Freiberg Letzte Ruhe mit Schild und Schwert

Von Uwe Mollenkopf
Dr. Andrea Neth vom Landesdenkmalamt und Sascha Schmidt von der Grabungsfirma Fodilus am Grab eines Kriegers aus dem 7./8. Jahrhundert, der mit seinen Waffen beerdigt wurde. Foto: /Martin Kalb

Archäologen haben an der Trasse der geplanten Süddeutschen Erdgasleitung Gräber aus dem Frühmittelalter freigelegt. Sie bieten Potenzial für die weitere Erforschung.

Vor rund 1300 Jahren hatte man ihm ein standesgemäßes Begräbnis bereitet: In Ost-West-Richtung, den Kopf nach Westen, wurde der Tote bestattet, zu seiner Rechten legte man ihm ein Langschwert ins Grab, zu seinen Füßen einen Schild für die Reise ins Jenseits. Seitdem ruhte der Krieger an dieser Stelle, während über ihm über Jahrhunderte hinweg das Feld bestellt wurde – bis nun Archäologen die Totenruhe störten. Weil die Grabstätte und etliche weitere in der Nähe des Brandholzes auf Freiberger Markung auf der Trasse der geplanten Süddeutschen Erdgasleitung liegen, war eine Rettungsgrabung nötig. Dabei wurden die Gräber freigelegt und die Funde geborgen und dokumentiert, um sie für die Nachwelt zu erhalten.

Bereits 1933 und 1973 Funde

Dass es hier etwas zu finden gab, war bekannt. Bereits im Jahr 1933 als auch 1973 sei man hier auf Gräber gestoßen, berichtet Dr. Andrea Neth, die im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen für die Ausgrabungen entlang der geplanten Süddeutschen Erdgasleitung zuständig ist. Ein Glücksfall sei, dass das Grab mit dem Krieger nicht beraubt wurde, so wie andere der insgesamt neun Gräber, welche die Archäologen in der Umgebung entdeckten. Das sei wohl nicht in der Neuzeit, sondern schon wenige Monate oder Jahre später geschehen, sagt Sascha Schmidt, Grabungsleiter und Geschäftsführer der Grabungsfirma Fodilus.

Neth datiert die Gräber auf spätes 7., frühes 8. Jahrhundert – die Zeit des frühen Mittelalters, in dem die hiesige Gegend Teil des Frankenreichs unter den Merowinger-Königen war. Die Sitte der Grabbeigaben zeigt, dass die Bewohner noch der heidnisch-germanischen Glaubenswelt anhingen, auch wenn die Christianisierung damals schon auf dem Vormarsch war, wie Andrea Neth betont.

Ob die Bewohner zu den Franken oder den von diesen unterworfenen Alamannen zählten, lasse sich im Moment noch nicht sagen, so Sascha Schmidt. Er vermutet, dass es ein Hof war, zu dem das kleine Gräberfeld gehörte. Auch wenn der durch das Trassenfeld begrenzte Grabungsbereich nur einen Teil der Gräber tangiere, die es dort im Boden gibt, sei es keinesfalls ein großes Reihengräberfeld gewesen, wie man es in der Nähe einer Ortschaft erwarte.

Messer im Gürtel

Die Zähne und auch der Unterkiefer würden den Toten als erwachsenen Mann ausweisen, haben die Experten des Grabungsteams festgestellt. Neben dem Schwert sind für das geschulte Auge der Archäologen der Gürtel mit Metallbeschlägen erkennbar, ebenso ein kleines Messer, das der Tote im Gürtel trug. Auch Pfeilspitzen sind zu sehen. Von dem Schild, der dem Mann mit ins Grab gelegt wurde, ist nur noch der metallene Schildbuckel sichtbar, der zum Schutz der Faust desjenigen diente, der den Schild hielt. Das Holz drum herum ist verwittert.

Dass der Knochenzustand schlechter ist als in einem benachbarten Grab ohne Beigaben führen die Archäologen darauf zurück, dass Letzteres tiefer im Löss lag. Dort sei es kalkreicher, was die Knochen besser schütze, erläutert Neth.

Kindergrab entdeckt

Auch ein Kindergrab wurde bei der Ausgrabung entdeckt. Hier fanden sich ein goldener Ohrring mit Bernstein, ein Glasperlencollier, ein kleines Messer und eine kleine Münze. Das lasse auf Wohlstand der Bewohner schließen, so Schmidt.

Ein außergewöhnlicher Fund sei das Gräberfeld gleichwohl nicht, so das Urteil der Experten. Aber es sei ein Fund-Ensemble, das „Potenzial für die wissenschaftliche Erforschung“ habe, meint der Grabungsleiter. Dafür, dass die Funde zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet und interpretiert werden können, schaffen die Archäologen die Grundlagen, indem sie alles fein säuberlich dokumentieren, säubern und katalogisieren. Metallobjekte gehen direkt zum Restaurieren. Danach wird alles wieder zugeschüttet.

Insgesamt gebe es auf dem Abschnitt der Leitung von Heilbronn bis Esslingen rund 90 bekannte Fundstellen, erzählen Neth und Schmidt. 32 davon seien seit Herbst 2022 schon ergraben worden. Im Kreis Heilbronn seien es etwas mehr gewesen als im Kreis Ludwigsburg, sagt Andrea Neth. Insgesamt gebe es eine große Funddichte, weil sich im fruchtbaren Lössgebiet die Menschen schon früher bevorzugt ansiedelten. Bezahlen muss die Ausgrabungen die „Terranets BW GmbH“, welche das Leitungsprojekt betreibt. Die Landwirte erhalten eine Entschädigung.

Nächste Fundstelle in Sicht

In der Fortsetzung der Leitungstrasse in Freiberg ist etwas weiter südlich auch schon der nächste Fundort in Sichtweite, an dem die Archäologen tätig werden. Dort befindet sich ein römischer Gutshof, von welchem die frühmittelalterlichen Siedler Steine für ein Steinkammergrab verwendet haben. Bis zum Jahresende soll dort nachfolgend noch gegraben werden, sodass Terranets im März 2024 mit der Verlegung der Leitung beginnen kann.

 
 
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