Wut richtet sich vor allem gegen OB Jürgen Kessing Bürger kritisieren Erhöhung der Grundsteuer

Von Rena Weiss
Bietigheim-Bissingen hat die Grundsteuer erhöht. Der neue Hebesatz von 375 ist seit 1. Januar gültig.⇥ Foto: Jens Büttner/dpa

Die Stadt erhöhte zum 1. Januar 2021 die Hebesätze der Grundsteuer von 255 auf 375 Prozent. Im Netz wird sie dafür scharf kritisiert. Die Wut richtet sich auch gegen OB Jürgen Kessing.

Der Gemeinderat der Stadt Bietigheim-Bissingen hat aufgrund der massiven Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes von 255 auf 375 Prozent beschlossen. Die Erhöhung trat bereits am 1. Januar diesen Jahres in Kraft. Seit 1996 wurde die Grundsteuer nicht mehr angepasst. Im Netz sorgte die Erhöhung dennoch für Unverständnis: „Unverschämt“, schrieb ein Facebook-Nutzer. „Da werden sicher noch weitere Steuern folgen.“ Einige Facebook-Nutzer nutzen die Gelegenheit und äußern ihren Unmut über Oberbürgermeister Jürgen Kessing: „Wurde wenigstens im Gegenzug das Gehalt von OB Kessing mit dem gleichen Prozentsatz gekürzt oder scheffelt er sich weiterhin die Taschen voll?“ oder „Ganz tolle Idee unseres lieben Oberbürgermeisters.“

2,6 Millionen Euro mehr

Mit 20 zu 12 Stimmen verabschiedete der Gemeinderat im Dezember 2020 den Haushaltsplan für 2021. Auf rund 15,7 Millionen Euro beläuft sich das Defizit im Ergebnishaushalt – trotz Steuer- und Gebührenerhöhungen wie der Erhöhung der Grundsteuer (die BZ berichtete). „Es wäre nochmals erheblich höher, hätte die Stadt die Ausgaben nicht deutlich zurückgefahren und die Steuern nicht erhöht“, teilt die Stadt mit. Der nun geltende Hebesatz von 375 Prozent soll rund 8,1 Millionen Euro in die Kassen bringen. Mit dem alten Satz waren es rund 5,5 Millionen Euro. „Wir haben auch Einbußen und sollen jetzt noch die Einbußen der Stadt mittragen“, reagiert eine Facebook-Nutzerin empört. „Mitten in der Pandemie, in der alle am Stock gehen und nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen“, schreibt eine andere. Denn teurer wird es nicht nur für Grundbesitzer, denn die Grundsteuer ist umlagefähig. Die Eigentümer dürfen also den Mietern die Grundsteuer über die Nebenkosten in Rechnung stellen.

Wenn sich ein Bürger über das Ideen- und Beschwerdeformular der städtischen Homepage über die Grundsteuererhöhung beschwert, antwortet die Stadt sehr ausführlich darauf. Ein Auszug: „Ich kann nachvollziehen, dass Sie mit der Grundsteuererhöhung nicht einverstanden sind.“ Zudem nennt die Stadtverwaltung Gründe, warum die Erhöhung aus Sicht der Stadt und des Gemeinderats unverzichtbar sei: „Gemeinderat und Stadtverwaltung haben über Jahre und Jahrzehnte hinweg die Steuerbelastung ihrer Bürger auf einem außerordentlich niedrigen Niveau gehalten.“ Doch die Corona-Krise habe finanzielle Folgen. „Auch die Stadt Bietigheim-Bissingen ist durch die Corona-Pandemie massiv betroffen“, schreibt die Stadt. Doch sei es Fakt, dass die Stadt zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit zugunsten ihrer Bürger auf die notwendigen Einnahmen angewiesen ist. Nicht nur freiwillige Ausgaben wie die Bäder der Stadt könnten nicht länger getragen werden, sondern auch Pflichtaufgaben würden infrage gestellt werden müssen, wenn nicht mehr genügen Einnahmen vorhanden seien. Als Beispiel nennt die Stadt den Winterdienst und die (Not-)Betreuung in den Kitas, die nicht mehr in der notwendigen Breite stattfinden könnten, weil aus Spargründen zu wenig Personal dafür da wäre. Zudem sei eine Genehmigung und Umsetzung des Haushaltsplans 2021 durch das Regierungspräsidium Stuttgart ohne die Steuererhöhungen zumindest fraglich gewesen.

Vorwürfe gegen Kessing

Die Vorwürfe, dass Oberbürgermeister Jürgen Kessing diese Entscheidung alleine getroffen habe oder sich gar Geld in die eigenen Taschen scheffelt, weist die Stadt vehement zurück. „Es ist eine Entscheidung des Gemeinderats, der sich diese nicht leicht gemacht hat“, betont Sprecherin Anette Hochmuth. Der neue Hebesatz ergab sich aus dem Vergleich mit anderen Städten dieser Größenordnung im Land. Grund für eine Steigerung von rund 47 Prozent sei der über Jahrzehnte hinweg günstige Hebesatz. „Die Steigerung bringt uns allerdings lediglich zum Landesdurchschnitt, beileibe nicht an die Spitze“, so Hochmuth weiter. Zudem teilt die Sprecherin mit, dass Facebook nicht geeignet sei für eine ausgewogene kommunalpolitische Diskussion. Daher werden die Mitarbeiter und sie selbst nur in Ausnahmen solche Posts kommentieren. „Leider nutzen es viele Menschen nur dazu, sich ihren Ärger ‚von der Seele’ zu reden und bei einer ernsthaften Antwort folgt der Abbruch der Meinungsäußerung“, sagt Anette Hochmuth, „wir können aber zumindest in gewissem Maß für korrekte Angaben sorgen, wenn falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden.“ Weitere Infos zu den Grundsteuerbescheiden gibt es online.

 
 
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