Weinlese im nördlichen Landkreis Qualität macht Freude, Menge nicht

Von Jürgen Kunz
Moderner Traubenvollernter im Einsatz: Die Familie Weiberle vom gleichnamigen Bauernladen in Hohenhaslach betreibt als Lohnunternehmen zwei dieser High-Tech-Maschinen in den Weinbergen.⇥ Foto: Martin Kalb

Im Wortsinn bringen die Wengerter jetzt die Früchte eines ganzen Jahres in den Keller. Wie Thomas Eberbach, Leiter Oenologie und Technik der Weingärtner Stromberg-Zabergäu, sagt, ist die Lese des Jahrgangs 2020 in vollem Gang. Die Frühsorten sind zum großen Teil im Keller. Die weißen und roten Burgundersorten wurden bis Mitte der letzten Woche geerntet. Aus den Steillagen von Kirchheim gären auch schon die ersten Trollinger im Keller. „Die Mostgewichte sind sehr gut. Die Erträge können leider nicht auf der Höhe vom Vorjahr eingefahren werden“, so Eberbach. Hier habe der Frost im Frühjahr und die doch trockene Witterung im Sommer die Menge deutlich reduziert.

Durch die niedrigen Nachttemperaturen in der letzten Woche konnten die Trauben kühl geerntet werden. Insbesondere bei der Verarbeitung und Vergärung von weißen Trauben, und roten Trauben für Roséweine, ist die kühle Ernte für die Frucht und Eleganz der späteren Weine ganz wichtig, merkte Eberbach an: „Heute zeigt bereits der Jahrgang 2020, dass die Rotweine eine ganz besondere Qualität entwickeln. Die ersten Weine sind auf der Maische vergoren. Schon jetzt schmecken sie deutlich füllig, die Gerbstoffe sind weich, und sehr harmonisch reif.“ Rund 2,5 Millionen Liter seien bereits im Haus und die Mostgewichte bewegen sich zwischen 90 und 100 Grad Oechsle.

Ebenso wie bei den Weingärtner Stromberg-Zabergäu gab es bei den genossenschaftlichen Kollegen der Felsengartenkellerei Besigheim keine der üblichen Herbstversammlungen. „Die Kommunikation mit den Mitgliedern in Bezug auf die Traubenlese haben wir in diesem Jahr nicht in Form einer analogen Herbstversammlung durchgeführt, sondern digital beziehungsweise per Brief oder Telefon“, erklärte Sebastian Häußer, Oenologe und Betriebsleiter. Eine ordentliche Generalversammlung sei für das letzte Quartal geplant.

Aus Sicht Häußers bestehe „berechtigte Hoffnung auf einen sehr guten Jahrgang.“ Wermutstropfen für die Weingärtner seien die vergleichsweise kleine Erntemenge und eine Besonderheit, die Organisation der Traubenlese sowie für die Felsengartenkellerei die Organisation der Traubenverarbeitung unter Beachtung der Corona-Bestimmungen. Von rund 750 Hektar der Felsengartenkellerei sind etwa 130 Hektar Terrassenweinberge und rund 200 Hektar werden mit dem Vollernter gelesen. Die WG Stromberg-Zabergäu ernten rund die Hälfte der Rebfläche als Handlese und die andere Hälfte mit dem Vollernter. „Der Vollernter hat seine großen Vorteile bei weißen Trauben, wenn die Tagestemperaturen über 25 Grad Celsius sind. Mit der Maschine können wir bei kühlen Nachttemperaturen die Trauben kalt ernten und morgens gleich verarbeiten“, erklärt Eberbach.

Am 14. September begann mit Weißburgunder in der Steillage Käsberg und Wurmberg die Lese beim Consortium Montis Casei. „Wir haben von den mediterranen roten Rebsorten diese Woche schon den Tempranillo, den Syrah und den Sangiovese in den Keller gebracht. Alle Trauben waren schön ausgereift, gesund und mit hohen Oechsle. Wir können bisher sagen, dass unsere Rebsortenentscheidung richtig war“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Herbert Müller. Nach Müllers Einschätzung spiele die Klimaveränderung dem Consortium in die Hände, und das Muschelkalkterroir sei bestens für die südländischen Rebsorten geeignet.

Man habe eine gute Lesemannschaft zusammengebracht, eine muntere Schar von Rentnern, die ein eingespieltes Team sind, sehr flexibel auf die kurzfristigen Lesepläne reagieren können und sehr viel Spaß zusammen haben. 2020 dürfte als Jahrgang von dem frühen Austrieb, dem langen Sommer bis weit in den September hinein geprägt sein, mit den Vor- und Nachteilen der Trockenheit: keine Fäulnis, dafür wenig Menge. Müller: „Ausreißer nach unten könnte allenfalls der Trollinger sein, der Hitze nicht verträgt und trotz langer Wärmeperiode mit den Oechsle nicht recht nach oben kommt.“

 
 
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