Die Charaktereigenschaften, das Wesen, den bisherigen Werdegang der Angeklagten Anna W., dies alles war in den vergangenen Verhandlungstagen ausreichend Gegenstand von Zeugenaussagen und von Aussagen Dritter wie etwa den Verwandten und Bekannten der drei durch sie mutmaßlich geschädigten Ex-Kollegen.
Vaihingen „Er redet nur noch wenig und hat Angst“
Die Lebensgefährtin eines von Anna W. Geschädigten sagt aus, wie diesen die zwei Vergiftungsversuche charakterlich verändert haben.
Dennoch regte Verteidiger Jan Smollich in der Donnerstags-Sitzung an, eine weitere Psychotherapeutin, die Anna W. eine Zeit lang begleitet hatte, vorzuladen. Gerade auch um, wie er es nannte, „die Lücke in der psychotherapeutischen Befragung zu schließen“ und die psychiatrische Gutachterin Dagmar Jourdan und den medizinischen Gutachter Prof. Dr. Frank Wehner in deren Arbeit zu unterstützen. Anrufe blieben jedoch bis dato fruchtlos, eine Website gebe es nicht, und die wöchentlichen Sprechzeiten seien ebenfalls, so Smollich, „sehr übersichtlich.“ Man werde jedoch daran festhalten, diese Ladung möglichst für den 28. Oktober auszusprechen.
Gestern nun wurde mit Daniela W. eine weitere Zeugin befragt, sie ist die Lebensgefährtin des Rettungssanitäters Bernd G., der als Vorgesetzter von Anna W. auf der Wache Vaihingen seinen Dienst versah. Die Erzieherin aus dem Raum Böblingen, wo sie und Bernd G. bis heute wohnen, berichtete von den beiden Tagen, als er nach dem Konsum mutmaßlich kontaminierter Getränke unter denselben Symptomen gelitten habe wie seine Kollegen Nico O. und Kai F., denen Anna W. ebenfalls hohe Dosen an Esketamin, Atropin und andere Parasympatholytika in Kaffee und Eistee gemischt haben soll.
Verwirrung war offensichtlich
Daniela W. erinnerte sich, dass er beim ersten Fall vom Oktober 2023 beim Eintreffen in die gemeinsame Wohnung verwirrt und aufgekratzt gewirkt habe, er sei orientierungslos und wiederholt vom Bad ins Schlafzimmer gegangen und habe etwas von „Blutdruck“ gemurmelt. Die Verwirrung und die Unfähigkeit, sich adäquat zu artikulieren, sei auch beim zweiten Vorfall im April des Folgejahrs so gewesen, hier sei er während eines Einsatzes kollabiert und ins Krankenhaus gebracht worden. Auch hier sei er nicht ansprechbar gewesen, auch am Folgetag habe er immer noch unter der mutmaßlichen Intoxikation gelitten. An weitere Einzelheiten, die der Vorsitzende Richter Martin Liebisch in Erfahrung bringen wollte, konnte sich die 33-Jährige wegen der zeitlichen Distanz von zwei respektive gut eineinhalb Jahren nicht mehr erinnern. Durch die beiden Vorfälle habe sich ihr Lebensgefährte jedoch dem Wesen nach sehr verändert – er rede nicht mehr so viel wie früher, sei ängstlich und sehr misstrauisch geworden.
Außerdem gehe er stets sicher, dass, etwa nach einer Pause, Getränke und Speisen, selbst wenn es sich nur um kleine Reste handle, weggeschlossen werden. „Er ist nicht mehr der, den ich von früher kenne“, so die Zeugin.
Plädoyers am letzten Tag?
Gestern sollte es bei dieser einen Zeugenvernehmung bleiben, durch den zusätzlich anberaumten Termin am Dienstag, 4. November, waren jedoch noch einige organisatorische Dinge zu klären.
So würde Verteidiger Jan Smollich gerne noch den Hausarzt von Anna W. hinzuziehen, jedoch nicht unbedingt in Persona als Zeuge, sondern ihm reiche eine schriftliche Stellungnahme.
Außerdem würden er und seine Kollegin Friederike Vilmar, ebenfalls Wahlverteidigerin von Anna W., gerne am letzten Verhandlungstag ihre Plädoyers halten. Vorsitzender Richter Martin Liebisch sagte, er könne dies nicht garantieren, denn der Schlusstag sei mit den Plädoyers nicht zu Ende, es kämen noch Beratung, Schlusswort samt Urteilsverkündung dazu, und dies in dem eng gesteckten Zeitrahmen zwischen 9 und 12.30 Uhr zu realisieren sei fraglich. Der Prozess wird am Dienstag, 28. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.
