Zweites Konzert im Orgelzyklus Viel Stoff zur Selbstverwirklichung

Von Susanne Yvette Walter
Am Sonntagabend war  Stephan van de Wijgert aus Amsterdam Gast an der Rensch-Orgel.⇥ Foto: Oliver Bürkle

Stephan van de Wijgert spielte Klaviermusik an der Orgel und Werke eines unbekannten Komponisten.

Der Internationale Orgelzyklus an der Besigheimer Stadtkirche trägt in diesem Jahr die Handschrift von neun Organisten aus dem In- und Ausland. Der zweite Gast an der Rensch-Orgel war am Sonntagabend Stephan van de Wijgert aus Amsterdam. Bach, Schubert, Mendelssohn und Brahms – große Namen bestimmen auch die Orgelliteratur. Stephan van de Wijgert schob einen weniger bekannten Tonschöpfer dazwischen: Georg Böhm, ein Weggefährte Bachs und Organist und Komponist aus Lüneburg, der den jungen Johann Sebastian Bach beeinflusste.

Gelungenes Arrangement

Van de Wijgert ist ein Kollege von Kantor Tobias Horn, wie die anderen Interpreten an der Rensch-Orgel auch. Der Kantor stellt in jedem Jahr den Orgelzyklus auf die Beine. Der Holländer nahm sich Zeit für sein Solokonzert. Er startete bedächtig mit Bachs „Kleiner Fuge“. Behutsam tanzten die Hände übers Manual, gefolgt vom Kontrapunkt. Bachs Weggefährte Böhm, folgt ihm auf den Fuß mit einer Patita über die Arie „Jesu du bist allzu schöne“, ein Werk, das weniger markant in Erscheinung tritt. Dafür war dann Franz Schuberts Fantasie in f-moll für Klavier zu vier Händen zuständig. Schon beim Anfangsthema horcht das Publikum auf. Romantische Klaviermusik auf der Orgel? Ein gelungenes Arrangement.

Van de Wijert hüllte sein Publikum ein in eine Welle der Empfindsamkeit. Sein gefühlvoller Anschlag dürfte genau Schuberts Vorstellungen entsprochen haben. Hier spricht die Seele, und das wiederum passte zum Motto des Zyklus: Aus der Dunkelheit ins Licht. In vier Sätzen wird vieles umgewälzt und umgedreht - sehr vituos, versteht sich.

Bei anderen Werken, wie etwa der Pastorale von César Frank beginnt der Satz hörbar in der romantisierten Schäferidylle. Darin weidet sich der Hirte samt seinen Schafen bis zum Einsetzen des Sturms. Es war der feinen und pointierten Interpretation des Hollländers zu verdanken, dass die „Handlung“ so greifbar wurde. Auch César Francks Pastorale zeigt Züge, die fast schon auf Programmmusik schließen lassen. Van de Wijgert kommt eigentlich aus der Klaviermusik. Das Klavier war zumindest sein erstes Instrument. Deshalb wunderte es niemand, dass er Franz Schuberts Fantasie in f-moll für Klavier einbaute.

Unsterbliches Thema

Bei dem vierhändigen Werk assistierte ihm Kantor Tobias Horn. Gemeinsam ließen die beiden Musiker das unsterbliche Thema erklingen und führten es durch die Sätze. Romantische Musik ist wohl ein Steckenpferd des holländischen Organisten. Er präsentierte Brahms in dem Konzert mit einer selten gehörten Orgelsonate und vor allem mit dem letzten Satz seiner letzten Sinfonie. Die Passacaglia reiht Variationen eines Themas, ein würdiger Schlusspunkt, der immerhin auch den Punkt am Ende eines berühmten Musikerlebens setzte. Für den Virtuosen bot Brahms letztes Werk viel Stoff zur Selbstverwirklichung. Als er endlich auf der Empore erschien, wurde van de Wijgert gefeiert.

 
 
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