Vaihingen „Wollte doch niemanden umbringen“

Von Markus Wirth
Anna W. musste sich auch gestern, am fünften Verhandlungstag vor dem Landgericht Heilbronn, wegen des Verwurfs des fünffach versuchten Mordes verantworten. Foto: Markus Wirth

Die ehemalige Notfallsanitäterin in Ausbildung Anna W., die versucht haben soll, ihre Kollegen zu vergiften, lässt vor dem Landgericht Heilbronn eine Erklärung verlesen.

Anna W., der vorgeworfen wird, zwischen Oktober 2023 und April 2024 als damalige Rettungssanitäterin in Ausbildung in fünf Fällen versucht zu haben, vier ihrer Kollegen durch überhöhte Medikamentengaben zu vergiften, schien auch am gestrigen fünften Verhandlungstag am Landgericht Heilbronn erneut wie weggetreten zu sein. Sie blickte bei den Zeugenaussagen stoisch vor sich hin und zeigte auch sonst keinerlei Gefühlsregungen. Verteidiger Jan Smollich ließ eine Erklärung seiner Mandantin verlesen, in welcher sie zumindest in vier der fünf Fälle die ihr vorgeworfenen Taten dahingehend zugab, Atropin, Esketamin und weitere Parasympatholytika für den Eigengebrauch entwendet zu haben. Sie habe sich, so Smollich, „wegschießen und durch die übermäßige Medikamentation vor der Wirklichkeit fliehen wollen.“

„Nie ein Gefühl des Ärgers “

Ihren Kollegen gegenüber habe sie zu keiner Zeit das Gefühl der Wut oder des Ärgers verspürt, sondern Enttäuschung über sich selbst, im Zuge der Ausbildung den Anforderungen nicht genügt zu haben. Nach einem klärenden Gespräch mit dem Vorgesetzten am 4. Oktober 2023 sei sie daher dankbar gewesen, die Ausbildung fortsetzen zu dürfen und für diese ihr zugestandene zweite Chance. In einem Gespräch, in welchem sie das – für sie positive – Ergebnis ihren Kollegen habe mitteilen wollen, habe dann Ausbilder Bernd G. sie, wie schon wiederholt vorher geschehen sein soll, verbal beleidigt, und da sei ihr „die verrückte Idee“ gekommen, Atropin in G.s Kaffee zu geben. In der Erklärung wird angegeben, sie habe dies getan, um ihn zu ärgern und zu keiner Zeit an negative Begleiterscheinungen gedacht.

Auch in anderen Fällen, etwa zu Zeiten ihrer Arbeit auf der Rettungswache sei sie einige Male – unter anderem wegen ihrer Körpergröße – gemobbt worden. Sie habe ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle gehabt, was Anna W. auch auf ihre psychische Störung, hervorgerufen durch die damalige Krebserkrankung ihrer Mutter und sexualisierter Gewalterfahrungen während der Grundschulzeit, zurückführte. Sie könne in den ihr vorgeworfenen Fällen nur ihr Bedauern ausdrücken, sich beim Vorgesetzten Bernd G. und den Kollegen entschuldigen und ihm, wie auch den anderen, die Zahlung eines einmaligen Schmerzensgeldes anbieten. Hierfür wären ihre Eltern bereit, ein Darlehen aufzunehmen.

Auch in den anderen Tatvorwürfen gab sie an, niemanden geschädigt haben zu wollen, sie sei eben immer von der Angst getrieben worden, die Ausbildung nicht zu schaffen, und die Beleidigungen habe sie auf diese Weise kompensieren, aber zu keiner Zeit jemanden umbringen wollen. Gerade letztere Aussage bestätigten im Anschluss an die Erklärung auch zwei der geladenen Zeugen, Kriminalhauptkommissar Achim Z. und sein Kollege, Kriminalpolizeioberkommissar Matthias M., die mit der Hausdurchsuchung und der Festnahme von Anna W. betraut waren.

Man habe sie seinerzeit in ihrem Zimmer im elterlichen Haus angetroffen, sie habe verstört und abwesend gewirkt, erst als sie den Ernst der Lage erkannte, habe sie weinerlich reagiert und sich auf den Boden geworfen. Als man ihr aufhalf und sie mit den Vorwürfen konfrontiert habe, habe sie immer wieder und wie in Trance zu sich gesagt: „Ich wollte doch niemanden umbringen.“

Psychisch äußerst labil

Auch die anderen Zeugen erinnerten sich an Anna W. als psychisch äußerst labile, schwer zugängliche Person, die schüchtern und introvertiert gewesen sei und manches Mal ihre Umwelt gar nicht so recht hätte wahrnehmen können oder wollen.

Verteidiger Jan Smollich beantragte eine zusätzliche Vorladung der Psychotherapeutin, bei der Anna W. einige Zeit in Behandlung war, um eine – zumindest eingeschränkte – Schuldunfähigkeit seiner Mandantin wegen deren Krankheitsgeschichte zu erreichen. Der Prozess wird am Dienstag, 14. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.

 
 
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