Vernissage Freier Umgang mit Naturmaterialien

Von Susanne Yvette Walter
Der Besigheimer Künstler Matthias Gnatzy vor zweien seiner Werke der Ausstellung „en attendant“ im Wartesaal des früheren Bahnhofgebäudes in der Weinstraße.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Im Wartesaal zeigt Collagenmonteur Matthias Gnatzy in seinen Radierungen und filigranen Tuschezeichnungen seine Liebe zum Detail und zu winzigen Motiven und Schriften.

Schon bei der Vernissage am Sonntagvormittag wird klar: Der Besigheimer Matthias Gnatzy ist ein Sympathieträger: die Besucher, die zur Eröffnung seiner neuen Ausstellung mit dem Titel „en attendant“ in den Wartesaal gekommen waren, fanden kaum alle Platz. „En attendant“ bedeutet frei aus dem Französischen übersetzt: in Erwartung. Und enttäuscht wurde hier niemand, denn der Künstler sprüht vor Fantasie.

Ein Blickfang sind schon allein seine nostalgisch-maroden Bilderrahmungen. Teils rahmt Gnatzy seine Werke in ausrangierten Fenstern, an denen der Zahn der Zeit genagt hat, oder er montiert sie auf Palettenstücke. Der Besigheimer Künstler ist bekannt für seinen freien kreativen Umgang mit allerlei Naturmaterialien. Seine Assemblagen und Collagen aus Holz, Stein und anderen Fundstücken sind mehr als ein Hingucker.

Matthias Gnatzy ist nicht der Typ, der Kunst ohne Hintergrund erschafft. Sie ist politisch motiviert. Umweltschutz und Weltfrieden sind Themen, und vor allem das Individuum selbst beleuchtet Gnatzy gerne, oft auffallend und aus dem Rahmen fallend – und manchmal als Störfaktor.

Im Großteil seiner Arbeiten geht der Besigheimer Künstler fein und klein vor. „Ich war noch nie ein Freund von mondäner Kunst“, erklärt er. Wer sich mit ihm vor eines seiner Bilder stellt und ins Detail geht, kann die Lupe ansetzen. Besonders bizarr und filigran gestaltet Gnatzy eine Serie, die unregelmäßig fortgesetzt wird. Er umschreibt sie mit „Seelenräume“.

„Die Seelenräume bilden immer ab, was mich gerade beschäftigt, und zwar in Wort und Schrift. In unregelmäßigen Abständen setze ich mich dann mal wieder hin und gestalte einen Seelenraum.“ Dort hält Matthias Gnatzy  gerne eine Innenschau, die er in Skizzen festhält. Er bewahrt Kindheitserinnerungen und stellt sie in seiner Kunst in einen neuen Zusammenhang.

  Manchmal nimmt Matthias Gnatzy es ganz genau. Eine Sammlung von Fahrscheinen mit der Aufschrift „Stuttgart HBf“ hat er fein säuberlich in einen Rahmen geklebt. Musikalisch ist Matthias Gnatzy ganz bei Bob Dylan. Allein seine Titel weisen darauf hin, dass der Künstler hier Gedankenprozesse auf Papier oder andere Materialien fließen lässt. Gnatzy überschreibt zum Beispiel seine Arbeiten mit „Bastelbogen für junge Lyrikerinnen“ oder „Selbstbildnis mit Jahresringen“. Der Künstler liebt das Wortspiel und zeigt das auch ganz plakativ, zum Beispiel im Werk, das mit „Denkmahl“ überschrieben ist und ein Tafelbild darstellt.

Zum Bild kommt die Schrift

Bei Matthias Gnatzy kommt zum Bild die Schrift – ohne die kein Kunstwerk. So mancher seiner Aphorismen zur Lebensweisheit ist so klein geschrieben, dass man nur fasziniert und kopfschüttelnd zugleich davorstehen kann. Zu seinen „Seelenräumen“ erklärt der Künstler: „In gewissen Zeiträumen halte ich genau das fest, was mich gerade beschäftigt und überschreibe es mit Seelenräume.“ Gnatzy gehört nicht zu den Effekthaschern. Vielmehr tobt er sich mit Naturmaterialien aus, verwandelt eine getrocknete Ingwerwurzel in einen Baum und rahmt sie. Schon bekommt die Wurzel eine weitere Existenz über ihre eigentliche hinaus.

Gnatzy ist in seiner politischen Färbung auch ein Umweltschützer, der seine Kunst nutzt, um Missstände aufzuzeigen. Dazu gehört auch Spiegelkunst, die den Betrachter mit einbezieht.

So dicht Matthias Gnatzy seine Motive setzen kann, so seriell kann er auf der anderen Seite vorgehen. Und trotzdem zeigt er eine unverkennbare künstlerische Handschrift, die den Dialog mit Zeitgenossen widerspiegelt. Ein Spaziergang durch den Wartesaal steckt zur Zeit voller Überraschungen. So manches Geheimnis lüftet sich nur, wenn der Künstler selbst Auskunft gibt.

Info Noch bis Samstag, 2. Februar, wenn die Ausstellung schließt, gibt es Gelegenheit, den Künstler persönlich im Wartesaal anzutreffen.

 
 
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