Hochschulen Ludwigsburg Studentenalltag: Zwischen Leistungsdruck und Angst

Von Jennifer Stahl
Probleme wie Stress, Überforderung und Leistungsdruck begleiten viele Studenten. In Beratungsgesprächen an der Hochschule können sie sich öffnen und nach möglichen Lösungen suchen. Foto: /Oliver Bürkle

Prüfungsangst, Überforderung und Zweifel? Die BZ fragte an umliegenden Hochschulen, wie mit psychischen Problemen im Studium umgegangen werden kann.

Im Jahr 1939 fanden Studentenproteste in Prag gegen die deutsche Besetzung statt. Dabei wurden alle tschechischen Universitäten geschlossen und Studenten hingerichtet, verhaftet oder in Konzentrationslager deportiert. Der jährlich am 17. November stattfindende Weltstudententag, ins Leben gerufen 1941 vom International Students´ Council in London, erinnert an diese grausamen Taten. Außerdem soll ein Blick darauf geworfen werden, mit welchen Problemen Studenten heute konfrontiert sind. Die BZ hat bei Studentinnen und Studenten aus dem Umkreis nachgefragt und bei den Beratungsteams der Pädagogischen Hochschule (PH) sowie der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen (HVF).

Leistungsdruck vor Prüfungen

Lena Winter ist 20 Jahre alt und studiert Grundschullehramt an der PH im dritten Semester. „Ich muss sagen, dass wir schon viel Druck mit den ganzen Prüfungen haben. Am Ende ist zwar meistens alles halb so schlimm, aber der Stress, den man davor hat, belastet einen“, findet sie. Dass es Beratungsstellen an der Hochschule gibt, an die sich Studenten bei Problemen wenden können, findet Winter gut. „Ich habe aber noch keine Beratung gebraucht. In meinem Freundeskreis unterstützen wir uns gegenseitig, das ist für alle eine große Hilfe im Studentenalltag.“

„Ich finde, dass das Verhältnis zwischen Dozenten und Studenten ziemlich unnahbar ist“, sagt der 25-jährige Tobias Taut. Er studiert Lehramt für die Sekundarstufe Eins im Master an der PH.

Pandemie als Auslöser

„Während Corona gab es relativ viele Probleme, da waren einfach die meisten Studenten komplett auf sich allein gestellt“, erzählt er. Zudem findet er, dass in der heutigen Zeit weniger Studenten bereit dazu seien, sich für andere zu engagieren und an Programmen für die Gemeinschaft teilzunehmen. „Das ist Kritik an viele Studis, aber auch an mich selbst“, gibt er zu.

Alida Racz und Ladina Arnold, 22 und 19 Jahre, studieren beide Sonderpädagogik im ersten Semester an der PH. „Wir finden, dass der hohe Leistungsdruck deutlich spürbar ist. Für eine Vorlesung muss so viel gelernt werden, das stresst auf Dauer schon sehr“, sagen sie. Die psychologische Hilfe an ihrer Hochschule sehen sie als sinnvoll an. „Vielleicht sollten Dozenten aber trotzdem etwas zurückschrauben und den Studenten nicht so viel abverlangen“, meinen sie.

Vertrauensverhältnis entscheidend

„Ich denke, das Prinzip Bullimielernen, also alles Wissen in sich hineinfressen, um es nur für eine Prüfung wieder auszuspucken, ist für viele Studenten belastend“, sagt Yannik S, 26. Er studiert Sonderpädagogik im Master an der PH. „Ich selbst hatte keine großen Erfahrungen mit Stress im Studium, ich habe eher Probleme damit, mich richtig zu strukturieren und fange oft nicht rechtzeitig an zu lernen.“

Während der Coronazeit habe er in seinem Freundeskreis schon feststellen können, wie andere Probleme im Studium hatten: „Da wurden viele allein gelassen oder sogar ausgegrenzt“, erzählt er. Studentinnen und Studenten an der PH und an der HVF haben die Möglichkeit, bei Problemen im Studium Beratungsteams aufzusuchen. „Für die Studierenden ist das immer eine Überwindung und ein Vertrauensverhältnis ist daher wichtig“, sagt die Didaktikbeauftragte und Professorin für Psychologie der HVF, Professor Dr. Gunda Maria Rosenauer.

Beratungsteams an Hochschulen

Aus Studien gehe hervor, dass sich Betroffene erst an Familie und Freunde wenden, bevor sie sich einer Ansprechperson an der Hochschule anvertrauen. Dann seien die Probleme häufig psychischen Ursprungs: „Die Schwierigkeiten gehen von Prüfungsangst, Erschöpfung und Überforderung über Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen bis hin zu Magersucht“, sagt Rosenauer. Das Kompetenzzentrum für Didaktik biete zudem Kurse an, in denen erlernt werden soll, wie man richtig mit Prüfungs- und Redeangst umgeht.

Auch das Beratungsteam der PH bietet psychologische Beratung bei Problemen und Stress im Studium sowie Workshops zu Themen wie Studierkompetenzen, Persönlichkeitsentwicklung und Stressmanagement. Adeline Schach und Andrea Kaluza, beide Diplom-Sozialarbeiterinnen, beziehungsweise Diplom-Pädagoginnen mit therapeutischen Zusatzausbildungen, sind Teil des Teams. „Viele Probleme der Studierenden stehen im Zusammenhang mit den Anforderungen eines Studiums, unter anderem Prüfungen und selbstorganisiertes Lernen“, erklären sie auf Anfrage der BZ.

Fehlender Bezug zu Studierenden und Dozenten

Zudem wurde festgestellt, dass die Belastungssituation für viele junge Menschen durch die Auswirkungen der Pandemie und die aktuelle krisenhafte Weltlage gestiegen sei: „Durch die vier Semester Onlinestudium war es für die neuen Studenten schwer, Kontakte zu anderen zu knüpfen“, erklären sie.

Studierende klagen in diesem Zusammenhang über einen fehlenden Bezug zu Studierenden und Dozenten; dies erschwere die Kommunikation und verstärke Ängste.

Die Anfragen in der Beratung an der PH seien hoch, seit der Pandemie auch massiv gestiegen: „Pro Woche finden eine Vielzahl von Beratungsgesprächen statt“, sagen Schach und Kaluza. Die Hemmschwelle, sich Unterstützung zu holen, sei in der heutigen Zeit geringer geworden. „Studierende stellen immer wieder fest, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz, Beratung in Anspruch zu nehmen erhöht hat“, führen sie weiter aus.

Ins Gespräch kommen

Was sind nun mögliche Lösungsansätze für psychischen Stress im Studium? Für Rosenauer wichtig: „Ein erster Schritt wäre sicher, die Studierenden zu ‚sehen’ und immer wieder mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“ In Beratungsgesprächen müssen, je nach Problem, verschiedene Lösungsansätze mit den Studierenden gesucht werden. „Für die jungen Menschen wäre sicher schon eine wohlwollende Haltung der Dozierenden hilfreich, die Studierende fördern und sie im besten Fall beim ‚aufblühen’ unterstützen“, erklärt sie.

Das Beratungsteam der PH ist sich bei den Lösungsansätzen ebenfalls einig: „Es muss genau hingeschaut werden, wo konkret Hindernisse liegen und diese beseitigt werden. Bewältigungsstrategien für Stress sollten außerdem schon in der Ausbildung Bestandteil werden.“

 
 
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