Landkreis Ludwigsburg Der lange Weg bis zum Radweg

Von Bigna Fink
In Bietigheim-Bissingen sind innerorts an drei Straßen Fahrradschutzstreifen angelegt worden, in der Asperger und in der Carl-Benz-Straße sowie hier am Gröninger Weg. Der Streifen mit der gestrichelten Linie ist dem Radverkehr vorbehalten und darf von anderen Fahrzeugen nur in Ausnahmen überfahren werden.   Foto: /Martin Kalb

Wie entstehen Fahrradwege? Die Planungsprozesse dafür sind oft sehr langwierig. Schneller geht es mit Schutzstreifen, die nun bedingt auch außerorts erlaubt sind.

Damit Straßen für Radfahrer sicherer werden und das Ziel eines lückenlosen Radnetzes näher rückt, lässt Baden-Württemberg als erstes Bundesland nun unter bestimmten Bedingungen Fahrradschutzstreifen außerorts an Landstraßen zu. Doch was muss eigentlich passieren, dass ein Fahrradweg oder Schutzstreifen entsteht? Die BZ hat sich bei Experten und Kommunen umgehört.

Wer ist für das Bauen eines Radweges zuständig?

„Die Zuständigkeiten für einen Radweg sind sehr komplex“, sagt Matthias Goldmann, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Straßen im Landratsamt Ludwigsburg. Für 90 Prozent der Radwege im Kreis seien die Kommunen, für zehn Prozent der Kreis verantwortlich. Bei einer Größe über 30 000 Einwohnern mit einer eigenen Verkehrsbehörde hätten die Kommunen größere Zuständigkeiten.

Wer kümmert sich im Kreis um die Radwege?

„Vor einem halben Jahr haben wir mit einer umfassenden Radverkehrskonzeption begonnen“, sagt Goldmann. „Die Radverkehrsbeauftragten prüfen: Welche Verbindungen zwischen den Ortsteilen und Kommunen sind wichtig? Was muss getan werden?“ Dass der Kreis Ludwigsburg gleich zwei Radverkehrsbeauftragte angestellt hat, die sich um das Thema kümmern, sei eine Seltenheit in Baden-Württemberg, lobt Markus Belz von der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundliche Kommunen Baden-Württemberg (AGFK-BW). In dem Verein sind 114 Mitglieder aus Kreisen, Städten und Gemeinden Mitglied, im Kreis Ludwigsburg Bietigheim-Bissingen, Ludwigsburg, Marbach und Vaihingen. Mit einem Forschungsprojekt initiierte der AGFK-BW die neue Regelung der Fahrradschutzstreifen außerorts.

Wie entstehen durch die Kommunen neue Radwege?

„Zuerst findet eine Bedarfsermittlung anhand von Radverkehrsnetzen statt“, berichtet Anette Hochmuth, Pressesprecherin der Stadt Bietigheim-Bissingen. So gibt es das Radnetz BW des Landes, Radschulwegepläne der Schulen, das Alltagsradwegenetz und das touristische Radnetz. „Ebenso erfolgt die Feststellung von Netzlücken beziehungsweise Gefahrenstellen“, so Hochmuth.

„Am wichtigsten ist die Ermittlung der Verkehrsströme“, meint Michael Ilk, Leiter Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit der Stadt Sachsenheim: „Wo wollen Kinder oder Pendler hin, von wo starten sie?“ Pendler- und touristische Radwege hätten unterschiedliche Charakteristika, etwa in der Breite des Weges. Ilk hat im Januar ein Fahrradverkehrs-Team aus zwei Radbegeisterten in der Verwaltung initiert, die sich um Pläne und die Umsetzung neuer Radwege kümmern. In Bietigheim-Bissingen gibt es keine expliziten Radverkehrsbeauftragten. Die Planung erledigt das Stadtentwicklungsamt.

Was sind die nächsten Schritte beim Planen eines Radweges?

Die konkreten Ideen werden in einem zweiten Schritt im Technischen Ausschuss, ein Teil des Gemeinderates, beraten und meist befürwortet, klärt Ilk auf. Ähnlich erfolgt das Prozedere im Ausschuss Umwelt und Technik des Landratsamtes. In der Stadt wird in einem dritten Schritt der Plan in einer Gemeinderatssitzung für alle Bürger öffentlich beraten und darüber abgestimmt. Stimme das Gremium dagegen, dürfe das Thema erst wieder in einem halben Jahr auf die Tagesordnung, so Ilk von der Stadt Sachsenheim.

Mit welchen Akteuren muss alles abgestimmt werden?

