Weltfrauentag im Landkreis Ludwigsburg „Wann ist eine Frau eine Frau?“

Von Heidi Vogelhuber
Am Unteren Tor steht die Skulptur „Schwätzweiber“ des Löchgauers Künstlers Karl-Henning Seemann. Was Frauen können, dürfen oder müssen ist ein Dauerthema in der Gesellschaft – vielleicht reden auch die „Schwätzweiber“ am Weltfrauentag darüber? Foto: /Martin Kalb

Zum Weltfrauentag lässt die BZ Frauen aus dem Landkreis Ludwigsburg zu Wort kommen. Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen berichten, was es denn für sie bedeutet, eine Frau zu sein.

Vor ziemlich genau 40 Jahren, nämlich 1984, veröffentlichte Herbert Grönemeyer den Song „Männer“. In diesem Lied setzt sich der deutsche Musiker mit geschlechtsspezifischen Rollenbildern auseinander. Männer-Klischees werden mit einem Augenzwinkern eher weiblich konnotierten Merkmalen gegenübergestellt. Zum diesjährigen Weltfrauentag am 8. März fragt die BZ ganz unterschiedliche Frauen aus dem Landkreis Ludwigsburg: „Wann ist eine Frau eine Frau?“

Jede der Frauen wurde von der BZ gebeten, so zu antworten, wie sie es für richtig hält. Was darf, kann, muss eine Frau? Was hat heutzutage noch Gültigkeit, was ist vollkommen überholt, was muss noch verbessert werden auf dem Weg zur Gleichberechtigung? Über was sollte am Weltfrauentag gesprochen werden? Herausgekommen ist eine bunte Collage aus Antworten.

„Ich bin der Meinung, dass die klassische Rollenverteilung heutzutage kein großes Thema mehr sein sollte. Ob Hausfrau oder Hausmann, ob Sportler oder Sportlerin (um nur zwei Beispiele zu nennen), ob privat oder beruflich – egal wie und wo, geht es immer um die Entfaltung eigener Stärken und Bedürfnisse, die geschlechtlich völlig unabhängig sein sollten“, sagt die SG BBM-Kapitänin Xenia Smits und weiter: „Eine Frau ist eine Frau, wenn sie die Freiheit hat, sich nach ihren eigenes Bedürfnissen und Vorstellungen zu entfalten. Denn dann wird sie stark, glücklich und selbstbewusst. Und was gibt es Schöneres als eine starke, glückliche und selbstbewusste Frau?“

„Wann ist eine Frau eine Frau? Meine Antwort lautet spontan: Wenn sie ihre Frau steht“, sagt die Bildhauerin Uli Lüth aus Bietigheim-Bissingen. „Und ‚müssen’, muss sie nichts. Sie ‚darf’, was sie kann und sie ‚kann’, was sie will. Wichtiger denn je erscheint mir die Bildung von Frauen und damit verbunden ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit. Ich plädiere für eine gleiche Lastenverteilung in einer Beziehung, besonders in Beziehungen mit Kindern. Ein Freiraum für die berufliche Entwicklung einer Frau während der ‚Kinderaufzucht’ (Kindertagesstätten!) sollte ausreichend zur Verfügung stehen. Zum Weltfrauentag: ein Hoch auf alle Frauen. Ich freue mich, eine von ihnen zu sein.“

„Bei Frauen ist alles anders als bei Männern“, sagt Walheims Bürgermeisterin Tatjana Scheerle und auch: „Eine Frau darf keine Schwäche zeigen. Dadurch wird sie als verletzlich und weich angesehen. Eine Frau muss ihren Mann stehen. Denn nur dann wird sie gleich behandelt. Eine Frau muss viel mehr Leistung bringen, um gesehen zu werden. Eine Frau darf keine Frau sein.“

„Wir brauchen starke Männer und starke Frauen. Unsere Gesellschaft kann es sich schlichtweg nicht leisten, weiterhin in alten Rollenklischees festzukleben“, sagt Ingersheims Bürgermeisterin Simone Lehnert und weiter: „Wenn wir die Herausforderungen der Zeit wie beispielsweise den Fachkräftemangel, meistern wollen, gilt es, pragmatisch auf die Dinge zu schauen und sich von alten Modellen zu verabschieden. Alles ist möglich. Mein Eindruck: Frauen schränken sich häufig durch ihr eigenes Selbstbild immer noch enorm ein. Wir sollten uns gegenseitig stärken und Mut machen – vor allem wir Frauen uns gegenseitig.“

„Eine Frau ist eine Frau, ist meine Antwort, um das Lied von Herbert Grönemeyer aufzugreifen“, sagt Cynthia Schönau, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Ludwigsburg. Wichtig ist ihr außerdem zu sagen: „Darum geht es beim Internationalen Frauentag: Hinsehen, Aufklären und Gleichstellung einfordern. Hierzu braucht es beide Geschlechter: Männer und Frauen. Die Gründe, warum wir die Gleichstellung noch lange nicht erreicht haben, sind vielfältig – vielleicht weil Frauen in der Politik und in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind?

