Katholikentag in Stuttgart Gläubige erleben „Kirche ohne Maske"

Von Sandra Bildmann
 Foto: Jens Schulze/epd

Katholikentag in Stuttgart

Leben teilen“ lautete das diesjährige Motto des fünftägigen Katholikentags in Stuttgart, der am Sonntag zu Ende ging. Es sind die unterschiedlichen Verbindungen der beiden Worte und ihre Interpretationsmöglichkeiten, die auf den Punkt bringen, was Magdalena Bosnjak, Josef Haselberger, Christian Turrey und Ulrike Prießnitz in den zurückliegenden Tagen erlebt haben. Unabhängig voneinander betonen die Vier im Gespräch mit der BZ die Relevanz von Vielfalt in der Einheit und das gelebte Miteinander. Das Motto verstehen sie nicht nur als Beschreibung, sondern auch als Auftrag.

Offen sagen, was man denkt

„Eine Kirche ohne Maske“ hat der Sachsenheimer Pastoralreferent Josef Haselberger in den zurückliegenden Tagen in der Landeshauptstadt erlebt. Einerseits ganz plastisch: nach der langen Coronazeit ohne den Mund-Nase-Schutz. Andererseits aber auch im sprichwörtlichen Sinn: Bei Podiumsdiskussionen seien Missstände benannt worden und wie damit konstruktiv umgegangen werden sollte, erzählt Haselberger. Zudem habe er beim Katholikentag eine Freiheit wahrgenommen, in der sich niemand verstellen oder verbiegen musste; in der „jeder alles sagen konnte, wie er empfindet, denkt und fühlt.“ Zu spüren gewesen sei eine Nähe, nicht die Distanz.

Als friedliches Miteinander hat auch Magdalena Bosnjak den Katholikentag empfunden. Die Gemeindereferentin der kroatischen katholischen Gemeinden in Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen war selbst als Moderatorin auf der internationalen Bühne am Karlsplatz im Einsatz und zeigte sich tief beeindruckt vom Engagement der Menschen, die im Hintergrund organisierten und koordinierten. „Es war schön zu sehen, wie interessiert die Menschen zugehört haben und wie respektvoll sie miteinander umgegangen sind“, erzählt die 28-Jährige. Auch mit kritischen Stimmen habe sie sich auseinandergesetzt, wenngleich sie betont: „Mich macht es traurig, wenn nur das Negative gesehen wird.“ Wer Kritik übe, solle selbst den Schritt wagen und etwas bewegen wollen.

Es drohen Kirchenaustritte

Ulrike Prießnitz vermutet: „Wenn nicht bald gravierende Veränderungen sichtbar und spürbar werden, wird es zunehmend Kirchenaustritte geben.“ Die Pastoralreferentin arbeitet als Klinikseelsorgerin im Bietigheim-Bissinger Krankenhaus und Hospiz. Sie sieht den synodalen Weg als große Hoffnung. Ihre Erlebnisse und Begegnungen beim Katholikentag hätten sie erfüllt und gäben ihr Zuversicht, sagt sie und fügt hinzu: „Die katholische Kirche hat keinen guten Ruf und ist – auch zurecht – in Misskredit gekommen, aber es macht Mut, so viele Menschen zu sehen, die ähnlich denken wie ich.“ Menschen, die wie sie, in der Kirche immer noch eine Heimat sähen.

Christian Turrey, Theologe und Kirchengemeinderatsmitglied der Bietigheimer Sankt Laurentius-Gemeinde, ging mit einem guten Gefühl wieder nach Hause, wie er sagt. Dennoch stellt er das Format infrage. Mit rund 27 000 Besuchern fiel der Katholikentag in diesem Jahr deutlich kleiner aus als früher. Für die Zukunft hat er zwei Vorschläge: einen regionaleren Katholikentag, bei dem die Gemeinden vor Ort präsenter sind, und einen ökumenischen Kirchentag im Fünf-Jahres-Rhythmus. Außerdem befürwortet er einen stärkeren digitalen Ausbau der Veranstaltungen, sodass auch dabei sein könne, wer nicht vor Ort sei.

Begegnung ist wichtig

Alle vier betonen die Bedeutung der Begegnung – ob mit Unbekannten, mit denen sie spontan in Kontakt kamen oder mit Personen, die man jahrzehntelang nicht gesehen hat. Pastoralreferent Haselberger etwa traf zufällig Kommilitonen aus seiner Münchner Studienzeit; Klinikseelsorgerin Prießnitz war berührt von der Offenheit eines Mannes, der ihr sehr private Erlebnisse anvertraute.

Und die persönlichen Highlights? Sie alle erzählen von vielen bereichernden Erlebnissen, eines herauszugreifen, falle schwer. Josef Haselberger war besonders beeindruckt von der Motivationskunst Eckart von Hirschhausens, der unter dem Gedanken „Gesunde Erde, gesunde Menschen“ dazu ermutigte, sich nicht einer allgemeinen Ohnmacht hinzugeben, sondern sich zu engagieren. Christian Turrey gefiel das interreligiöse Fußballspiel zwischen christlichen Pfarrern und muslimischen Imamen. Magdalena Bosnjak war berührt von der Atmosphäre beim Nachtgebet am Donnerstag in der Stiftskirche. Ulrike Prießnitz zählt die Klangschalenmeditation mit Psalmen dazu, ebenso das Cabaret im Gustav-Sigle-Haus, bei dem die Kirche und ihre Institutionen mit Herz auf die Schippe genommen wurden.

 
 
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