Die Pläne für Radwege sind in einem vierten Schritt mit weiteren gesellschaftlichen Akteuren abzustimmen. Bei nichtöffentlichen Flächen müssten die Eigentumsverhältnisse berücksichtigt werden, sagt Michael Ilk. Die Verhandlungen seien oft kompliziert. Wenn die Abstimmungen erfolgreich sind, geht es in Kommune und Kreis an die Ausführungsplanung und die Ausschreibungen für Baufirmen, von denen das wirtschaftlichste Angebot gewählt wird, heißt es von Matthias Goldmann vom Landratsamt. Dann wird noch mal bei größeren Summen im Ausschuss für Umwelt und Technik (Landratsamt) oder dem Gemeinderat (Kommune) hauptsächlich über den finanziellen Aufwand abgestimmt. Erst dann komme es als sechsten Schritt zum Bau eines Radweges.

Bei den Abstimmungen zwischen öffentlichen Trägern und Grundstücks- und Waldeigentümern, Naturschützern und Landwirten gebe es oft „riesige Hürden“, so Matthias Goldmann, was auch die Gesprächspartner Michael Ilk und Markus Belz bestätigen.

Etwa 20 Prozent der Radwege dauerten bis zur ihrer Erstellung über zehn Jahre. Nicht wenige Pläne scheitern an erfolglosen Abstimmungen mit den Grundstückseigentümern. „Oft sind die Verhandlungen mit Privateigentümern eine Bremse oder gar der Tod für Radwege“, so Goldmann über die oft langwierigen Prozesse.

Oft scheitere der Bau für einen Radweg auch an Geld und Personal, berichtet Markus Belz von der AGFK-BW. Doch das Land und der Bund würden den Kommunen 50 bis 90 Prozent Förderung beim Radwegebau genehmigen, so der Radinfrastrukturexperte. Auch vom Kreis kann es Zuschüsse für den Neubau von Radwegen geben.

Wie lange dauert es von der Idee bis zur Freigabe eines Radweges?

„Zwischen zwei bis 30 Jahre dauert es im Kreis Ludwigsburg, bis ein Radweg fertig ist“, sagt Goldmann. Zwei Jahre, wie etwa der Bau des Radweges von Marbach nach Rielingshausen gebraucht hätte, gelte als sehr schnell, klärt der Straßenbauexperte auf. „Dann sind in der Regel keine Abstimmungen mit Eigentümern und dem Naturschutz notwendig.“

Wann darf ein Radschutzstreifen außerorts entstehen?

„Für Schutzstreifen gibt es sehr enge Kriterien“, sagt Markus Belz: Fahrbahnen mit weniger als 5000 Fahrzeugen pro Tag und einer Breite von über sechs Metern in Verbindung mit einem Tempolimit. Der Bau eigenständiger Radwege habe aber weiter Vorrang. „Schnelle Radfahrer, etwa Pendler, bevorzugen Schutzstreifen“, sagt Anette Hochmuth von der Stadtverwaltung Bietigheim-Bissingen und fügt hinzu: „Unsichere Radfahrer fühlen sich auf Schutzstreifen unwohl. Für sie gilt es, sichere Radrouten abseits des Straßenverkehrs anzubieten.“

Sind Schutzstreifen gefährlich für Radfahrer?

Allgemein gibt es laut der Pressesprecherin der Stadt bei den Schutzstreifen in Bietigheim-Bissingen keine Unfallhäufungen. „Gefährlicher sind die Zweirichtungsradwege wie in der Gustav-Rau-Straße, wo Radfahrer von Kfz-Fahrern übersehen werden“, so Hochmuth.

Wer ist für die Beschilderung der Radwege zuständig?

Für die Verkehrsschilder und Richtungsanweisungen mit Kilometerzahl in den Orten sind die Kommunen zuständig, so Matthias Goldmann von der Abteilung Straßen des Landratsamtes. „Die Kommunen müssen die Schilder bei uns genehmigen lassen und bestellen.“

Wer kümmert sich um die fertigen Radwege?

Die kreiseigenen Straßenmeistereien, in Vaihingen, Ludwigsburg und Besigheim kümmern sich wie die Bauhöfe der Kommunen um die Instandhaltung der Radwege.

Aktuelle Beispiele für geplante Radwege

Zwischen Metterzimmern
 und Kleinsachsenheim
ist ein kreiseigener Radweg geplant laut Landratsamt. Der bestehende Weg neben der Bietigheimer Straße soll ab diesem Jahr auf möglichst drei Meter Breite vergrößert werden. Da Eidechsen gefunden wurden, stehen noch Abstimmungen mit Naturschützern aus.

Bei der geplanten Verbindung vom Kirbachhof nach Häfnerhaslach
für Radfahrer gibt es komplizierte Verhandlungen mit dem Waldeigentümer Graf Nesselrode. Zudem war der Gemeinderat kürzlich mit der geplanten Streckenführung nicht einverstanden. Diese wird von der Stadt hin zu einem ebenen Weg überarbeitet. Der Beschluss zu dem touristischen Radweg-Abschnitt ist vertagt.  

 
 
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