Vortrag im Bönnigheimer Schnapsmuseum Tote Katze unterm Dielenbrett

Von Jonathan Lung
Kurt Sartorius zeigt Archivarin Dr. Petra Schad eine mumifizierte Katze aus dem Fundus der Historischen Gesellschaft. Foto: /Martin Kalb

In vergangenen Zeiten versteckte man Katzenmumien im Haus. Archivarin Petra Schad erklärte im Schwäbischen Schnapsmusem warum. 

Viele Generationen lang hatte sie im Untergrund gelegen, bis sie bei Arbeiten zufällig gefunden wurde: eine gut erhaltene Katzenmumie kam 1999 wieder ans Tageslicht. Was klingt wie eine Meldung aus dem Tal der Könige oder einem anderen archäologischen Fundort in Ägypten, spielte sich tatsächlich ganz in der Nähe ab: Im Fachwerkhaus der „Herrenküferei“ in Markgröningen, 1414 erbaut, neben dem Rathaus, das damals saniert wurde.

Dieser Fund war der Ausgangspunkt der Nachforschungen von Dr. Petra Schad, die damals Stadtarchivarin in Markgröningen war. Am vergangenen Dienstagabend referierte sie im Bönnigheimer Schnapsmuseum über die Funde. Denn schon bald tauchte auf der Baustelle eine zweite Katzenmumie auf, unter den Dielenbrettern der Stube. Und Nachfragen bei Zimmerleuten, Architekten, Museumsleitern und älteren Mitbürgern ergaben: Es hatte schon viele solche Funde gegeben, die allerdings nicht gemeldet worden waren.

Zahlreiche Funde

Die promovierte Archivarin legte eine Datenbank an, um die Meldungen besser verwalten zu können. Diese zählt heute zwar 149 Katzen, muss aber immer unvollständig bleiben: die meisten Funde würden zügig entsorgt, wenn sie überhaupt bemerkt werden.

Die Nachforschungen zeichnen das Bild einer gängigen Praxis: In einem Drittel der Gebäude im Landkreis Ludwigsburg, in denen es Funde gab, fand man mehr als eine Katze: so in Bietigheim, Bönnigheim (wo im Meiereihof 5 eine Katze mit Ratte auf dem Rücken sowie ein Teil eines Katzenskeletts gefunden wurden). In Gebäuden in Kleinsachsenheim, Kornwestheim, Ludwigsburg, Markgröningen, Unterriexingen und Vaihingen waren es ebenfalls mehrere Mumien. Das komme auch daher, so Schad, dass bei früheren Renovierungen der neue Besitzer neue Mumien zum Schutz versteckte.

Bei den Mumien handelte es sich um Trockenmumien, die, weniger aufwendig als beim ägyptischen Totenkult, schlicht durch Trocknung in der Sonne in trockener, bewegter Luft entstehen. Eine Katze wurde nachweislich im 15. Jahrhundert hinterlegt, im 16. Jahrhundert wurden im alten Pfarrhaus in Bietigheim, Pfarrstaße 8, sogar vier Katzen zusammen deponiert. Für das 19. Jahrhundert fällt auf, dass man gerne mehrere Tiere deponierte: einmal sechs Katzenmumien, drei Mal drei und einmal zwei Katzen fand man in 15 Gebäuden. Doch woher kam diese Praxis, warum legte man sich tote Katzen unter die Dielen?

Die Antwort liegt im Hexenglauben der in früheren Zeiten das Leben der Menschen durchaus prägte: So fand einmal ein junger Mann seine Verlobte wie tot schlafend – „Als er sich überzeugen wollte, ob das Mädchen wirklich tot sei oder nur schlafe, sei eine Katze durchs Fenster herein auf das Mädchen gesprungen, sofort aber wieder verschwunden. Mit dem Verschwinden der Katze habe das Mädchen die Augen wieder aufgeschlagen und sei wieder zu sich gekommen.“ Folgerichtig löste der Mann die Verbindung zu der Frau umgehend auf, war sie doch unzweifelhaft eine Hexe.

Angst von der Milchhexe

Konkrete Angst vor einer Milchhexe führten um 1950 (!) in Schmidhausen, Beilstein, dazu, dass eine Innentreppe direkt vom Viehstall zum Obergeschoss eingebaut wurde, damit die Nachbarin, eine vermeintliche Hexe, der Bäuerin nicht den Rahm aus der Milch weghexen könne, wenn sie die Milch aus dem Stall nach oben trug.

Die Katzen wurden schon immer mit der Hexe assoziiert, diese konnte sich auch, wie bei der jungen Verlobten, in sie verwandeln, man spricht von Nigromantie. Die Tiere sollten nun helfen, deren Eindringen in das eigene Haus zu verhindern: deshalb findet man sie häufig in der Stube (rund 20 Prozent), wo der Kamin ein direktes Einfallstor für die Hexen – und damit den Teufel – bot, oder auf dem Dachboden (ein gutes Drittel), der als meist unbewohnter Lagerraum ebenso Gefahr barg.

Die ehemalige Archivarin nahm die Zuhörer mit in eine vergangene Zeit, in der Hexen und Aberglaube fester Bestandteil des Lebens waren und das Verstecken von Katzenmumien unter den Dielen oder auch von mit Schutzformeln besprochenen Textseiten in der Wand so sicheren Schutz versprach wie heute das Abschließen einer Hausrat- oder Gebäudebrandversicherung. Immer wieder ging ein ungläubiges Kopfschütteln durchs Publikum.

Doch sind es wirklich vergangene Zeiten? Immerhin zog sich die Praxis bis weit ins 20. Jahrhundert. Und: Drei der Zuhörer an diesem Abend glaubten an Hexen – statistisch zumindest, wie Schad schmunzelnd erklärte: 13 Prozent der Deutschen glauben an sie. „Zeit- und kulturübergreifend“ sei Aberglaube, stellte die Archivarin fest und schloss mit einem Zitat des amerikanischen Psychologen Stuart Vyse: „Es ist leichter, abergläubisch zu sein, als dies zuzugeben.“

 
 
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