Seit 2. Januar ist Christoph Herre neuer Bürgermeister in Walheim. Die BZ hat mit ihm über seine ersten Arbeitstage, finanzielle Herausforderungen und schöne Projekte gesprochen.
Walheim „Manchmal muss man einfach mal machen“
Die BZ hat mit dem neuen Bürgermeister Christoph Herre über Pragmatismus, das Beharrungsvermögen der Walheimer und die Umgestaltung der Alten Kelter gesprochen.
Wie sind Sie die ersten Arbeitstage angegangen?
Also grundsätzlich nehme ich die Dinge mit einer gewissen Eigenständigkeit in die Hand. Mit meinen beiden Stellvertretern habe ich dennoch eine sehr enge und gute Zusammenarbeit. Am 9. Januar haben wir ein kurzes symbolisches Übergabegespräch gemacht. Ich bezeichne es als kurz, weil ich es nicht bei diesem Gespräch belassen möchte. Da wir auch schon vor dem Amtsantritt eng zusammengearbeitet haben, hat es am 2. Januar keinen so harten Schnitt gegeben. Herr Weiss hat mich schon mit einbezogen bei Themen, die neu gestartet sind und ich werde ihn jetzt mit einbeziehen bei Themen, die noch laufen und dann bekommen wir das sehr gut hin. Ich persönlich bin aktuell noch dabei Themen zu sammeln.
Wissen Sie schon, welche Themen oben auf der Agenda stehen werden?
Die großen Themen wie der Hochwasserschutz und die Sicherstellung der Kinderbetreuungsplätze, die werden prioritär bearbeitet werden. Das ist mir wichtig, das jetzt schon anzugehen, da ich dort großen Handlungsbedarf sehe. In den Kindergärten habe ich beispielsweise auch schon Antrittsbesuche vereinbart. Auch beim Hochwasser ist es wichtig, dass ich jetzt selber Gespräche führe, um dann gemeinsam mit den zuständigen Mitarbeitern ein Konzept zu entwickeln.
Der vorzeitige Baubeginn des Klärschlammheizkraftwerks der EnBW ist genehmigt. Wie sehen Sie das Thema?
Der Gemeinderat hat sich – bereits vor meiner Zeit – dagegen positioniert. Diese Position vertrete ich selbst auch. Der Gemeinderat hat noch im November Klage gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums vom Oktober eingereicht. Der vorzeitige Baubeginn war zu erwarten – erfreulich ist das dennoch nicht. Wir müssen uns zudem Gedanken darüber machen, wie die weiteren Konsequenzen aussehen werden.
Wahlheim hat viel Beharrungsvermögen gezeigt. Wird der Widerstand aufrechterhalten?
Im Ort ist noch keine Verdrossenheit angekommen. Noch sagt niemand‚ das ist halt so und das ist auch richtig.
Glauben Sie, dass die Klage der Gemeinde eine Chance hat?
Ja, die Klage hat eine Chance. Sonst hätte man sie auch nicht beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Da waren meine Vorgänger sehr bedacht. Die Gemeinde ist schließlich dafür verantwortlich, so etwas auch finanziell zu rechtfertigen. Ich kann gegen etwas sein, muss dann aber auch schauen, ob es sich lohnt dagegen vorzugehen. Das muss man einfach offen ansprechen. Wir sind an dieser Stelle auch sehr dankbar für die Unterstützung, die wir durch die Nachbarkommunen erfahren dürfen.
Die Gemeinden stehen derzeit finanziell vor großen Herausforderungen. Wie gehen Sie damit um?
Klar, man macht sich schon seine Gedanken. Wir befinden uns in einer kritischen Phase. Wir müssen gemeinsam mit der Kämmerei und dem Gemeinderat Einsparpotenziale identifizieren. Aber wir dürfen auch nicht an den falschen Stellen einsparen. Und dann gibt es Stellen, an welchen wir gar nichts einsparen können. Das muss man betonen.
Es werden uns vom Land, dem Bund und dem Landkreis Aufgaben auferlegt, die wir erfüllen müssen. Und wenn diese Pflichtaufgaben zunehmen, kann ich bei meinen freiwilligen Aufgaben sparen, so sehr ich möchte. Dann wird es schwierig, Einsparpotenziale auszumachen. Das macht mir schon ein bisschen Sorge und ich frage mich, wie sich das entwickeln wird. Denn im Vergleich zu einem Unternehmen können wir als Gemeinde nicht komplett frei handeln. Wir haben Aufgaben mit niedrigen Deckungsgraden bei den Kosten und da müssen auch wir sehr genau hinschauen. Aber gleichwohl wollen wir ja auch der Gemeinde etwas bieten.
Die Standards werden sinken. Wie wollen Sie das den Menschen vermitteln, etwa wenn Sie die Betreuungszeiten in Kitas reduzieren müssten?
