Weinbergschützen in Bönnigheim und Asperg Weinbergschützen machen Krach

Von Gabriele Szczegulski
Vier Mann bilden in Bönnigheim die Weinberghut und decken alle Weinberge auf Bönnigheimer Gemarkung mit einer Gesamtgröße von 170 Hektar ab (von links): Joachim Mann, Manfred Schmälzle, Gerhard Hepperle, Fritz Krieg. Foto: /Oliver Bürkle

Meist Rentner gehen im Auftrag der Kommunen und Weingärtner vor der Lese auf Jagd nach Starenschwärmen und machen viel Krach, um diese zu vertreiben.

Stare in Schwärmen, aber auch zweibeinige Diebe oder Saboteure sind eine Gefahr für eine erfolgreiche Ernte in den Weinbergen. Deshalb ziehen noch heute die traditionellen Wengertschützen in vielen Orten als Weinberghut vor der Ernte durch die Weinlagen und vertreiben ungebetene Gäste. Meist Rentner erklären sich bereit, mit Rätsche und Pistole durch die Weinberge zu ziehen und dabei überwachen sie auch die automatischen Schussapparate oder schalten sie ein und aus.

Bönnigheimer Weinbergschützen sind zu viert

In Bönnigheim sind es Fritz Krieg, Joachim Mann, Gerhard Hepperle und Manfred Schmälzle, die vor 15 Jahren die Weinberghut übernommen haben. „Davor gab es einige Jahre keine Wengertschützen in Bönnigheim, weil es keine Freiwilligen gab“, sagt Schmälzle. Doch für die Wengerter sei der Weinbergschütz kein Relikt aus der Vergangenheit. „Den Weinbauern ist es wichtig, dass vor der Ernte auf die Trauben geachtet wird“, so Hepperle, der selbst einen Weinberg hat. „Ein Starenschwarm kann in einer halben Stunde die Ernte eines ganzen Weinbergs vernichten“, so Schmälzle. Rolf Häusser, Bönnigheimer Winzer, sprach die vier vor 15 Jahren an und seither, „sind wir zwei Wochen vor der Lese immer in Bereitschaft“, so Schmälzle.

Jeden Tag ist einer der vier unterwegs auf der 13 Kilometer langen Route – mit dem Motorroller, dem E-Bike oder zu Fuß. Dreimal am Tag, zu Sonnenaufgang, über Mittag und zu Sonnenuntergang ziehen die Wengertschützen ihre Runden, das sind fast 40 Kilometer am Tag.

Momentan wurde in Bönnigheim noch kein Starenschwarm gesichtet, deswegen sind die vier noch unregelmäßig in den Weinbergen. Aber in den nächsten Tagen, so Schmälzle, „werden die Stare kurz nach Sonnenaufgang aus dem Schilf des Zabertals bei Meimsheim aufsteigen und in Richtung Bönnigheim fliegen“.

Zwar gibt es in den Bönnigheimer Weinbergen Schussanlagen, die die Stare mit ihrem Knallen vertreiben sollen, aber: „Mit der Zeit haben sich die Stare an das Geräusch gewöhnt“, sagt Joachim Mann. Effektiver ist, wenn die Wengertschützen selbst dort die Pistole knallen lassen, wo die Stare sind. Manchmal kommen auch die Rätschen der vier zum Einsatz. „Das ist immer noch das effektivste Geräusch“, ist Krieg überzeugt.

Jeder der vier ist im Besitz einer solchen Rätsche, wie sie schon seit Jahrhunderten verwendet wird, teilweise aus dem Besitz der Ur-Urgroßväter, wie bei Fritz Krieg. In dessen Wengerthäuschen im Gebiet Heide treffen sich die vier Weinberghüter auch, um Schichten auszumachen oder Erfahrungen auszutauschen. Meist aber werden Touren ganz spontan ausgemacht, bei großer Starengefahr auch zu zweit oder zu dritt. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise ein ganzer Weinberg von den Staren leer gefressen, deswegen sind damals Schmälzle, Hepperle und Mann gemeinsam gegen sie vorgegangen.

