Zu bürokratisch, zu teuer, zu aufwendig: Seit der Einführung des Lieferkettengesetzes zum Januar 2023 reißt die Kritik von Unternehmensseite an dem Gesetz nicht ab. Seine Abschaffung war Teil des Wahlkampfes der CDU und ist damit auch Thema in den aktuellen Koalitionsgesprächen. Hoffnung setzen viele Unternehmen in die Verschiebung der EU-Richtlinie zu diesem Thema bis in die Jahre 2028/2029. Die EU-Kommission hat angekündigt, einige Bestimmungen mildern zu wollen. So soll die Überprüfung auf Einhaltung der Menschenrechte nur noch für direkte Zulieferer gelten und nicht mehr für die gesamte Lieferkette. Praxistaugliche Regelungen sollen gefunden werden, heißt es.
Wirtschaft im Kreis Ludwigsburg Lieferkettengesetz: Top oder Flop?
Die IHK Region Stuttgart setzt sich für eine Abmilderung des umstrittenen Lieferkettengesetzes ein. Der Hemdenhersteller Olymp aus Bietigheim-Bissingen dagegen sieht darin die Garantie für Menschenrechte, Umweltschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen.
Erwartungen sind groß
Entsprechend groß sind die Erwartungen von Claus Paal, dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, IHK, Region Stuttgart. Die neue Bundesregierung müsse sich in Brüssel massiv dafür einsetzen, „übermäßige Regulierungen zu stoppen und die Bürokratiebelastung für unsere Betriebe auf ein Minimum zu reduzieren“, sagte er auf Anfrage der BZ. Dazu gehört für ihn auch der Kommissionsvorschlag zur „Verschlankung“ der EU-Lieferketten-Richtlinie, der jetzt noch vom EU-Parlament angenommen werden müsse.
In den beiden Jahren, in denen in Deutschland das Lieferkettengesetz gilt, standen die Unternehmen vor großen Herausforderungen, heißt es seitens der IHK. Der überwiegende Teil der direkt oder (als Zulieferer) indirekt betroffenen Firmen habe sich nach Einführung des Gesetzes mit ihrem Nachhaltigkeitsmanagement auseinandergesetzt. Dazu gehörten insbesondere Investitionen in das interne Risikomanagement. Softwarelösungen zur Überprüfung von Zulieferern mussten eingeführt werden, für die Mitarbeiter wurde ein Verhaltenskodex entwickelt.
In größeren Unternehmen wurde auch in das Personal investiert oder sogar Fachabteilungen aufgebaut. Bei der IHK geht man davon aus, dass einige Unternehmen ob des befürchteten Aufwands und der Kosten in „vorauseilendem Gehorsam“ sogar ihre Lieferbeziehungen zu Lieferanten aus Risikoländern eingestellt haben. Das schließt die Kammer aus verschiedenen Umfragen in der Region, aber auch in anderen Teilen Deutschlands.
Ist die mühsame Arbeit hinfällig?
Hört man genau hin, könnte der interne Aufwand auch der Grund sein, warum Firmen, die von der BZ auf die Thematik angesprochen wurden, sich dazu nicht äußern wollten: Sollten gesetzliche Vorschriften geändert oder sogar wieder abgeschafft werden, könnte die mühsame Zusatzarbeit sich in Teilen als hinfällig erweisen, ist in den Pressestellen zu hören. Ausgerechnet ein Unternehmen aus dem Textilbereich, der nach Einschätzung der IHK vom Lieferkettengesetz besonders betroffen ist, will sich der Kritik nicht anschließen. Im Gegenteil: Der Bietigheimer Hemdenhersteller Olymp ist der Überzeugung, „dass Unternehmen grundlegende Menschen- und Umweltrechte in ihren globalen Lieferketten respektieren müssen“, sagt Firmenchef Mark Bezner. Olymp habe die Verabschiedung eines europäischen Lieferkettengesetzes immer befürwortet. Dass die EU-Kommission ihren Entwurf jetzt hinausschieben will, ist aus seiner Sicht kein positives Signal für all jene Unternehmen, „die ihre Sorgfaltspflichten ernst nehmen“.
Faire Bedingungen schaffen
Bezner geht es dabei auch um die Schaffung einheitlicher und fairer Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen der Branche. Geschäftspraktiken, die Nachteile für Humanität und Umwelt bringen und mit „wettbewerbsverzerrenden Kostenvorteilen“ einhergehen, könnten durch das Gesetz eingedämmt werden. Olymp könnte davon profitieren. Denn das Familienunternehmen selbst ist nicht vom Lieferkettengesetz betroffen, macht Bezner deutlich. Dafür ist es mit rund 900 Mitarbeitern nicht groß genug. Seit 2024 gilt das Gesetz für Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten in Deutschland. Die Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette ist aber trotz des fehlenden gesetzlichen Zwangs ein Kern der Geschäftspolitik. Dafür engagiere sich Olymp in zahlreichen Initiativen, Verbänden und Organisationen und pflege langfristige und vertrauensvolle Beziehungen zu wenigen, sorgfältig ausgewählten Partnern, hebt Bezner hervor. Eine eigene Abteilung mit sieben Mitarbeitern koordiniere und überwache die Lieferkette mit Blick auf die Nachhaltigkeit.
Bezners Äußerungen stehen in beinahe direktem Gegensatz zu den Erwartungen und Forderungen der IHK: Wo das deutsche Gesetz über die Richtlinie der EU hinausgeht, müsse es angepasst werden, fordert die Kammer. Die bisher geltende Sorgfaltspflicht innerhalb der kompletten Lieferkette sei für viele Betriebe kaum zu bewältigen.