Vaihingen „Ein großer Erfolg war der Nationalpark“

Von Yannik Schuster
Markus Rösler in seinem Wohnzimmer in Vaihingen-Ensingen. Foto: /Martin Kalb

Nach 15 Jahren im Landtag tritt Markus Rösler bei der kommenden Wahl nicht mehr an. Im Interview spricht der Grünenpolitiker über die Gründe und blickt zurück auf seine Amtszeit.

Nach 15 Jahren im Landtag ist Schluss. Der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler hat angekündigt bei der kommenden Landtagswahl 2026 nicht erneut zu kandidieren. Im Interview spricht er über die Gründe für diese Entscheidung, blickt auf seine Amtszeit zurück und verrät, was er nach der Landtagswahl vorhat.

Warum treten Sie bei der kommenden Landtagswahl nicht mehr an?

Markus Rösler: Ich trete nicht mehr an, weil ich schon seit über zehn Jahren jede Nacht mehrfach aufstehen muss. Ich war deshalb schon mehrfach im Schlaflabor. Allerdings lässt sich diese Schlafstörung nicht so einfach lösen und ist nicht kompatibel mit einer Arbeit, die 60 bis 80 Stunden in der Woche erfordert. Das ist der Aufwand, den man hat, wenn man die Aufgabe ernst nimmt.

Ist Ihre Arbeit als Abgeordneter ursächlich für Ihre Schlafstörung?

Nein, ausdrücklich nicht.

Sie haben zweimal das Direktmandat in einem klassischen CDU-Wahlkreis gewonnen. Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Es mag daran liegen, dass ich einerseits bodenständig und heimatverbunden bin und die ländliche Bevölkerung gut ansprechen kann. Im Landtag bin ich passend dazu überparteilich der federführende Ansprechpartner und Initiator einer Dialektinitiative. Andererseits habe ich meinen Doktortitel ehrbar erworben, war zudem drei Jahre an der Universität in Greifswald. Damit kann ich Akademiker und das städtische Publikum ansprechen. Mein Anspruch ist daher auch, ein Bindeglied von Wissenschaft und Politik zu sein. Aber so, dass es alle verstehen.

Wie äußert sich dieser Anspruch inhaltlich?

Wichtig ist mir die Verbindung von Ökologie und Ökonomie, das Brückenbauen zum Beispiel zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Thema meiner Diplomarbeit war Streuobst. Da ging es um faire Preise. Meine Doktorarbeit legte die Grundlagen für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb mit dem Titel „Arbeitsplätze durch Naturschutz“. Auch beim Wolf, mit dem ich mich schon seit über 30 Jahren wissenschaftlich auch international beschäftige, geht es um Brücken bauen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf der Basis von Wissenschaft und praktischen Erfahrungen. Ökonomie und Ökologie als große Überschrift, das war 2016 auch der Titel meines Wahlkampfplakates.

Was haben Sie nach der Ankündigung, nicht mehr zu kandidieren, für Rückmeldungen bekommen?

Sehr viele. Die mehrere hundert Rückmeldungen waren alle sehr wertschätzend. Cem Özdemir schrieb mir, dass er in der nächsten Fraktion sehr gerne mit mir zusammengearbeitet hätte. Manuel Hagel [Fraktionsvorsitzender der CDU, Anm. d. Red.] bezeichnete mich sogar als „Universalexperten in den Bereichen Umwelt und Haushalt“ und bedankte sich für das kollegiale Miteinander. Ich bin ja zusammen mit ihm Mitglied in der Haushaltskommission. Da arbeiten wir eng zusammen. Und natürlich hoffe ich, dass die Haushaltskommission auch nach 2026 wieder unter grüner Leitung arbeiten wird.

Was war Ihr größter Erfolg als Abgeordneter?

Es gibt politische, finanzielle und emotionale Erfolge. Ein großer Erfolg war der Nationalpark Schwarzwald und jetzt hoffentlich die Verbindung der beiden Teilstücke zu einer Fläche – trotz Sand im Getriebe durch unseren Koalitionspartner. Ein persönlich großer Erfolg war: 28 Millionen Euro Toto-Gelder, die bisher in den allgemeinen Haushalt flossen, kommen jetzt gemeinnützigen Zwecken zu. Dazu mussten zwei Gesetze geändert und das Finanzministerium überzeugt werden, welches das in der letzten Legislatur noch verhindert hatte. Jetzt sind Naturschutz sowie Lebensrettung und Katastrophenhilfe neue Destinatäre. Zudem erhalten Kultur, Suchtprävention und Denkmalpflege mehr Geld. Für diesen Erfolg habe ich drei Legislaturperioden gearbeitet – eines der dicksten Bretter, die ich gebohrt habe.

Jetzt die Gegenfrage: Was war Ihre größte Niederlage?

