Kreis Ludwigsburg Hilfsfrist: „Eine Klassifizierung von Notfällen macht Sinn“

Von Jennifer Stahl
Durch die Änderung der Hilfsfrist auf zwölf, statt wie zuvor von zehn bis maximal 15 Minuten, werden zukünftig mehr Rettungswägen benötigt. Foto: picture alliance/SZ Photo/Robert Haas

Der Rettungswagen soll in Zukunft innerhalb von zwölf Minuten am Einsatzort sein. Was die Änderung im Rettungsdienstgesetz genau bedeutet.

Der Rettungswagen muss nach Eintreffen des Notrufs in einer bestimmten Zeitspanne vor Ort sein, um Patientinnen und Patienten in Notsituationen rechtzeitig helfen zu können. In Baden-Württemberg gilt bislang eine gesetzliche Spanne von zehn bis maximal 15 Minuten. Die sogenannte Hilfsfrist, also das wichtigste Planungs- und Qualitätsmerkmal für die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst, gilt als erfüllt, wenn sie in 95 Prozent der Fälle innerhalb dieser Zeitspanne liegt.

Hilfsfrist auf zwölf Minuten gesetzt

Nun soll eine Änderung im Rettungsdienstgesetz vorgenommen werden, statt der zuvor geltenden Zeitspanne von zehn bis maximal 15 Minuten soll der Rettungswagen in 95 Prozent der Notfalleinsätze innerhalb von nicht mehr als zwölf Minuten vor Ort sein. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte im vergangenen Mai geurteilt, dass das Land Baden-Württemberg das Gesetz überarbeiten muss, im Rettungsdienstplan 2022 sprach das Innenministerium nämlich von 12 Minuten als Hilfsfrist (die BZ berichtete).

Diese Änderung soll nun im Rettungsdienstgesetz vorgenommen werden, lediglich der Landtag muss darüber noch beraten. Was genau bedeutet es nun aber, wenn der Rettungswagen innerhalb von zwölf Minuten vor Ort sein muss und keine Zeitspanne bis höchstens 15 Minuten mehr gilt? Laut dem Vorstand des Inside Team, dem Verein zur Förderung des Rettungswesens und seiner Schnittstellen in Baden-Württemberg, Riccardo Lardino, bezieht sich die Angabe von maximal zwölf Minuten in 95 Prozent der Fälle stets auf ein Kalenderjahr im jeweiligen Rettungsdienstbereich. „Treffen mit einem Notarzt besetzte Rettungsmittel früher ein, beispielsweise boden- oder luftgebunden, so gilt die ‚Eintreffzeit’ ebenfalls als erfüllt“, erklärt er.

Prähospitalzeit als Unterteilung

Weiterhin spiele nun auch die sogenannte Prähospitalzeit eine große Rolle, das ist die Zeit vor einer Krankenhausversorgung. „Für bestimmte Notfalleinsätze kann eine Prähospitalzeit von nicht mehr als 60 Minuten in 80 Prozent festgeschrieben werden“, meint Lardino.

Damit soll eine Unterteilung von Notfällen geschehen, um zielgerichteter Rettungsmittel einsetzen zu können. Ein Patient mit einem Schlaganfall benötige daher schneller Hilfe als ein Patient mit einer weniger lebensgefährlichen Verletzung. „Die Einführung einer Differenzierung in sogenannten Einsatz- und Notfallkategorien und die damit einhergehende Optimierung des Systems ist grundsätzlich als gut zu bewerten“, meint Lardino, der beruflich als Notfallsanitäter tätig ist. Andere Länder, wie beispielsweise Italien, würden beweisen, dass das Vorhaben gut funktionieren kann. „Ob das in der Praxis bei uns dann genauso aussieht und wie gut weitere Vorgänge darauf abgestimmt werden können, bleibt abzuwarten.“

In der Praxis durchgeführt

Grundsätzlich begrüße er diesen zweiten, umfangreichen Entwurf, auch, weil das Gesetzgebungsverfahren nun erstmals insbesondere transparent und unter Einbindung von Fachexpertise aus der täglichen Praxis durchgeführt werde. „Man merkt, dass die Verantwortlichen hierzulande den Bedarf zur Weiterentwicklung in diesem Themenbereich erkannt haben und diese nun umsetzen“, sagt er. Die Trägheit der Fortschritte sei der jahrelangen Vernachlässigung, aber auch der Komplexität des Systems sowie seinen modernen Anforderungen geschuldet. „Das Festhalten an starren Strukturen, beispielsweise die diversen Ausschüsse für den Rettungsdienst, sehe ich für die Zukunft eines Rettungswesen jedoch eher kritisch.“

Durch die Änderung des Rettungsdienstgesetzes braucht es laut dem stellvertretenden Landesgeschäftsführer und Landesrettungsdienstleister des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Baden-Württemberg, Daniel Groß, vor allem eines: Mehr Rettungswägen. „Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, da stehen wir dann schon vor einer Herausforderung“, sagt er. Weiterhin haben Bürgerinnen und Bürger keinen Anspruch darauf, dass in zwölf Minuten ein Rettungswagen vor der Tür steht, dies könne auch niemand einklagen.

Hilfsfrist knapp nicht eingehalten

Laut Groß seien die aktuellen Daten der Hilfsfrist für den Kreis Ludwigsburg noch nicht auswertbar, „ich kann aber sagen, dass die Hilfsfrist von maximal 15 Minuten in 95 Prozent der Fällen im Jahr 2022 knapp nicht eingehalten eingehalten wurde.“ Im Kreisvergleich stehe Ludwigsburg jedoch seiner Aussage nach gut da.

Grundsätzlich halte die Geschäftsstelle des Bereichsausschusses das neue Gesetz für sinnvoll. „Dazu zähle ich vor allem die Prähospitalzeit. Momentan wird jeder Patient über einen Kamm geschert, wenn zum Beispiel immer, egal bei welchem Fall, mit Blaulicht ausgerückt wird. Eine Klassifizierung von Notfällen macht einfach Sinn“, meint Groß „ein Unterarmbruch ist natürlich nicht angenehm, doch aus medizinischer Sicht nicht so wichtig wie ein Herzinfarkt.“

 
 
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