Wir erwarten einen Spitzenjahrgang“, sagt Sebastian Häußer. Der Önologe und Betriebsleiter der Felsengartenkellerei Besigheim muss es wissen, hat er als Kellermeister doch den Überblick über die Traubenbeschaffenheit. Seit zwei Wochen läuft nun die diesjährige Weinlese, die noch bis in die zweite Oktoberwoche andauern wird. „Die erste Rebsorte, die bei uns geerntet wurde, war in diesem Jahr Pinor Meunier für die Sektherstellung“, so Häußer.
Weinlese bei der Felsengartenkellerei Besigheim Wetterwechsel sorgt für mehr Aroma
Der Kellermeister der Felsengartenkellerei Besigheim, Sebastian Häußer, spricht mit der BZ über das Traubenjahr 2024, neue Rebsorten und den Trend zu weniger, aber hochwertigeren Weinen.
Schadet der derzeitige Regen?
Ob das derzeitige Wetter den Trauben nicht schade? Nein, sagt der Kellermeister. Denn während der Vegetationszeit, dem Wachstumszeitraum vom letzten Frost im Frühjahr bis zur Ernte, habe es ausreichend geregnet, daraufhin gab es einige Wochen lang viel Sonnenschein. Der Wetterwechsel jetzt rege die Rebe an, Aromen zu entwickeln, sagt Häußer. Zum derzeitigen Regen sagt er: „Wenn die Niederschläge so bleiben wie jetzt, stört uns das nicht.“ Problematisch werde es jedoch, wenn der Regen zu Dauerregen wird. Dann nämlich ziehen die reifen bis sehr reifen Beeren Wasser und platzen auf. Der Wetterbericht sehe allerdings nicht danach aus, ist der Önologe zuversichtlich.
Der Schein trügt übrigens nicht, in diesem Jahr wird früher gelesen. „Im Vergleich zum Vorjahr sind wir etwa eine Woche früher dran“, sagt Häußer. Betrachte man jedoch die Entwicklung der letzten 30 bis 50 Jahre, hat der Wein-Experte dafür nur ein Wort: Besorgniserregend. „Es ist für mich heftig zu sehen, wie schnell sich der Erntezeitpunkt schon während meiner Zeit hier verschiebt“, sagt Häußer, der in diesem Jahr seinen 17. Herbst in der Felsengartenkellerei begeht und bereits im neunten Jahr Kellermeister ist. Früher habe die Lese in der Herbstferien, also Ende Oktober, begonnen. Mittlerweile startet sie in den Sommerferien und ist bereits Anfang Oktober abgeschlossen. „Weil es früher wärmer wird. Der Klimawandel ist nicht wegzudiskutieren“, sagt Häußer. In manchen Lagen werde Weinbau schon sehr bald nicht mehr funktionieren, sagt er ernst.
Das Klima wirkt sich auch auf die Auswahl der Rebsorten aus, die angebaut werden. „Unsere aktuelle Empfehlung ist, pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwi) anzupflanzen“, so Häußer und weiter: „In Deutschland ist seit gut zehn Jahren viel Bewegung drin. Deutschland ist in der Rebzüchtung vorne dabei.“ Denn bereits vor 30 bis 35 Jahren habe man in der Rebzüchtung vorausschauend gehandelt und Sorten entwickelt, die mit den neuen Bedingungen besser zurechtkommen. Es sei sogar so, dass wichtige Weinbauländer wie beispielsweise Frankreich und Italien Piwi-Sorten in Deutschland einkaufen.
Weiße, aromatische Rebsorten
Hier in der Region seien das vor allem weiße, aromatische Rebsorten wie Donauriesling, Calardis blanc, Souvignier gris und Sauvignac. Mittlerweile gibt es die ersten Weine aus diesen pilzfesten Neuzüchtungen. Ziel sei, dass die Wengerter – auch die kleinen – ihren Weinberg 30 Jahre bewirtschaften können, ehe sie neue Rebsorten anbauen. „Damit das gelingt, setzen wir viel auf Cuvées aus Piwis“, sagt Häußer. Der weiße Secco der Felsengartenkellerei beinhalte beispielsweise bereits Piwi-Rebsorten. Es dauere etwa 25 Jahre von der Idee, eine neue Sorte anzubauen, bis zur erfolgreichen Züchtung, Auspflanzung und der Ernte, so Häußer.
Eine Rebsorte, die seit Jahren mehr und mehr an Wichtigkeit verliert, ist der Trollinger. Der eher leichte Rotwein mit seiner ziegelroten Farbe habe zwar immer noch seine Liebhaber. Jedoch komme er gerade bei jüngeren Verbrauchern immer weniger gut an. „Wir sehen einen Wandel im bevorzugten Weinprofil“, sagt der Wein-Experte. Die Kunden seien anspruchsvoller geworden. Lieber werde weniger, aber dafür ausgewählter Wein getrunken, bei dem Geschmack, Aussehen und das Drumherum passen. „Wir reagieren darauf und werten auch unsere Marke auf“, sagt Häußer.
Wandel in den Weinbergen
Daher finden sich auch immer mehr neue Rebsorten in den Weinbergen. Am Dienstag etwa wurde unter anderem Cabernet Mitos (siehe Foto) geerntet. „Das ist eine relativ neue Rebsorte, die es seit etwa 30 Jahren gibt“, erklärt Häußer. Sie zeichne sich vor allem durch ihre intensive Farbe aus. Das rühre daher, dass der Traubensaft bereits rot ist und das Endprodukt nicht erst durch die Mazeration, also die Reaktion mit der roten Beerenschale, rot wird. Wenn man diese sowieso schon roten Beeren dann auch noch vergärt, entsteht eine tiefe Farbe, die „vor allem für eine Cuvée interessant ist“, sagt der Kellermeister. Der Geschmack sei zwar angenehm, jedoch nicht so tief. In Kombination mit etwa Lemberger, Dorsa oder Acolon entstehen aber wiederum spannende Weine, so der Experte.
Mit Geschäftsführer Hans-Georg Schiller sei Häußer neben dem intensiven Austausch mit den Wengertern, auch im engen Kontakt mit den Kunden und könne so die Entwicklung zeitnah erkennen. Derzeit seien übrigens vor allem Schaum- und Perlweine gefragt.