Bietigheim-Bissingen Von der Architektin zur Pfarrerin

Von Yannik Schuster
Am Sonntag wird Marilia Camargo in einem Festgottesdienst in ihr Amt als Pfarrerin der Kirchengemeinden Metterzimmern und Stadtkirchengemeinde Bietigheim eingesetzt. Foto: /Martin Kalb

Marilia Camargo wird am Sonntag in ihr Amt als Pfarrerin der Kirchengemeinde Metterzimmern und Stadtkirchengemeinde Bietigheim eingesetzt. Den Wunsch dazu entwickelte die gebürtige Brasilianerin erst spät.

Für Marilia Camargo geht am Sonntag ein Traum in Erfüllung. Dann nämlich findet ihre Investitur als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Metterzimmern und der Stadtkirchengemeinde Bietigheim statt. Zur Kirche fand sie jedoch erst später im Leben zurück.

Camargo ist gebürtige Brasilianerin. „Wenn man in Rio de Janeiro aufwächst, spielt der Glaube automatisch eine Rolle.“ Dabei stammt Camargo eigentlich aus einer eher kirchenfernen Familie. Dennoch habe sie das Gottesbild der Christusstatue „Cristo Redentor“ geprägt: „Gott, der wie ein liebevoller Vater mit offenen Armen auf mich wartet, um mich zu umarmen.“ Getauft wurde Camargo katholisch, brach jedoch mit 17 Jahren aufgrund schlechter Erfahrungen mit einem Priester mit der Organisation.

In Rio de Janeiro studierte Camargo Architektur, für ihren Vater, dem eine Messebaufirma gehörte, dolmetschte sie auf Reisen. Über einen Geschäftspartner ihres Vaters absolvierte Camargo im Januar 1989 ein Praktikum in Deutschland, ehe sie ein halbes Jahr später ihr Architekturstudium in Stuttgart fortsetzte und 1993 mit Diplom abschloss.

Wieder zur Kirche gefunden

Als selbstständige Architektin renovierte die zweifache Mutter gemeinsam mit Ihrem Mann unter anderem die Petruskirche in Gerlingen. Kontakt mit der Kirchengemeinde kam zustande, weil Camargo nach Angeboten für ihre Kinder Ausschau hielt und auf den Kindergottesdienst in Gerlingen aufmerksam wurde. Begeistert wollte sie das Unterfangen finanziell unterstützen und trat in die Kirche ein. „Mein Gespräch mit der Pfarrerin war wunderbar und hat neugierig gemacht.“ Schon bald besuchte Camargo jeden Sonntag den Gottesdienst, wurde Kirchengemeinderätin, half ehrenamtlich bei den Kindergottesdiensten und tauschte sich mit der Pfarrerin über deren Predigttexte aus. „Ab und zu habe ich dann sogar einen Satz von mir in der Predigt gehört“, sagt Camargo.

Eines Tages habe die Pfarrerin gefragt, ob sie nicht Prädikantin werden wolle. Also lernte Camargo Gottesdienste zu leiten. „Ich hatte einen Wissensdurst entwickelt. Die Ausbildung als Prädikantin war sehr liturgisch, mir fehlte aber das theologische Wissen.“ Ein Theologie-Studium erschien aufgrund beruflicher und familiärer Verpflichtungen zunächst ausgeschlossen. Erst als Camargos Bruder die Firma des Vaters verkauft hatte und sie ihren Anteil erhielt, eröffneten sich neue Möglichkeiten. Doch zunächst machte sich Ernüchterung breit: Sowohl der Oberkirchenrat als auch der Studiendekan der Uni Tübingen machten ihr klar, Pfarrerin könne die damals 44-Jährige aufgrund ihres Alters nicht werden. „Ich war aber stur und wusste um den bevorstehenden Pfarrermangel. Also habe ich darauf spekuliert, dass sie ihre Meinung noch ändern würden.“ Zunächst studierte Camargo heimlich, nur ihre Familie war im Bilde, nicht jedoch die Kirchengemeinde in Gerlingen. Zur Mitte des Studiums signalisierte der Oberkirchenrat schließlich, man könne hinsichtlich ihres Alters eine Ausnahme machen.

Wunsch: Gemeindepfarrerin

Nach dem Studium absolvierte Camargo ihr Vikariat in Kornwestheim. Ihr Wunsch war es jedoch Gemeindepfarrerin zu werden. Über einen Vikariatskollegen lernte sie Pfarrer Bernhard Ritter kennen und bewarb sich auf die Stelle in Metterzimmern. Nach einer zweijährigen Probezeit steht nun ihre Investitur an. Die Pfarrstelle in Metterzimmern sei insofern besonders, als das man sowohl die kleine, persönliche Gemeinde in Metterzimmern als auch die stärker kulturelle geprägte Stadtkirche erlebe, so Camargo.

Sie sagt: „Ich will den Menschen etwas mitgeben, was für ihr Leben relevant ist.“ Sie wolle eine offene Kirche schaffen, in der Menschen einen Platz haben, auch ohne besonders religiös zu sein. Ihre ungewöhnliche Laufbahn und der Blick von außen könne ihr dabei zum Vorteil gereichen, glaubt Camargo.

 
 
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