Besigheim Neue Themenführung lässt Zeitzeugen berichten

Von Susanne Yvette Walter
Start der neuen Themenführung „Das Kriegsende in Besigheim“ mit Ewald Anger (vorne links). Foto: /Oliver Bürkle

Gästeführer Ewald Anger gibt dem Kriegsende in Besigheim ein Gesicht und lässt Zeitzeugen erzählen.

Im 79. Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs machte sich Gästeführer Ewald Anger auf, das Kriegsende in Besigheim mit persönlichen Schicksalen zu beleuchten. In der neuen Themenreihe „Das Ende des Krieges in Besigheim“ nahm der Besigheimer Gästeführer am Sonntagnachmittag unter die Lupe, was sonst vielleicht in Vergessenheit geraten würde.

Noch gibt es Zeitzeugen, wie etwas Karoline Kölmel, die als geborene Merkle aus der Kirchstraße bis 1969 in Besigheim lebte und dann nach Sindelfingen zog. Sie kam zur Führung und berichtete den Teilnehmern von ihrem Schutzengel.

Karl Fuchs und die NSDAP

Gästeführer Anger startete seine Themenführung im Rathaus mit einem Porträt über den damaligen Bürgermeister Karl Fuchs, einem „sehr durchsetzungsfähigen, aber auch sehr schwäbischen Schultes“. Er war Mitglied bei der NSDAP und ein Zyniker, der in Quellen seine wirkliche Gesinnung andeutete. Wo heute die Bürgerinfo ist, saßen damals wohl drei Gendarme, der „gefürchtete Linienführer Stresser, sein Assistent Bertele und Wachtmeister Hetterich aus Heilbronn, der noch einiges dafür getan hat, um jungen Buben zu ersparen, dass sie in den letzten Tagen an der Front verheizt werden“, so Anger. Hauptdarstellerin dieser Führung war jedoch die Stadt Besigheim, nicht die große Weltpolitik. Es fielen Namen von Bürgern, die früher hier zwischen den Weinbergen so bekannt waren, wie der berühmte bunte Hund. Ewald Anger berichtete über Einzelschicksale von Kindern, die unwissend in Minenfeldern spielten und zerrissen wurden, oder wie Zeitzeugin Kölmel, die einen Schutzengel hatten.

Sie spielte nämlich auf einem Minenfeld, weil man ihr erzählt hatte, dort würde sie in die Luft fliegen – das fand die Kleine sehr reizvoll. Die Zeit des Kriegsendes, die ersten Tage im April 1945, wurde lebendig. Wer von den Führungsteilnhemern Erschießungen und Detonationen miterlebt hat, nickte wissend, wer zu jung war, sperrte weit die Ohren auf. Der Krieg wurde in seinem Ausmaß in Besigheim erst wahrgenommen, als Heilbronn am 4. Dezember 1944 mit 6000 Todesopfern den Himmel rot leuchten ließ, als Lauffen bombardiert wurde, ebenso Ingersheim und Löchgau. „Als sich vorher einzelne Bomben in die Nähe von Besigheim verirrt hatten, stieg man neugierig in den Bus, um sich das von der Nähe aus anzuschauen“, erzählte Anger. Am Ostersonntag, 1. April 1945, kam der Krieg dann endgültig in die Stadt.

Anger erinnerte daran, wie Brücken gesprengt wurden, weil hier an der Neckarlinie die deutsche Verteidigung entlang lief in 83 Kilometern mit 450 Bunkern. Diese stammen aus dem Ersten Weltkrieg und wurden aktiviert.

Stadt wird zum Streitpunkt

„Am 6. April haben die Franzosen das Zabergäu erobert. Am 6. April fällt Bönnigheim. Die halbe Innenstadt wird zerstört. In Besigheim kamen die französischen Truppen zum Stopp. Das Städtchen lag nun direkt an der Frontlinie und wurde später zum Streitpunkt zwischen französischen und amerikanischen Besatzern“, so Anger. Zeitzeugin Kölmel, heute 85 Jahre alt, erinnerte sich daran, dass ihre beiden ersten englischen Worte „Chewing Gum“ (Kaugummi) und Chocolate“ (Schokolade) waren.

Obwohl es ihr strikt verboten war, sich den Soldaten zu nähern, ging sie als kleines Mädchen auf die Soldaten zu und bettelte. Ein Soldat mit deutschen Wurzeln brachte sie im Militärfahrzeug nach Hause. Der Gästeführer schilderte, wie schnell eine Notbrücke gebaut wurde, bewacht von einem Einäugigen und einem Invaliden, der nur noch einen Arm hatte. Er erinnerte daran, wie bei den Besigheimer Weintagen der Wein verschenkt oder billig abgegeben wurde, damit die Besatzer sich hier nicht einen Rausch antrinken konnten. Anger zeigte der Gruppe auch das alte Besigheimer Krankenhaus, dem eine wichtige Rolle zukam. Man darf gespannt sein, wie der Gästeführer diese Themenreihe im kommenden Jahr fortsetzt, wenn sich das Kriegsende in Besigheim zum 80. Mal jährt. Susanne Yvette Walter

 
 
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