Walheim Reaktionen auf die Erörterung

Von Claudia Mocek
An drei Tagen wurden 731 Einwende gegen das von der EnBW geplante Klärschlammheizkraftwerk am Standort des Kohlekraftwerks (Foto) in Walheim vorgebracht. Foto: /Martin Kalb

Das Regierungspräsidium lobt die sachliche und respektvolle Atmosphäre. Vertreter der betroffenen Kommunen und der Bürgerinitiative fühlen sich nicht ernstgenommen. Die EnBW bleibt zuversichtlich.

Drei Tage lang hat die Erörterung im Forum zum geplanten Klärschlammheizkraftwerk der EnBW in Walheim gedauert. Am Mittwoch waren nach Auskunft des Regierungspräsidiums Stuttgart (RPS) alle Tagesordnungspunkte besprochen. Die BZ hat Reaktionen bei den betroffenen Kommunen, der Energie Baden-Württemberg (EnBW), der Bürgerinitiative (BI) „Bürger im Neckartal“ sowie beim RPS eingeholt.

Aus dem RPS hieß es, dass der Erörterungstermin insgesamt gut verlaufen sei. „Die Atmosphäre war, trotz des spürbar hohen und teilweise emotionalen Engagements und Widerstands der Einwendenden, insgesamt sachlich, respektvoll und gut“, heißt es in einer Mitteilung. Die Einwender hätten die Gelegenheit wahrgenommen, ihre Bedenken ausführlich zu erläutern. Nun werde eine Niederschrift des Erörterungstermins erstellt und diese mit den Erläuterungen weiter geprüft.

Positive Bewertung

Die EnBW bewertete den Verlauf des Erörterungstermins zum Vorhaben in Walheim als positiv. „Wir haben das Engagement und die Anliegen der Einwendenden mit Respekt aufgenommen“, heißt es aus der Pressestelle. Zahlreiche Fragen seien bis ins Detail diskutiert und ausführlich beantwortet worden, teilweise auch über den eigentlich für die Genehmigung relevanten Rahmen hinaus. „Vor diesem Hintergrund sind wir für den weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens weiterhin zuversichtlich“, sagte EnBW-Sprecher Christopher Engelmann.

Formal sei der Erörterungstermin ordnungsgemäß verlaufen, sagte Rechtsanwalt Dr. Peter Schütz, der die Gemeinde Walheim vertritt. Inhaltlich habe es Gestaltungsspielraum gegeben. Offen geblieben war zum Beispiel am Montag, ob die Stadt Bietigheim-Bissingen das Brüdenwasser, das bei der Trocknung von Klärschlamm entsteht und das per Lkw in Kläranlagen gebracht werden soll, annimmt oder nicht. Schütz fand es „erstaunlich, dass dieser Widerspruch nicht aufgeklärt wurde“.

Was ist Brüdenwasser?

Zur Anlieferung des Brüdenwassers nach Bietigheim-Bissingen liegt der BZ die Stellungnahme der Stadt vor. Daraus wird ersichtlich, dass Oberbürgermeister Jürgen Kessing den Anlieferverkehr zur Kläranlage Nesslwörth bereits am 11. April abgelehnt hatte (siehe Infokasten).

Die EnBW argumentiere mit Grenzwerten, Vorgaben und Vorschriften, sagte der Stellvertretende Bürgermeister in Walheim, Wilhelm Weiss. Die emotionale Seite der Planung interessiere den Konzern nicht. Den Austausch bei der Erörterung habe er zum Teil als herablassend empfunden. Bis zu einer Entscheidung durch das RPS habe die Gemeinde keinen weiteren Einfluss auf das Verfahren, sagte Weiss. Man müsse auf die Objektivität der Behörde vertrauen. Der Gedanke an einen rechtlichen Schritt der Kommune Walheim sei da, sagte Wilhelm Weiss.

Zwei Welten prallen aufeinander

Von zwei Welten, die bei dem Termin im Forum aufeinandergeprallt seien, spricht der Gemmrigheimer Bürgermeister Dr. Jörg Frauhammer – die Welt der Juristen und die der Bürger. Diese zusammenzubringen sei nicht einfach. Doch die Kompromisslosigkeit und Steifheit der Erörterung habe ihn verwundert, sagte Frauhammer. Wenn sich das RPS beweglicher gezeigt hätte, „hätte manche Kuh vom Eis gebracht werden könne“, ist er überzeugt.

Nun hofft der Bürgermeister, dass das weitere Verfahren transparent verläuft und man daraus lerne. Manche Hinweise der Bürger stammten vielleicht nicht wörtlich aus dem Gesetzestext. Doch er gibt zu bedenken, dass sich die angespannte Verkehrssituation in Gemmrigheim bereits heute nicht mehr so darstelle wie in der Theorie: „Mit den Folgen kämpfen wir heute schon jeden Tag“, sagte Bürgermeister Jörg Frauhammer.

Man werde das Gefühl nicht los, „dass alles mehr oder weniger schon klar ist“, sagte der Kirchheimer Bürgermeister Uwe Seibold. Nicht ernstgenommen gefühlt hätten sich auch viele andere Zuhörer, hat Seibold in Gesprächen erfahren.

„Wir gegen sie“-Gefühl

Diesen Eindruck bestätigte auch Rudi Ringwald von der BI. Durch die Anordnung von EnBW und RPS auf dem Podium gegenüber den Einwendern sei ein „Wir gegen sie“-Gefühl entstanden, sagte er. Die EnBW habe versucht, die Einwender in allen Punkten auszumanövrieren. Es sei der Eindruck entstanden, dass „wir Bürger keine Chance haben“, sagte Ringwald. Vor diesem Hintergrund dürfe man sich nicht wundern, wenn immer mehr Leute die AfD wählen würden, warnte er.

„Umweltskandal erster Ordnung“

Als einen „Umweltskandal erster Ordnung“ bezeichnete Ringwald das geplante Kraftwerk und nennt „drei Klimasünden“: Die EnBW habe bestätigt, dass die erzeugte Wärmemenge mangels Nahversorgungsnetz an die Atmosphäre abgegeben werden soll. „Die Anlage trägt dann massiv zur Erderwärmung bei“, sagte er.

Ferner würden die Treibhausgasemission CO2 und Lachgas in einer Dimension liegen, die etwa der Emission von 50.000 Pkw entspräche. Auch die Emissionen durch die täglich bis zu 150 Lkw und die Überlastung der Straßen sei „ökologisch unsinniger Mülltourismus insbesondere in Kirchheim“.

Angesichts der 731 Einwendungen müsse das RPS in größerem Maße nacharbeiten. Ringwald hofft, dass die Kommunikation darüber transparent erfolgen wird und nicht alles im Hinterzimmer geregelt werde.

Laut Definition der Bundesimmissionsschutzverordnung handelt es sich Ringwald zufolge um eine Abfallbeseitigungsanlage. Die EnBW halte dennoch an der Bezeichnung Klärschlammheizkraft fest: „Die Versprechungen der EnBW von 2021, einen modernen Umweltstandort zu schaffen, sind nach diesen drei Tagen endgültig vom Tisch.“

 
 
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