Zuschauer, Sprade TV, Staatshilfe - Steelers-Chef Schoch im BZ-Interview Täglicher Kampf ums Überleben

Von Andreas Eberle
Seit Saisonbeginn gibt es bei den Steelers-Spielen in der EgeTrans-Arena keine Zuschauer aus Fleisch und Blut. Dafür sitzen Pappfiguren stellvertretend für die Fans auf der Haupttribüne. ⇥ Foto: Avanti/Ralf Poller

Steelers-Geschäftsführer Volker Schoch hofft auf eine Rückkehr der Fans zu den Playoffs im April – und auf weitere Staatshilfen als Ausgleich für die ausbleibenden Zuschauereinnahmen.

Wie vielen Profivereinen hat die Corona-Pandemie auch den Bietigheim Steelers in der Deutschen Eishockey- Liga 2 (DEL2) wirtschaftlich übel mitgespielt. Im Interview mit der BZ spricht Geschäftsführer Volker Schoch über die ausbleibenden Zuschauereinnahmen, die Resonanz auf die Liveübertragungen im Internet und staatliche Unterstützung.

Was hat Sie am Sonntag am meisten gewurmt: die 2:6-Derbypleite in Heilbronn, das beleidigende Spruchband einiger Falken-Fans – oder die für ein Geisterspiel erstaunlich vielen Zuschauer auf der Tribüne?

Volker Schoch: Mir steht es nicht zu, die Zuschauerzahl in Heilbronn zu bewerten. Das muss jeder Standort für sich entscheiden. Die Banner waren sicherlich grenzwertig. Eines ging ja nicht nur gegen Bietigheim, sondern auch gegen die DEL2. Ich bin der Meinung, dass der Standort entsprechend handeln und das korrigieren sollte. Geärgert hat mich, dass wir für ein Derby nicht bereit waren und die dafür nötige Einstellung gefehlt hat. Man hat gemerkt, dass der Mannschaft das Kassel-Spiel noch in den Beinen steckte – und vielleicht auch ein bisschen im Kopf. Aber das war das erste Derby, es gibt noch drei weitere. Wir haben also noch die Chance, das zurechtzurücken.

Sind die Richtlinien in Bietigheim strenger als in Heilbronn, was den Zutritt zu den Spielen angeht?

Die Regelung per Gesetz heißt null Zuschauer. Bei uns schreibt das Ordnungsamt ganz klar vor, nur Personen, die am Spieltag arbeiten müssen oder Aufgaben haben, sowie die Presse in die Halle zu lassen. Manche Ordnungsämter bewerten das anders, und darum können die Kriterien von Standort zu Standort abweichen. Wir halten uns strikt an die Vorgaben, denn wir wollen nichts riskieren und keine Gründe liefern, mit denen die Einstellung unseres Sports begründet werden könnte.

Apropos Zuschauer: Haben Sie noch Hoffnung, dass in dieser Saison überhaupt noch mal Fans zu den DEL2-Duellen kommen dürfen?

Ich glaube nicht, dass wir in der Hauptrunde noch Fans sehen werden. Ich wünsche mir für die ganze Liga, dass sich die Situation entspannt hat und die Pandemie vielleicht beherrschbar ist, wenn die Playoffs im April starten. Dann könnte ich mir vorstellen, dass ein Prozentsatz X in die Halle darf – je mehr, desto besser.

Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Einschaltquoten bei Sprade TV, wo die Bietigheimer Heimpartien Woche für Woche live im Internet gezeigt werden?

In den vergangenen beiden Spielen gegen Landshut und Kassel haben sich die Zahlen positiv entwickelt. Da hatten wir 1119 und 1368 Buchungen. Im Schnitt liegen wir nach elf Heimspielen bei 932 Zuschauern. Wir streben eine Zahl von konstant über 1000 an. Sicherlich kostet so ein Livestream Geld, aber ein Stadionbesuch kostet auch Geld, egal ob Dauer- oder Tageskarte. Jeder Klick hilft den Steelers – und man bleibt als Fan doch gefühlt dabei und ist nahe dran am Geschehen.

Ein Großteil der Erlöse aus den Übertragungen geht an die gastgebenden Klubs. Wird man da als Verein reich?

Nein, es hilft aber zum Überleben. Knapp 60 Prozent von den 9,90 Euro pro Buchung verbleiben bei den Klubs. Das ist aber nicht mit den Einnahmen an einem normalen Spieltag zu vergleichen. Da kommen noch Erlöse aus dem Verkauf von Schals, Trikots, Fahnen sowie dem Bier- und Wurstverkauf dazu. Sprade TV ist also nur ein kleines Teil vom ganzen Puzzle – aber dennoch sehr wichtig für uns und nicht zu unterschätzen.

Wo stehen die Steelers bei den Einschaltquoten im Ligavergleich?

