Ungarisches Kammerorchester in Bietigheim Streicher zeigen Feuer, aber auch Fingerspitzengefühl

Von Susanne Yvette Walter
Das Ungarische Kammerorchester im Kronenzentrum. Foto: /Martin Kalb

Das Ungarisches Kammerorchester spielte im Bietigheimer Kronensaal. Den Schlusspunkt setzte ein Stück von Bela Bartok.

Schon vor einem Jahr hat das Ungarische Kammerorchester mit der chinesischen Pianistin Sa Chen den Bietigheimer Kronensaal erobern wollen. Jetzt, nachdem die Wellen der Pandemie ruhiger sind, kommen Orchester und Klaviervirtuosin zum Zug. Der Kronensaal füllt sich schnell am Donnerstagabend. Viele haben ein Abonnement und genießen klassische Musik über den Dächern von Bietigheim-Bissingen bewusster noch als vor der Pandemie. Auch wenn das Kammerorchester auf ein Dirigat verzichten kann – Sa Chen, die preisgekrönte Pianistin aus China und jüngste Preisträgerin bei den „Leeds International Piano Competition“, gibt in zwei opulenten Werken feurig den Ton an.

Musiker der jungen Generation

Augenkontakt unter den Streichern ersetzt hier den Dirigenten. Die Gesamtleitung liegt bei Kristóf Baráti. Das Orchester existiert seit zwölf Jahren und tourt durch die Welt. Hier treffen ungarische Musiker der jungen Generation zusammen und bahnen sich ihren eigenen Weg durch den Notendschungel, den europäische Komponisten über Jahrhunderte haben entstehen lassen. Hier treffen die besten Streicher Ungarns aufeinander.

Natürlich setzen sie sich mit dem Image des feurigen Ungarn auseinander und verdrahten ihre Wurzeln neu. Im Auftaktwerk von Michael Haydn, einem Quintetto concertant, zieht das Kammerorchester neue Saiten auf: Fein und filigran überlässt die Geige der Bratsche das Feld. Man muss genau hinhören, um ihr Hauchen wahrzunehmen – das Werk wird Michael Haydn zugeschrieben, dem unbekannteren jüngeren Bruder des großen Joseph Haydn.

Neben der Idee, als Akzentsetzer aufzutreten, kultiviert dieses Orchester einen besonders feinen Stil in der Interpretation. Rasant lebt das Orchester auf der anderen Seite aber auch Geschwindigkeit aus, setzt Akzente und sorgt für eine sehr lebendige, sprühende Inszenierung des spätbarocken Notenmaterials.

Vertieft in Bachs Klavierkonzert

Die Chinesin vertieft sich in Bachs Klavierkonzert BWV 1052. Sie lässt sich, getrieben vom Geschwindigkeitsrausch, zu einer Interpretation hinreißen, die den Staub aus der Epoche nimmt. Das ist die Kunst, als Interpret den Bogen zu spannen zwischen Klangvorbildern von damals und Musikern von heute. Bach und Mozart aus chinesischer Hand: Sa Chen ist offensichtlich fasziniert vom Thomaskantor Bach und seinen Werken. Den verspielten Mozart liebt sie auch, spürbar. Jede Verzierung formuliert sie so, dass sie ein unentbehrlicher Bestandteil ihrer Interpretation ist. Zeit zum Notenlesen braucht sie dabei nicht.

Auch Altvater Bach hätte seine Freude gehabt, was in dieser zierlichen Person für ein Klangvolumen steckt. Sa Chen ist ein Publikumsmagnet vom ersten Moment an, und das nicht nur weil sie zierlich ist und schönes langes Haar trägt. Immer wieder wollen die Bietigheimer sie sehen und klatschen sie hinter dem Vorhang hervor.

Der wohl berühmteste Landsmann des Ungarischen Kammerorchesters ist Komponist Bela Bartók. Von ihm kommt der Schlusspunkt des Konzertes: Ein Divertimento, ein heiteres Stück mit tänzerischen Zügen, zeigt die Spielfreude des Orchesters, das seit 2011 zusammen auf der Bühne steht.

 
 
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