Wir wollen das nicht! Was für ein Hohn! Walheim ist nicht das Schei**haus der Region!“ Der Spruch steht auf einem Banner der rund 50 Vertreter der Bürgerinitiative (BI) „Bürger im Neckartal“, die am Montag vor dem Forum in Ludwigsburg demonstriert haben. Um zehn Uhr waren es etwa 100 Interessierte, die zum Erörterungstermin des Klärschlammheizkraftwerks in Walheim gekommen waren. 731 Einwendungen von Kommunen, Initiativen und Privatleuten waren in den vergangenen Wochen beim Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) eingegangen, diese werden in den nächsten Tagen eingebracht und diskutiert. Auf dem Podium: Vertreter des RPS sowie der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Von der Erörterung wird eine Niederschrift angefertigt. Diese fließt mit in die Entscheidungsfindung des RPS ein, sagte der Leiter des Referats Industrie Schwerpunkt Luftreinhaltung, Heiner Pfrommer. Eine Entscheidung wird nach der Erörterung nicht getroffen.
Walheim/Ludwigsburg 731 Einwendungen werden diskutiert
Beim ersten Erörterungstermin zum geplanten Klärschlammheizkraftwerk der EnBW ging es am Montag um die Themen Baurecht, Verkehr und Abwasser. Rund 100 Bürger waren im Forum dabei.
180.000 Tonnen Klärschlamm
Zu Beginn bekamen die Bürgermeister und die BI aus Walheim, Kirchheim und Gemmrigheim die Gelegenheit zu einem Statement. Der Stellvertretende Bürgermeister aus Walheim, Wilhelm Weiss, hätte die Erörterung lieber wie geplant vor Ort durchgeführt. Nun hätten viele Betroffenen nicht kommen können, sagte er. Laut Pfrommer war der in der Walheimer Gemeindehalle geplante Termin verlegt worden, um angesichts der 731 Einwendungen auch Platz für rund 800 Menschen zu bieten.
Weiss erinnerte daran, dass die EnBW bei den ersten Gesprächen versichert habe, dass das Projekt bei Widerstand in der Bevölkerung gestoppt werde. Er kritisierte, dass das Großprojekt, bei dem es um Abfallbeseitigung von 180.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr aus Calw, der Ostalb und dem Rhein-Main-Gebiet gehe, in ein Heizkraftwerk umbenannt worden sei, „um die Akzeptanz zu erhöhen“. Ein solches Projekt sei in Nähe einer Großkläranlage sinnvoller. Er warf der EnBW vor, das Grundstück egoistisch verwerten und den Gewinn maximieren zu wollen.
Auch Gemmrigheim werde die Auswirkungen massiv zu spüren bekommen, fürchtet Bürgermeister Dr. Jörg Frauhammer. Ein geplantes Wohngebiet sei nur 200 Meter entfernt. Darüber hinaus sei die Kommune beim Umwelt- und Landschaftsschutz betroffen, zum Beispiel bei den Steillagen. Die Klärschlammverbrennungsanlage sei mit dem Regionalplan nicht vereinbar. Der Standort in Walheim sei für die Produktion von elektrischem Strom sinnvoll. Durch die Anbindung an Neckar und Bahn „ist das vermittelbar“, sagte Frauhammer. Der Klärschlamm jedoch werde niemals mit dem Schiff oder der Bahn angeliefert, sondern mit zig LKW. Der Ausweichverkehr über die Weinberge werde zur Regel, befürchtet er. „Das verkehrliche Gutachten bleibt oberflächlich“, kritisierte er.
Die EnBW erklärte, dass das Klärschlammheizkraftwerk dringend benötigt werde, um den Bedarf der Phosphor-Rückgewinnung zu decken. Alternative Standorte seien geprüft worden, „Walheim ist der einzige Ort, der die Bedingungen erfüllt“, sagte Michael Class von der EnBW. In dem Kraftwerk soll künftig kommunaler Klärschlamm verbrannt werden. „Seien Sie sicher, kein Gutachter wird der EnBW ein Gefälligkeitsgutachten erstellen“, sagte Class, was das Publikum mit Gelächter quittierte. Er könne nachvollziehen, dass das Projekt vor Ort auf wenig Gegenliebe stoße, dennoch werde es benötigt.
