Update: Die Corona-Lage im Kreis Ludwigsburg „2021 werden wir mit einem blauen Auge davonkommen“

Von Heidi Vogelhuber
Die RKH-Kliniken bereiten sich auf die Behandlung der Spätfolgen von Covid-19-Erkrankungen vor. Aktuell sei die Situation in den Kliniken unter Kontrolle, die Kliniken-Vertreter betonen aber, dass vor allem die Impfung hilft, das Pandemie-Geschehen in den Griff zu bekommen. ⇥ Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die dritte Corona-Welle scheint überstanden, die RKH-Kliniken geben vorsichtig Entwarnung, erwarten aber im Herbst eine vierte Welle.

Zum vierten Mal haben die Vertreter der Regionalen Kliniken Holding (RKH) zur Online-Pressekonferenz geladen, um über die aktuelle Situation in den Kliniken zu berichten. Insgesamt zeigt sich Professor Dr. Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH-Kliniken, zufrieden.

Situation in den Kliniken

„Die dritte Welle scheint vorbei zu sein. Sie hat uns alle aber nochmal richtig Anstrengung gekostet“, so Martin. Die Inzidenzzahlen sinken und die Kliniken fahren langsam wieder hoch, sagt er.

Die kritische Situation in den RKH-Kliniken wurde vor allem dadurch befeuert, dass die Covid-Patienten-Zahl nie auf Null sank, erklärt Dr. Stefan Weiß, Katastrophenschutzkoordinator und Leiter des Corona-Krisenstabsmanagements in den RKH Kliniken: „Die zweite ging über in die dritte Welle.“ Insgesamt gab es 2021 1257 Covid-Patienten (Stand: 4. Juni) in den RKH-Kliniken. 336 davon, also 27 Prozent, wurden auf der Intensivstation behandelt, insgesamt sind 228, also 18 Prozent, der Erkrankten verstorben.

Auslastung der Notaufnahmen

„Insgesamt waren es weniger Polytraumata, da beispielsweise weniger Motorrad gefahren wurde“, erklärt Professor Dr. Götz Geldner, die Situation in den Notaufnahmen. „Die Anzahl an Schlaganfällen hat sich jedoch nicht verändert“, sagt der Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie im Klinikum Ludwigsburg. Auch andere typische Fälle für die Notaufnahme, wie Blinddarmentzündungen und Kaiserschnitte seien auf dem selben Level geblieben. Jedoch merkt er an, dass viele den Arztbesuch aufgeschoben und daher keine Diagnose bekommen hätten. Geldner rechnet mit einem Nachholbedarf in den nächsten Jahren, das sei auch in England beobachtet worden.

Lockerungen in den Kliniken

Ab dem heutigen Mittwoch dürfen wieder Besucher empfangen werden. Zunächst nur ein Besucher pro Patient, pro Tag und für eine Stunde. Voraussetzung sei ein aktueller Negativ-Test, eine Covid-Erkrankung, die nicht länger als sechs Monate zurückliegt, oder eine vollständige Impfung, die vor mindestens 14 Tagen erfolgt ist. Das Tragen einer FFP2-Maske ist Pflicht.

Die Mutanten im Kreis

In der dritten Welle sei fast ausschließlich die sogenannte britische Mutante aufgetreten; rund 90 Prozent. Vereinzelt wurde die südafrikanische und brasilianische Mutante diagnostiziert. Die indische Variation sei in der RKH noch nicht aufgetreten. Die Verläufe seien unterschiedlich, jedoch „haben alle eine höhere Infektiösität“, betont Weiß.

Covid-19-Prämie 2021

„Wir haben alle Berufsgruppen an der Prämie beteiligt“, erklärt RKH-Chef Martin. Insgesamt seien 2021 rund 3,226 Millionen Euro unter den RKH-Kliniken aufgeteilt worden, davon flossen 1,77 Millionen ans Klinikum Ludwigsburg und 455 537 Euro nach Bietigheim. Von den circa 3443 Vollkräften in Bietigheim wurde die Prämie gestaffelt verteilt und lag zwischen 190 Euro im Verwaltungsbereich bis 1900 Euro pro Intensiv-Pflegekraft sowie Covid-Normalstation-Mitarbeiter.

Blick in die Zukunft

„2021 werden wir mit einem blauen Auge davonkommen“, prophezeiht RKH-Chef Martin. Den Sommer könne man erst einmal genießen, jedoch: „Im Herbst wird eine vierte Welle kommen.“ Daher bleibe der Krisenstab der RKH-Kliniken bestehen. „Wir werden vorbereitet sein“, versichert er. In den RKH-Kliniken gab es keinen einzigen schweren Verlauf eines Geimpften, „die Impfung hilft“, betont Geldner.

Zwischenfazit der Pandemie

„Das Gesundheitswesen war in Baden-Württemberg an der Grenze, aber zu keiner Zeit überlastet“, fasst Jörg Martin die Pandemie zusammen. In der ersten Welle (Februar bis Mai 2020) habe die Politik schnell mit dem Lockdown reagiert, das größte Problem sei die fehlende Schutzkleidung gewesen.

In der zweiten Welle (Oktober 2020 bis Februar 2021) sei die Anzahl an erkrankten Klinik-Mitarbeitern das größte Problem gewesen, Schnelltests ab Oktober seien zwar recht spät eingeführt worden, aber halfen, ebenso der Impfstart im Januar. Auch das Clustersystem habe sich in Baden-Württemberg etabliert und gut geholfen. (Seit 3. Juni war laut Geldner keine Covid-Verlegung mehr nötig, in der zweiten und dritten Welle wurden je 200 Patienten verlegt.) Von einer gewissen „Pandemieroutine“ spricht Martin in der dritten Welle (März bis Mai 2021), die Mitarbeiter seien nun jedoch müde.

Spätfolgen von Covid-19

Ab Juli wird es in der Ludwigsburger Klinik eine Post-Covid-Ambulanz geben. Patienten mit Covid-Spätfolgen werden an einem Tag in der Woche untersucht und weitergeleitet zur dementsprechenden Reha (pulmologisch, psychiatrisch, orthopädisch). „Da kommt noch was auf Gesellschaft und Kassen zu“, sagt Professor Dr. Martin Schuster, Ärztlicher Direktor im Kreis Karlsruhe.

Als positive Folge der Pandemie möchte Martin die gute und enge Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium und der AOK-Krankenkasse hervorheben, aber auch den Fortschritt der Digitalisierung. Ein nötiges, grundsätzliches Nachdenken über das Gesundheitssystem sei jedoch ausgeblieben, das kreidet er der Politik an.

 
 
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