Es gibt von Deutschland ausgehend eine Bewegung, den Naturschutz EU-weit zu schwächen. Dies auch, um den Abschuss mancher Tierarten zu erleichtern. Aufhänger ist der Wolf. Da kommt der Wissenschaftler in mir ins Spiel: Es spricht nichts dagegen, übergriffige Wölfe abzuschießen – das gab es in Deutschland schon 19 Mal ganz „amtlich“. Internationale Studien belegen aber: Die Wolfsjagd führt im Regelfall zu mehr Nutztierrissen, weil meist die Rudelstruktur zerstört wird. Unbürokratischer, schneller Abschuss also ja, Bejagung und Jagdrecht nein. Ich habe mich auch international vernetzt mit Kollegen aus Österreich, Spanien und anderen EU-Ländern. Aber der Schutzstatus des Wolfes wird abgestuft. Das war leider nicht aufzuhalten. Da hat der Populismus gewonnen und der Artenschutz verloren

Können Sie das erklären?

Ein Beispiel: Die Saatkrähe, die auch bei uns zunimmt, ist ein Koloniebrüter. Angenommen, Sie haben in Bietigheim eine Kolonie von 300 Brutpaaren. Wenn Sie da reinschießen, teilen die sich auf, sodass hinterher an zehn Plätzen je 30 Brutpaare Lärm und Kot verursachen. Beim Biber, der in Bietigheim künftig zu erwarten ist, kann sich die Reproduktionsrate durch Abschüsse sogar erhöhen – jedenfalls wandert er nach Abschüssen schnell wieder ein. Einen Biber oder eine Saatkrähe abzuschießen, ist kein Problem für die Population. Aber zu sagen, „ich löse das Problem durch Abschuss“, ist meist ein falsches Verständnis von Ökologie – von der Kegelrobbe bis zu Fischotter oder Kormoran.

In manchen politischen Kreisen, ich adressiere hier insbesondere CDU, FDP, AfD, ist der Einfluss eines unwissenschaftlichen Naturverständnisses manchmal zu groß. Da siegen manchmal Unwissenheit oder Fake-News über Wissenschaft und Fakten.

Womit werden Sie sich in den kommenden Monaten beschäftigen, ehe Sie aus dem Landtag ausscheiden?

Interessant wird, wie wir mit den neuen Regelungen zur Schuldenbremse und der Infrastruktur umgehen. 500 Milliarden Euro in zwölf Jahren für Infrastruktur: Die Länder und Kommunen bekommen davon 100 Milliarden Euro, also 20 Prozent, obwohl wir 60 Prozent der öffentlichen Investitionen stemmen. In Baden-Württemberg landet davon gut eine Milliarde pro Jahr. Das ist in Relation zu wenig – wir Grüne hatten mehr für Länder und Kommunen gefordert, aber CDU/CSU und SPD haben das abgelehnt.

Wollen Sie von den neuen Möglichkeiten der Schuldenaufnahme Gebrauch machen?

Wir haben im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern einen ausgewogenen Haushalt. Trotzdem benötigen wir mehr Investitionen in die Zukunft, in Forschung, Bildung, Schiene, grüne Infrastruktur, Klimaschutz. Unabhängig von den großen Investitionen in Milliardenhöhe ist es mir aber wichtig, dass wir nicht die Menschen aus den Augen verlieren, denen es nicht so gut geht. Auch im Landtag gibt es Leute, die sitzen an der Pforte oder machen Botendienst, die verdienen teils so wenig, dass ihre Rente später so niedrig ist, dass sie Bürgergeld brauchen. „Sowohl als auch“ ist im Leben meist besser als „entweder oder“ – also sowohl an die großen Zukunftsthemen wie an die kleinen Leute denken.

Gehen Sie das kommende Jahr anders an, jetzt wo Sie keinen Wahlkampf mehr bestreiten müssen?

Ich werde bis 30. April 2026 mit Volldampf arbeiten. Ich werde zwar keinen Wahlkampf für mich selbst machen, aber natürlich meine Nachfolgerin Meike Günter mit meiner Erfahrung unterstützen. Ich sitze dann nicht mehr auf dem Podium, werde ihr aber sicher ehrliche Rückmeldung geben, was sie noch besser machen könnte.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Viele Leute denken, ich würde gleich Rente bekommen. Pustekuchen. Mit 66 und acht Monaten fängt meine Rente an. Aber 2026 werde ich mich zuerst um Haus und Handwerker, Familie und Freizeit kümmern. Da ist sehr viel liegen geblieben. Und 2027 werde ich schauen, ob ich Politikberatung mache, Vorlesungen an Universitäten halte, die Fraktion bei Haushalt und Finanzen berate oder sonst irgendetwas. Und sicherlich mehr Vögel beobachten, Klavier spielen und wieder komponieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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