Ausstellungseröffnung in Ludwigsburg Übergriffigkeit ist keine Frage des Outfits

Von Helena Hadzic
Anna Schmid (links) von Frauen für Frauen mit Kuratorin Beatrix Wilmes in den Räumlichkeiten des Vereins: die 31. „Was ich anhatte“-Ausstellung – dieses Mal in Ludwigsburg. Foto: /Richard Dannenmann

Die Wanderausstellung „Was ich anhatte“ zu sexualisierter Gewalt an Frauen wird in den Räumlichkeiten von Frauen für Frauen eröffnet – mit Kuratorin Beatrix Wilmes. 

Ein ungutes Gefühl bei Frauen, die abends auf dem Weg nach Hause durch die Straßen laufen: Das Handy griffbereit in der einen Hand, den Schlüssel in der anderen. Auch die Schritte eines im Rücken befindlichen Fußgängers führen zu einem Straßenseitenwechsel – aus Angst vor einem sexuellen Übrigriff. So beschreibt die Filmemacherin aus Köln, Beatrix Wilmes, ein Szenario, welches vielen Frauen bekannt und ihrer Meinung nach noch immer ein Tabu-Thema sei. Gerade die Behandlung der Betroffenen nach einer Vergewaltigung wühlt Wilmes auf: „Allein die Frage nach der Kleidung des Opfers macht mich wütend, weil es Täter und Opfer umkehrt“, erklärt die Kuratorin, die mit ihrer Wanderausstellung auch in Ludwigsburg Halt macht. „Was ich anhatte“ zeigt die originalen Kleidungsstücke von zwölf Frauen, die sie bei einem sexuellen Übergriff auf sie trugen – und die Geschichten dazu. Am Montag hat Anna Schmid, Mitarbeiterin bei Frauen für Frauen, die Ausstellung in den Räumen der Organisation eröffnet.

Die „Row Zero“

Zu diesem Anlass sind auch die Gleichstellungsbeauftragten Cynthia Schönau und Judith Raupp für den Landkreis Ludwigsburg erschienen, um ein paar Worte an die Gäste zu richten – im Fokus die Aftershow-Party der deutschen Rockband Rammstein, die in den vergangenen Monaten für Furore gesorgt haben. „Leicht bekleidete Frauen auf der Row Zero – und dann kommt die Frage‚ was die Mädchen wohl glauben, was das bedeutet’“, sagt Raupp bei ihrer Ansprache und kritisiert, dass diesen und anderen Frauen nicht geglaubt werde. Dem Frontmann Till Lindemann wurden Sexualdelikte vorgeworfen.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat am 29. August bekannt gegeben, dass das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingestellt wurde. Für Kuratorin Wilmes ist die Ausstellung aber eine Möglichkeit, das Thema Vergewaltigung aus Sicht von Betroffenen in den Fokus zu nehmen: „Mich haben die Schicksale berührt und ich möchte mit dieser Darstellungsform diesen Frauen eine Stimme geben“, so die Kuratorin.

Nach einem Aufruf gingen bei ihr 39 Geschichten von betroffenen Frauen ein – und jede einzelne hat sich Wilmes durchgelesen. „Zwischendurch dachte ich kurz, ich höre auf zu lesen, weil ich nicht mehr konnte“, erklärt sie. Zwölf Schicksale wählte sie aus, die als echte Beispiele verdeutlichen sollen, dass die Klamotten, wie Wilmes erläutert, nicht ausschlaggebend für Vergewaltigungen seien. „Hier werden Kleidungsstücke gezeigt, die jeder im Schrank hat – das zeigt, dass es nicht um die Kleidung geht“, betont Wilmes.

Auch der Ort oder das Alter seien keine Faktoren, „denn es geht nicht um Sex, sondern um Unterdrückung“, so die Kölnerin. Die Frage nach dem Outfit sei falsch; mit der Täter-Opfer-Umkehr müsse nun Schluss sein. Ruth etwa, die eine der zwölf Frauen ist, wurde im Alter von sechs Jahren das erste Mal von ihrem Stiefvater missbraucht. Bei der damals 18-jährigen Annalena war es ein „Kumpel“, mit dem sie einen Film in ihrem Wohnheimzimmer anschauen wollte – sie trug eine Leggins und einen Kapuzenpullover.

Bedeutung für den Landkreis?

Schönau betont, dass eine solche Ausstellung wichtig sei – jede dritte Frau in Deutschland habe bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, zwei von drei Frauen sexuelle Belästigung, sagt sie. Laut dem aktuellen Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Ludwigsburg (2022) seien im Kreis Ludwigsburg rund 80 Prozent der Betroffenen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung weiblich, erklärt Schönau. „Daher ist sexualisierte Gewalt ein sehr wichtiges Thema im und für den Landkreis.“ Es gibt mehrere Anlauf- und Beratungsstellen: Silberdistel für Mädchen und Frauen bis 21 Jahre sowie Frauen für Frauen für Frauen ab 21 Jahren. Seit 2021 gibt es zudem im Klinikum Ludwigsburg eine Soforthilfe nach Vergewaltigung.

 
 
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