Betrachtet man die Meilensteine, ist festzustellen, dass seit fast 50 Jahren die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung (Sie: Haushalt und Kinder, Er: Arbeit und Politik) in der Ehe aufgehoben ist. Männer wünschen sich heute sogar mehr Zeit für Kinder und Familie. Und seit rund 25 Jahren ist die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Aktuell wurde endlich die Möglichkeit, der vertraulichen Beweissicherung für Vergewaltigungsopfer geschaffen“, so die Kreis-Gleichstellungsbeauftragte und weiter: „Ja, es tut sich etwas, aber viel zu langsam und viel zu wenig. Dabei hilft Gleichstellung allen: Männern, Frauen, Familien. Auch unserer Volkswirtschaft. Denn wenn das zurzeit überwiegende Zuverdienst-Modell bei Paarbeziehungen durch das Erwerb-und-Sorge-Modell, bei welchem Erwerbs- und Sorgearbeit bei Paaren fair verteilt ist, verstärkt abgelöst würde, könnten mehr gut ausgebildete Frauen unseren Fachkräftemangel abfedern.

Gleichstellung von Frauen und Männern bedeutet, dass beide Geschlechter die gleichen Chancen zur Entwicklung und Verwirklichung ihres Lebensmodells haben. Es gibt viel zu tun und es geht nur gemeinsam.“

„Wann ist eine Frau eine Frau? Da denke ich spontan an eine Unterhaltung die ich mal mit einem Bekannten hatte, wo er mir erzählte wie gerne er spät abends im Dunkeln Joggen geht und fragte mich, ob ich das auch gerne mache. Als ich sagte ‚Ich glaube kaum eine Frau würde so etwas je behaupten’, schaute er mich erst fragend an und ich merkte, er hat sich wahrscheinlich noch nie Gedanken um seine Sicherheit, vor allem achts, machen müssen“, sagt Nina Rausch, die in Ingersheim aufgewachsen ist und als Schauspielerin in Kalifornien, USA, lebt und arbeiten. „Ich spreche hier eher von meiner Wahlheimat, den USA, denn hier fühlt sich es immer noch so an, als wäre mein Körper nicht meiner, über den ich entscheiden kann. Ob Medien zum Thema Gewicht oder Falten, die Politik zum Thema Abtreibung oder die Gesellschaft zum Thema Erwartungen. Ich glaube die Rede von America Ferrera in dem Film ‚Barbie’ beschreibt es am besten. Kurz gefast, Frauen müssen perfekt sein, aber nicht zu perfekt, daher ist es fast unmöglich. Es gibt kein Mittelmaß und es ist sehr traurig, dass es in 2024 immer noch sehr kompliziert ist, Frau zu sein. Und all dies ist nur der Anfang und das Erlebnis und Privileg, weiße Frau zu sein. Man kann das ganze verdoppeln und verdreifachen für ethnische oder Transgender-Frauen.“

Nicole Noller aus Asperg, eine der beiden Gründerinnen des Accounts „Faces of Moms“ sagt: „Ich freue mich über Frauen die wütend sind. Die mutig sind. Die Erwartungen nicht erfüllen – oder übertreffen. Ich freue mich über Frauen, die lauten und die leisen, die im Stillen für einander da sind. Ich freue mich über jede, die für eine andere Frau einsteht, sie an der Hand nimmt oder an die Seite tritt, um Vorrang zu geben. Gewalt in Wort und Tat sind inakzeptabel – das muss bereits in Schulen thematisiert werden, um bei den Kleinsten präventiv zu wirken. Konkret wirken können wir schon jetzt: indem wir ein zweites Frauenhaus Ludwigsburg schnellstmöglich realisiere“, so Noller und weiter: „Lasst uns darüber sprechen, wie wir uns gegenseitig unterstützen können. Wie wir einander hören und verstehen – ohne zu bewerten oder zu verurteilen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die den Wert von Menschen schätzt und über Rollenbilder hinausblickt. Die Chancen zur Entfaltung gibt, die Rückgrat ist und Nährboden, um ein Gutes Leben für alle zu ermöglichen.“

Frauenpower: Die Landfrauen Tamm im Wandel der Zeit

„In den Anfangsjahren der Landfrauen ab 1947 waren die Treffen eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen raus zu kommen, sich auszutauschen und Veranstaltungen zu besuchen“, so Katja Weber, Pressesprecherin der Landfrauen Tamm (Foto: privat). „Heutzutage haben wir Frauen zahlreiche Möglichkeiten, neben Beruf und Familie die Freizeit selbst bestimmt zu gestalten.“ Umso schöner sei es, dass die Landfrauen in den letzten Jahren enormen Zulauf hatten. Das liege auch an Zusammenhalt, Geselligkeit, der Möglichkeit, andere kennenzulernen und am Bildungsprogramm für alle Altersgruppen. „In vielen Köpfen sind die Landfrauen noch mit dem Klischee Kochen, Backen und Handarbeit verbunden.“ Tatsächlich besuche die Landfrau von heute wieder Workshops zu diesen, aber auch anderen Themen. „Zudem ist die politische Einflussnahme Teil der Landfrauenarbeit auf Verbandsebene. Es gibt viele Frauenthemen, für die sich Landfrauen einsetzen.“

 
 
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