Matthias Appelt, Rudi Ringwald und Rolf Rieker stellten ihre 20-köpfige BI vor, die bereits eine Petition mit etwa 3500 Unterschriften eingereicht hat und die sich von der EnBW „als besorgte Bürger nicht ernstgenommen fühlen“, sagte Appelt: „Wir wollten den Standort Walheim als Elektrizitätsgewinnung immer halten.“
Die Anlage werde sich heute an gesetzliche Vorgaben halten, „doch was künftig noch kommt, wissen wir nicht“, sagte Rudi Ringwald. Er appellierte an Tayfun Tok (MdL, Grüne) und Tobias Vogt (MdL, CDU), nicht zuzulassen, dass weitere Umweltsünden „vor unserer Haustür passieren“. Denn der Theatereffekt des Neckartals werde „die 75 bis 90 Tonnen Schadstoffe in die Kinder- und Wohnzimmer bringen“.
Vom Verkehr betroffen
Kirchheim werde vor allem durch den erhöhten Verkehr betroffen sein, kritisierte Rolf Rieker. Die rund 120 40-Tonner würden „die Verkehrssysteme zum Einschlafen bringen. „Der Querverkehr jenseits der Autobahn wird zunehmen – alles durch Kirchheim“, kritisierte Rieker.
Die Themen Baurecht, Verkehr und Abwasser standen am Montag auf der Tagesordnung der Erörterung. Catharina Allerborn vom RPS fasste die jeweiligen Einwendungen kurz zusammen, anschließend gab es für die anwesenden Einwender die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Doch die Tagesordnung stieß auf Kritik: Die Unterlagen seien in Print und Online ohne Verweise aufeinander weitergegeben worden, was „chaotisch“ sei, kritisierte ein Vertreter verschiedener Einwender. „Wesentliche Unterlagen wurden vorenthalten“, sagte ein anderer. Dies sei „rechtlich bedenklich“. Er forderte das RPS auf, die Verfahrensangelegenheiten sofort zu besprechen und nicht erst am Ende der Erörterung. Doch darauf ließ sich Moderator Pfrommer nicht ein und blieb bei der angekündigten Tagesordnung.
Auch auf den Vorschlag von mehreren Einwendern, den geplanten Standort mithilfe von Google Maps zu zeigen, lehnte das RPS ab.
Beim Baurecht wurde diskutiert, ob es sich bei dem geplanten Standort um einen Außen- oder einen Innenbereichs handelt. Während die EnBW davon ausgeht, dass es sich bei dem Bereich zwischen Kohlekraftwerk, Kohlenhalde und Öltanks um einen geschlossenen Innenbereich handelt, sehen das die Einwender anders. Die Anzahl der Öltanks sorgte für Gesprächsstoff: Anwalt Tim Krautschneider von der EnBW beharrte darauf, dass es sich um fünf und nicht um vier Tanks handelt, musste sich später aber korrigieren. Bei einer Abfallentsorgung im Außenbereich spiele der Flächennutzungsplan Besigheim eine Rolle, sagte der Vertreter der Gemeinde Walheim, Dr. Peter Schütz: „Damit stimmt das Vorhaben nicht überein.“ Die Kommune habe ihr Einvernehmen zu Recht verweigert, sagte Schütz. Rechtlich gesehen könne dies auch nicht durch eine Genehmigung seitens einer Behörde überschrieben werden. „Die Gemeinde Walheim hat an dieser Stelle Rechtsschutzmöglichkeiten und wird davon auch Gebrauch machen“, kündigte Schütz an. Dem sah die EnBW gelassen entgegen.
Welcher Anlagetyp ist geplant?
„Von welchem Anlagentyp gehen Sie aus?“, fragte Schütz. Es stünde dem RPS gut zu Gesicht, hier Position zu beziehen. Doch bis zum Mittag beantwortete weder die Behörde noch die EnBW diese Frage. „Die Bezeichnung sei für das Immissionsschutzniveau irrelevant, das ist unser Recht“, hieß es seitens der EnBW. Dafür erntete das Unternehmen erboste Kommentare aus dem Publikum: „Wir wohnen hier, Sie nicht.“
Ob es nicht gewollt sei, dass das Arbeiten in dem Kraftwerk barrierefrei möglich ist, fragte ein anderer. Nein, antwortete die EnBW. In dem Unternehmen gebe es viele barrierefreie Arbeitsplätze, aber keine in Kraftwerken.
Der Brandschutz war ein weiteres Thema: „Ein Gutachten ersetzt keinen Brandschutzplan“, sagte ein Einwender. Der Plan müsse überarbeitet werden, forderte er. Wenn dies aber nicht-öffentlich geschehe, „führt das nicht zu einem Vertrauensbeweis“, sagte er.