Im unteren Drittel.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich weiß nicht, woran es liegt. Es könnte der Eindruck entstehen, dass nicht genügend Menschen in der Region Eishockey so sehr vermissen, um sich die Spiele live im Netz anzugucken. Vielen genügt es offenbar, sich am nächsten Tag über die Medien – Print oder Online – oder in den sozialen Netzwerken zu informieren. Drei Drittel zu je 20 Minuten plus zweimal 20 Minuten Pause sind ja schon recht lang und ein abendfüllendes Programm. Zugegeben: Es gibt Spiele, bei denen ein „Tatort“ oder ein Rosamunde-Pilcher-Film sicher spannender sind.

Einer der Steelers-Kommentatoren wurde neulich nach einer Übertragung in den sozialen Medien wüst angegangen. Vermissen Sie da manchmal Maß und Mitte?

Die Kommentatoren sind Freiwillige, die ihre Freizeit opfern und das ehrenamtlich machen. Man darf sie nicht mit Sportreportern beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk vergleichen. Alle Sprade-TV-Kommentatoren sind engagiert, bereiten sich gut vor und bemühen sich. Sie werden aber nicht zu 100 Prozent das erfüllen können, was der eine oder andere Zuschauer vielleicht von ihnen erwartet. Man sollte immer fair bleiben. Bei uns können sich gerne Leute melden, die sich berufen fühlen und eine Übertragung mitmachen wollen. Dann werden sie sehen, dass man in unserem schnellen Sport auch als Reporter unwahrscheinlich schnell reagieren muss und man dann eben auch mal Namen durcheinanderschmeißt. Ich hoffe, dass die Kritiker vor den Bildschirmen da einfach etwas nachsichtiger werden. Wir als Verein und auch die ganze Mannschaft stehen voll hinter unseren Kommentatoren.

Wie sieht es bei den Steelers zurzeit generell finanziell aus?

Noch sind wir in der Lage, alle unsere Rechnungen zu bezahlen. Wir wirtschaften sehr besonnen, aber der gesamte Profisport, ob Basketball, Handball, Volleyball oder Eishockey, benötigt weiterhin staatliche Unterstützung. Die fehlenden Ticketerlöse schlagen über die ganze Saison hinweg mit 1,2 Millionen Euro zu Buche. Aktuell, zum Stand 31. Dezember, haben wir außerdem 35 Prozent weniger Sponsoreneinnahmen. Da kannst du sparen, wo du willst – es wird einfach eng. Wir kämpfen jeden Tag. Geld verdient man im Eishockey schon in guten Zeiten nicht. Es geht darum, eine saubere schwarze Null zu schreiben – und das ist auch in diesem Jahr unser Ziel.

Was ist bisher an staatlichen Hilfen an das Profiteam geflossen?

Noch nicht ausreichend. Als Ausgleich für die weggebrochenen Zuschauereinnahmen bis Ende Dezember haben wir einen mittleren sechsstelligen Betrag bekommen. Derzeit verhandeln die Verbände und der Sport mit der Politik über Zuschüsse für die zweite Saisonhälfte von Januar bis April. Wir werden noch mal die gleiche Summe benötigen.

Letzte Infos zum Landshut-Spiel an diesem Dienstag

Gerade mal neun Tage ist es her, dass die Bietigheim Steelers und der EV Landshut im Ellental aufeinandergetroffen sind. Im ersten Saisonvergleich zwischen beiden Klubs behielten die Schwaben nach einer torreichen Begegnung mit 9:4 die Oberhand. An diesem Dienstag (19.30 Uhr) gibt es nun am Landshuter Gutenbergweg ein Wiedersehen, wenn die Partie vom achten Spieltag nachgeholt wird. Beide Teams haben am Sonntag auswärts einen Dämpfer kassiert: Die Steelers verloren das Prestigeduell bei den Heilbronner Falken mit 2:6 und rutschten in der Tabelle auf Rang vier ab, der sechstplatzierte EVL unterlag beim neuen Tabellendritten Ravensburg Towerstars mit 2:4.

Außer Kapitän Nikolai Goc, der mit einer Unterkörperverletzung vier Wochen ausfällt, wird den Bietigheimern wohl auch Alexander Preibisch fehlen. Der Stürmer hatte in Heilbronn einen harten Bandencheck einstecken müssen und war mit dem Kopf auf dem Eis aufgekommen. Robert Kneisler war in der Schlussphase der Derbys ebenfalls nicht mehr mit von der Partie. Den Youngster plagt seit einem Kniecheck ein Pferdekuss am Oberschenkel. Sein Einsatz ist ebenso fraglich wie ein Comeback von Cody Brenner. Am Sonntag hieß es aus dem Bietigheimer Lager, dass der an der Leiste verletzte Torhüter noch nicht wieder bei 100 Prozent und darum auch nicht im Kader sei. ⇥ae

 
 
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