationen jedoch erst einmal zurück.
Die Verunreinigung der Metter sei am Morgen des 2. Mai durch ein Vereinsmitglied festgestellt worden, heißt es in dem Schreiben weiter. „Bedingt durch den Starkregen von Samstag auf Sonntag hat sich die Gewässerverunreinigung verdünnt. Die Lage hat sich infolgedessen nicht mehr verschlechtert.“
„Katastrophaler Zustand“
Auch Manfred Peter vom Angelsportverein Bietigheim/Enz meldet sich: „Uns wurde am 1. Mai zugetragen, dass die Gewässer aufgrund der Verunreinigung dringend kontrolliert werden müssen.“ Er spricht von einem „katastrophalen Zustand“ – circa 20 bis 30 tote Fische haben die Vereinsmitglieder allein am vergangenen Donnerstag gefunden. Weiterhin versuchten sie, einige Fische zu retten und in die Enz umzusetzen. „Wir sprechen hier von einem großen Umweltdrama“, so Peter. „Wir gehen vom totalen Verlust des Fischbestands aus.“
Er konnte mittlerweile, so wie andere ansässigen Vereine auch, in Erfahrung bringen, dass es sich bei dem weißen Schaum um Gülle handelte, die aus einer Biogasanlage in Sersheim ausgetreten und in die Metter gelangt ist. Das Landratsamt Ludwigsburg spricht von Gärresten, die in die Gewässer gelangt sind.
„Die Polizei hat die Rufbereitschaft des Fachbereichs Umwelt beim Landratsamt am 1. Mai gegen 8.30 Uhr informiert“, erklärt Stefanie Paprotka vom Regierungspräsidium Stuttgart: „Ein Mitarbeiter des Landratsamtes war gemeinsam mit der Polizei, der Feuerwehr, dem Anlagenbetreiber und dem Fischereiaufseher vor Ort.“ Bei der Biogasanlage in Sersheim soll ein Fermenter havariert und die Gülle über einen Wassergraben in die Metter gelangt sein. „Als Sofortmaßnahme wurde der Entwässerungsgraben kurz vor dem Einlauf in die Metter durch einen Querriegel gesichert und die Gülle abgepumpt, die sich im Grabensystem gesammelt hatte“, sagt Paprotka. Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, Steffen Grabenstein, bestätigt, dass es sich um einen technischen Defekt an einem Güllebehälter handeln könnte. „Durch die Staatsanwaltschaft Heilbronn wurde die Erstellung eines Gutachtens angeordnet, um zu klären, wie es zu dem Defekt an der Anlage kommen konnte“, sagt er. Zudem sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Gewässerverunreinigung eingeleitet worden.
Starke Schaumbildung
Auch das Landratsamt Ludwigsburg schildert das Vorgehen am 1. Mai. Am Gewässer seien unter anderem keine direkten Schäden sichtbar gewesen. „Auf Höhe der Fessler Mühle in Sersheim einige Meter flussabwärts, war die Gülle deutlich wahrnehmbar. Zudem gab es eine starke Schaumbildung“, sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes, Franziska Schuster.
Der Schaum soll bis etwa 600 Meter nach dem Ortsausgang Sersheim angehalten haben. „Eine geruchliche Wahrnehmung konnte bis kurz vor Sachsenheim ausgemacht werden.“ Am 2. Mai kontrollierte das Landratsamt, ob die Verunreinigungen auf dem Hof der Biogasanlage und im Grabensystem beseitigt wurden. Auch wurde erneut das Entwässerungssystem kontrolliert.
Am 5. Mai soll eine weitere Nachkontrolle der Biogasanlage und der Entwässerungsgraben erfolgt sein. „Auf der Anlagenfläche waren noch deutliche Reste an Gärsubstrat zu erkennen“, sagt Schuster. Die Gräben sollen aber gut gereinigt gewesen sein, sie bedurften keiner weiteren Behandlung. Der Querriegel wurde entfernt, sodass die Entwässerung wieder ungehindert stattfinden kann.
In Sersheim soll zunächst ein weiterer Termin mit dem Hersteller der Anlage und einem Gutachter sowie mit Mitarbeitern des Landratsamtes stattfinden, um die Ursachen zu untersuchen. Das weitere Vorgehen soll durch die Staatsanwaltschaft bestimmt werden.
Verunreinigung fiel direkt auf
Tobias Fessler von der Fessler Mühle Sersheim ist seiner Aussage nach am Morgen des 1. Mai direkt auf die Gewässerverunreinigung aufmerksam geworden. „Ich habe die Polizei Vaihingen informiert und mir wurde mitgeteilt, dass schon jemand vor Ort ist“, erinnert er sich. Zuvor sei er von keiner Behörde über den Vorfall informiert worden. Die Bachgemeinschaft Bietigheim-Sachsenheim sagt auch, dass sie am Freitag von der Behörde keine Warnung oder eine Information zur Gewässerverunreinigung erhalten hätte. Ebenso äußert Frank Siegel von der Bach- und Hegegemeinschaft Sachsenheim seinen Unmut: „Wir haben keine Information erhalten und wissen immer noch nicht genau, was passiert ist“, sagte er am Dienstag.
Zudem kritisiert er, dass die Bevölkerung nicht über die Verunreinigung informiert wurde. „Ich hätte zumindest eine Warnung vor dem potenziell giftigen Wasser erwartet.“ Das Landratsamt, das für die Beurteilung einer möglichen Gefährdung zuständig ist, erklärt: „Von dem Vorfall ging zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bevölkerung aus. Der ehrenamtliche Fischereiaufseher wurde von uns natürlich umgehend informiert, dieser wiederum hat die weiteren Betroffenen, darunter die ortsansässigen Fischereiberechtigten, kontaktiert.“
Laut Franziska Schuster sei das Wasser relativ kurz nach dem Ereignis wieder sauber, da in der Metter fortlaufend Wasser aus dem unbeeinträchtigten Gewässerabschnitt oberhalb der Einleitungsstelle nachfließt. Dafür werde die Regeneration der Kleinlebewesen und der Fischfauna länger dauern.
Tobias Fessler, der am Samstag rund 60 tote Fische aus seinem Staubereich entnommen hat, sagt, dass bis zu zwei Jahre vergehen könnten, bis der Fischbestand wieder auf dem vorigen Stand ist. Frank Siegel von der Bach- und Hegegemeinschaft Sachsenheim spricht sogar von drei bis vier Jahren. Die Vereine wollen weiterhin Schadensersatz für ihre Gewässerabschnitte fordern.
Ermittlungen dauern an
Ob es sich bei dem Vorfall tatsächlich um einen technischen Defekt an der Biogasanlage in Sersheim handelt, oder ob die Gewässerverunreinigung womöglich durch Fremdeinwirkung zustande gekommen ist, wird sich erst im Verlauf der Ermittlungen zeigen. Ein anonymer Informant äußerte gegenüber dieser Zeitung Zweifel am Bauhergang der Biogasanlage. Vor Ort sei zu sehen, dass der Einlauf in die Metter nicht ausreichend gesichert sei und so jederzeit wieder Gülle in den Fluss gelangen könnte. Der Betreiber der Biogasanlage wollte sich zum Vorfall nicht äußern.