Mir ist der Dialog sehr wichtig. Die Betreuung von 40 Wochenstunden ist für die Eltern sehr wichtig. Das ist auch das oberste Ziel. Aber ich bin als Bürgermeister auch für die Verwaltung und für die Mitarbeiter verantwortlich. Und da gibt es einen Konflikt: Wenn ich eine Notbetreuung fahre, bin ich auch nicht zufrieden. Aber ich muss berücksichtigen, dass wenn ich um jeden Preis die 40 Betreuungsstunden aufrechterhalte, produziert das Überstunden und führt zu Urlaubsverzicht von Mitarbeitern. Das können wir uns – insbesondere bei dem aktuell vorherrschenden Fachkräftemangel – nicht erlauben.
Wir müssen langfristig zu einer Lösung zu kommen. Ich glaube, kurzfristige Lösungen sind da nicht angezeigt und deswegen wird es dort leider noch eine gewisse Durststrecke geben, bis wir da wieder auf einen grünen Zweig kommen. Ich möchte mich aber nicht darauf ausruhen und sagen, dann geht es halt nicht.
Damit beide Eltern arbeiten können, brauchen sie natürlich ein verlässliches Betreuungsmodell, wie den Anspruch auf eine Ganztagesbetreuung.
Ja, das ist grundsätzlich durchaus sinnvoll. Man fragt sich aber schon, ob es jetzt auf die Schnelle, in der die Gesetze meist einseitig entwickelt wurden, so notwendig war. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, sich intensiv mit allen Beteiligten auszutauschen, um in ein paar Jahren zu sagen: Jawohl, wir haben ein Konzept, das alle berücksichtigt. Ich gehe da komplett mit ihnen, dass wir den Familien etwas bieten müssen. Nur die Frage ist, ob es immer so sinnvoll ist, Sachen in kurzer Zeit „durchzuklopfen“ und rechtlich festzusetzen.
Auf welche Themen freuen Sie sich in Walheim besonders?
Ich freue mich auf mein erstes Neckarfest und die Zusammenarbeit mit den Vereinen. Auch die Umgestaltung der Alten Kelter wird ein wichtiges Projekt, auch wenn es finanziell eine Herausforderung darstellt. Es macht Spaß, wenn ich verschiedene Menschen unter ein Dach bringen und in den Dialog treten kann.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den übergeordneten Behörden wie dem Landratsamt?
Ich habe eine Erwartungshaltung, dass man in den Dialog tritt. Ich habe schon erste Ansprechpartner am Landratsamt kennenlernen dürfen. Mir ist es wichtig, dass wir uns als Gesamtorganismus sehen. Der Bürger geht auf eine Behörde und wir können vom Bürger nicht erwarten, dass er die Aufgaben, für die das Landratsamt, eine Gemeinde, ein Regierungspräsidium oder gar eine Fachbehörde zuständig ist, diesen Behörden fehlerfrei zuordnen kann. Nach außen hin sind wir alle eine Behörde und sollten auch so agieren. Das ist mir wichtig. Ich darf eine Person nicht abweisen, weil sie sich an das Landratsamt wenden muss, statt an das gemeindeeigne Bürgerbüro. Ich muss dann mein Bestes geben, um diese Person dorthin zu vermitteln.
Sie sehen den Service-Charakter im Vordergrund?
Ja, ich habe ja zunächst eine handwerkliche Ausbildung gemacht. Ich habe erst drei Jahre nach dem Abitur mit dem Verwaltungsstudium begonnen. Die Zeit dazwischen – die Ausbildung – das formt einen und man geht dann vielleicht auch Dinge etwas pragmatischer und lösungsorientierter an.
Sie wollen nicht nur Probleme verwalten, sondern auch lösen?
Wir sind jetzt hier in Walheim und da funktioniert es nicht so wie in einer größeren Behörde. Wir brauchen vielleicht nicht bei allem erst einmal ein mehrseitiges Konzept. Bei uns im Rathaus „ploppen“ Themen sofort auf. Manchmal muss man auch einfach mal machen.
Inwiefern hat Sie das Handwerk auf den pragmatischen Arbeitsalltag vorbereitet?
Ja, das wird ja oft leider unterschätzt. Man lernt schon in der Ausbildung Verantwortung zu übernehmen und dann auch ein Stück weit für Entscheidungen geradezustehen. Und wenn man sich fragt, was ist eine falsche Entscheidung? Falsch ist sie in meinen Augen, wenn ich sie nicht gut begründen kann und nicht dahinterstehe. Aber mir wird es sicher nicht immer gelingen, eine Entscheidung zu treffen, die alle 3400 Leute in Walheim als „richtig“ empfinden.
Vielen Dank für das Gespräch.