Wolfgang Kölle aus Bönnigheim „Wie es immer war, kann es nicht bleiben“

Von Gabriele Szczegulski
Wolfgang Kölle hat seinen Bauernhof zum Pferdehof umgebaut. Foto: /Oliver Bürkle

Landwirt Wolfgang Kölle ist Mitgründer und Vorstand der Bewegung „Land schafft Verbindung“, die als Alternative zum Bauernverband gegründet wurde und viele der Proteste organisiert.

Es war 2019, da brach das Eis und die Unzufriedenheit machte sich Luft“, sagt Wolfgang Kölle, Landwirt und Pferdestallbesitzer aus Bönnigheim. „In ganz Deutschland und auch hier in der Region machten Bauern, die sich sonst nie öffentlich geäußert hatten, in WhatsApp-Gruppen ihrem Ärger rüber die Landwirtschaftspolitik Luft“, sagt er. Er und weitere Landwirte organisierten die erste Protestbewegung mit Traktoren in Stuttgart. 700 Landwirte kamen.

Damals war der Auslöser für die Bauernzüge die Verschärfung der Düngeordnung, heute ist es der Wegfall der Rückvergütung des Agrardiesels, der die Bauern auf die Straße treibt, um zu protestieren. „Aber heute wie damals waren das nur die Auslöser“, sagt Kölle. Er und weitere Landwirte gründeten den Landesverband „Land schafft Verbindung“ (LSV), der die Belange der Bauern vertritt. Kölle sitzt im Landesvorstand. „Lange waren wir nicht zufrieden, wie der Bauernverband unsere Interessen vertrat, oder besser gesagt, nicht vertrat, sondern Lobbyarbeit machte“, sagt Kölle.

Ihm und seinen Verbandsmitgliedern geht es um Veränderung im Umgang mit der landwirtschaftlichen Produktion. Konkret heißt das Gleichbehandlung heimischer mit ausländischen Erzeugern. Eine Herkunftsbezeichnung nicht nur auf unverarbeiteten sondern auch auf verarbeiteten Lebensmitteln ist die eine Forderung. „Keiner kann sagen, wo die Bestandteile einer Pizza herkommen, die meist mit Zutaten aus dem Ausland in Deutschland hergestellt wird“, so Kölle. „Das ist wichtig für die Verbraucher, damit sie entscheiden können, was sie kaufen“, sagt er. Kölle und der LSV gehen aber noch weiter: „Ausländische Erzeugnisse müssten unter dieselben Standards fallen wie deutsche.“ Beispiel Pflanzenschutz: Es gebe Mittel, die dürfen deutsche Bauern nicht verwenden, aber Landwirte im Ausland schon. „Warum dürfen deren Produkte dann in Deutschland verkauft werden, wenn sie mit Mittel behandelt wurden, die hier verboten sind? Das ergibt keinen Sinn“, sagt Kölle.

Die Bauernproteste der LSV haben eine Außenwirkung, deren Wirkung hinter den Kulissen nicht zu unterschätzen ist. So sind Kölle und seine Vorstandskollegen mittlerweile mit Vertretern des Bauernverbands auch zu Gesprächen mit Agrarminister Cem Özdemir eingeladen, sitzen an einem Tisch mit den Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels. „Wir werden ernst genommen, vielleicht tut sich auch was“, sagt er. Selten stehen Landwirte in direktem Kontakt mit dem Einzelhandel. Denn zwischen Einzelhandel und Bauern steht immer ein Abnehmer, wie Kartoffel- oder Schweinehändler.

„Wir wollen direkte Verträge mit den Abnehmern unserer Waren, die uns eine Abnahme und einen bestimmten Preis garantieren“. Schweinemäster beispielsweise kauften ein Ferkel für 100 Euro, fütterten es jeden Tag. „Das kostet und wird immer teurer“. Der Mäster müsse aber den Preis des Händlers akzeptieren, weil das Ferkel nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu verkaufen ist, so Kölle, „das rechnet sich nicht“. Viele Schweinezüchter haben deshalb in den letzten Jahren aufgegeben. Lag die Schweineselbstversorgung noch bei 120 Prozent im Land, liegt sie heute nur bei 40 Prozent. 60 Prozent des Schweinefleisches kommt aus dem Ausland.

Junge Leute in der Verantwortung

„Wie es immer war, kann es nicht bleiben. Zu lange haben wir Bauern stillgehalten, wir müssen jetzt etwas tun“, sagt er. Es seien auch keine Probleme, die erst durch die Ampelregierung entstanden seien, sondern schon unter jahrzehntelanger CDU-Regierung. Durch den Wechsel an den Spitzen der Bauernverbände wie dem Heilbronn/Ludwigsburg komme Bewegung in die Lage. „Nach langer Zeit sind junge Leute in der Verantwortung, die was ändern wollen“, sagt er.

„Land schafft Verbindung“ sehe er nicht als Kontrapunkt zum Bauernverband sondern als Verstärkung. „Wir sind eine Direktvertretung der Bauern der Region“, so Kölle. Und sie wollen weitermachen mit ihrem Protest. „Es ist wichtig, dass wir dran bleiben und auf uns aufmerksam machen“, sagt Kölle. Beispielsweise am Sonntag, 25. Februar. Dann wollen Bauern aus den Kreisen Ludwigsburg und Heilbronn den Michaelsberg mit ihren Traktoren besetzen und bei Einbruch der Dunkelheit mit ihrem Lichtern ein Signal setzen.

Reitstall Wolfgang Kölle

Am Beispiel des Landwirts Wolfgang Kölle lässt sich auch die Entwicklung der Landwirtschaft ablesen. Als er den Hof 2008 von seinem Vater übernahm, war aus dem Familienbauernhof schon ein Pferdehof geworden. 1957 hatte Kölles Großvater den Aussiedlerhof gebaut, mit Milchvieh und Schweinen bewirtschaftet. Mit 20 Hektar Ackerbau und ein paar Wengerten gehörten die Kölles eher zu den kleineren Bauern in Bönnigheim. 1995 trat Wolfgang Kölle als Landwirtschaftsmeister in den Betrieb ein. Schnell wurde klar, dass nur mit Ackerbau und Viehzucht sich der Hof nicht halten könne, so Kölle. Man baute Pferdeställe, eine Reithalle und Außenanlagen. 50 Pferde können seither in Vollzeit betreut werden. Ständige Mitarbeiter kümmern sich darum. Pferdebesitzer geben auch Kurse auf dem Hof. Seither, so sagt Kölle, finanziere sich der Hof zu einem Drittel aus den Erträgen des Ackerbaus, einem Drittel Weinbau und einem Drittel Pferdepension. Viel Gewinn wird nicht abgeworfen. Den bekommt er mittlerweile aus seiner Photovoltaikanlage. Doch seine Felder zur Stromerzeugung zu nutzen, das wolle er nicht. Es ginge auch um Landschaft, die erhalten bleiben müsse. „Ich will aber nicht ausschließen, dass dies mal kommen wird, beispielsweise in den Weinbergen“, so Kölle. Er selbst werde in diesem Jahr wohl auch einen Wengert in Hanglage am Michaelsberg stilllegen. „Die Reben sind 45 Jahre alt, sie müssten ersetzt werden, aber es lohnt sich jedoch nicht, zu investieren und dann nach Jahren kaum etwas für die Trauben zu bekommen, da rode ich und der Wengert bleibt leer“.

 
 
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