Zweibeinige Traubendiebe sind auch eine Gefahr

Zudem, so Schmälzle, sind es nicht nur die Stare, vor der die Reben geschützt werden müssen, auch zweibeinige Diebe sind nicht selten. Die gilt es, auszumachen und zu vertreiben, deswegen laufen die Schützen auch immer einen anderen Weg und zu anderen Zeiten. „Es kommt häufig vor, dass Diebe ganze Bütten voll Trauben klauen, auch schon ein ganzer Weinberg wurde leer geräumt“, sagt Hepperle. Und das mitten am helllichten Tag.

Auch die automatischen Schussapparate werden oft durch Menschenhand sabotiert, die Gasflasche gestohlen oder das Gerät zerstört. „Deshalb schauen wir uns täglich auch die Anlagen an“, sagt Schmälzle. Und am Samstagabend schaltet der Weinbergschütz die Anlagen aus und am Sonntag eine Stunde später wie üblich wieder ein. „Damit die Bönnigheimer mal ausschlafen können“, sagt Mann. Natürlich würden sich immer wieder Bürger beschweren über den Krach, der in den Weinbergen unregelmäßig vonstatten geht. „Doch dagegen stehen die Sorgen der Weingärtner, wenn ihre Ernte stattdessen zunichte gemacht wird. Und es sind ja auch nur zwei bis vier Wochen vor der Lese, dass geschossen und gerätscht wird“, sagt Schmälzle. Wengertschützen leisten sich fast alle Weingemeinden. Auch in den Bönnigheimer Teilorten Hohenstein und Hofen gibt es jeweils einen Weinbergschützen.

In Asperg gibt eskeine Schussanlagen

In den Asperger Weinbergen unterhalb des Gefängnisses auf dem Hohenasperg gibt es keine Schussanlagen, da die Weinberge zu nah an der Wohnbebauung sind. Deshalb sind die Wengertschützen der Interessengemeinschaft Asperger Weingärtner auch die einzigen in Württemberg, die ohne technische Unterstützung arbeiten.

Die Weinberghut geht in Asperg so vonstatten wie sie seit Jahrhunderten gemacht wird: Mit Rätsche, lauten Rufen und erst seit 1945 auch mit einer Schreckschusspistole. Martin Pfisterer ist Obmann der Weinberghut und organisiert die Schichten. Wenn er selbst an der Reihe ist, ist der 85-Jährige zwischen 6 und 7 Uhr an seiner Weinberghütte an der Panoramastraße. 160 Stäffele, sagt er, geht es hoch. Acht Weinbergschützen - Franz Gerger, Thomas Haidle, Gerhard Hesser, Klaus Holzwarth, Fritz Mattes, Martin und Peter Pfisterer und Bernd Sauer - laufen das Gebiet Vorderer Berg bis zur Lage „Wurst“ in Markgröningen ab. 101 Hektar sind das. Die Asperger Wengertschützen werden von der Stadt angestellt. „Bis vor einigen Jahren waren die Wege durch die Weinberge noch verbotene Wege, da durfte man nur mit Sondergenehmigung hin“, sagt Pfisterer. Jetzt dürfen dort auch Spaziergänger laufen und, wie er sagt „Traubendiebe, die eimerweise Tauben stehlen“. Die Wengertschützen benötigen eine Genehmigung, mit den Schreckschusspistolen schießen und Patronen und Kartuschenmunition kaufen zu dürfen, die stellt die jeweilige Kommune aus. „Früher wurden die Weinberge einfach gesperrt, keiner durfte rein, seit 1991 sind die Weinberge offen“, sagt er. „Die menschliche Weinberghut ist wichtig und kann durch keine Schussanlagen oder Ballons ersetzt werden“, sagt er.

In Asperg koordiniert der Obmann der Wengertschützen, Martin Pfisterer, die Weinberghut.
 
 
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