KZ-Gedenkstätte in Vaihingen Vor dem Vergessen bewahren

Von Martin Hein
Rainer Mayer vor dem Gebäude in dem die Multimedia-Installation gezeigt wird.⇥ Foto: Martin Kalb

Rainer Mayer ist neuer erster Vorstandssprecher des Vereins KZ-Gedenkstätte Vaihingen. Inhalte sollen multimedial aufarbeitet werden, sagt er.

Wer einmal die KZ-Gedenkstätte in Vaihingen besucht hat, wird diese Eindrücke nicht mehr los. Vor allem die Halle mit der Multimedia-Installation, in der über den inzwischen denkmalgeschützten Grundmauern einer ehemaligen KZ-Baracke in bedrückender Atmosphäre rund 20 Minuten lang Bilder und Tondokumente abgespielt werden, hinterlässt bei den Besuchern ein beklemmendes Gefühl.

Ein erwünschter Effekt, wie Rainer Mayer, der neu gewählte Vorstandssprecher des Vereins KZ-Gedenkstätte Vaihingen betont. Rainer Mayer, im Hauptberuf Lehrer und zugleich Konrektor der Sophie-La-Roche-Realschule in Bönnigheim, liegt die Arbeit für die KZ-Gedenkstätte sehr am Herzen.

KZ in der Schule nicht erwähnt

Mayer hat 1981 das Abitur in Vaihingen gemacht, kein Lehrer hat in seiner Schulzeit das ehemalige Vaihinger Arbeitslager auch nur erwähnt, erinnert er sich. Ein für ihn aus heutiger Sicht, unhaltbarer Zustand.

Seit über 20 Jahren ist Rainer Mayer aktives Vereinsmitglied. Unzählige Führungen durch die Gedenkstätte und den Friedhof hat er seither organisiert. Nun wurde er zum ersten Vorstandssprecher des Vereins und Nachfolger von Bernhard Freckmann gewählt. Die Aufgabe der Gedenkstätte sieht Mayer nicht rückwärtsgewandt – ganz im Gegenteil. Man versuche bei den Führungen auch stets einen Gegenwartsbezug herzustellen.

Von Anfang an war ein herausragendes Merkmal des Vereins, den Kontakt zu ehemaligen Häftlingen zu suchen und zu pflegen. So konnten in Gesprächen mit diesen Menschen noch wichtige Informationen gesichert werden.  Aus 25 Nationen waren Häftlinge im Vaihinger Arbeits- und Sterbelager untergebracht. Der Verein pflegt noch viele Kontakte zu den Angehörigen ehemaliger Häftlinge. Etliche Fotografien in der Gedenkstätte zeigen Überlebende und Angehörige beim Besuch in Vaihingen. Mayer kennt alle Namen der abgebildeten Personen und deren Schicksale. Fotos von Gedenkfeiern schicke man immer noch an Überlebende oder deren Angehörige, denen allesamt wichtig ist, dass das, was in Vaihingen passiert ist, nicht vergessen wird. Vier bis Fünf der ehemaligen Häftlinge leben noch.

Berührendes Einzelschicksal

Besonders eindringlich sei bei Führungen für die Schüler vor allem das Schicksal des ehemaligen Häftlings Mendel Gutt aus Polen. Mendel Gutt kam mit 16 Jahren in das Vaihinger Arbeitslager und war damals der jüngste Häftling und in etwa in dem Alter in dem die meisten Schülerinnen und Schüler sind, die die Gedenkstätte besuchen. Mendel Gutt hatte Glück und das Grauen im Vaihinger Arbeits- und Sterbelager überlebt. Er blieb nach dem Krieg in Deutschland und ist inzwischen in Mannheim verstorben. Die Biographie von Mendel Gutt soll nun multimedial aufbereitet werden. Rainer Mayer kann sich vorstellen, die Inhalte beispielsweise für Tablets oder für Instagram aufzubereiten.

Mayer sieht einen künftigen Schwerpunkt des Vereins, die Materialien und die Präsentation der Gedenkstätte zeitgemäß zu präsentieren und einen Gegenwartsbezug herzustellen, um die Schülerinnen und Schüler noch besser zu erreichen. Auf die Frage, wie Schulklassen bei den Führungen durch die Gedenkstätte reagieren, antwortet Mayer, dass sich nach dem Besuch der 20-minütigen Medieninstallation über den Grundmauern der ehemaligen Bade- und Entlausungsbaracke und beim Gang über den Friedhof oft bewegende Szenen abspielen, die belegen wie die Thematik und die Schicksale der Häftlinge die Schülerinnen und Schüler berühren. So haben bei einer Führung beispielsweise Schülerinnen und Schüler spontan Briefe an die Opfer geschrieben, oder auf dem Friedhof Gedichte vorgetragen. Besonders gute Erfahrungen habe man mit dem Projekt „Jugend führt Jugend“ gemacht. Dabei führen ausgebildete Jugendliche gleichaltrige Klassen durch die Gedenkstätte.

Mayer ist gegen verpflichtende Gedenkstätten-Besuche. Wer das lediglich als Pflichtprogramm sieht, sei in Vaihingen fehl am Platz. Man lege großen Wert darauf, dass der Besuch im Wiesengrund pädagogisch ordentlich vorbereitet wird. Dazu gehöre auch eine gründliche Nachbearbeitung, beispielsweise könne gut reflektiert werden, wo aktuell Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Rainer Mayer lobt besonders die Zusammenarbeit mit der Stadt Vaihingen unter dem ehemaligen Oberbürgermeister Heinz Kälberer und jetzt mit Oberbürgermeister Gerd Maisch, die von Anfang an den Verein und die Gedenkstätte sehr unterstützen. Der Verein hat 110 Mitglieder. Man sei auf der Suche nach neuen aktiven Mitgliedern, um die vielen Aufgaben rund um die Gedenkstätte auch weiterhin gut bewältigen zu können. Rainer Mayer denkt hier an Studierende die beispielsweise digitale Projekte umsetzen könnten.

bis zu 2500 Besucher pro Jahr

Bis zu 2500 Besucher zählt der Verein jährlich in der Gedenkstätte. Etwa 2000 davon sind Schülerinnen und Schüler, schätzt Mayer. Im Schnitt werden pro Jahr etwa 65 Schulkassen durchgeführt.

Das alles funktioniere nur mit einem engagierten Vorstand, so Mayer. Dazu zählen der zweite Vorstandssprecher Jörg Becker, Kassier Wilfried Breit, Felix Köhler als Beigeordneter für Kooperationen und pädagogische Arbeit und Günter Baumgärtner als Beigeordneter für die Gedenkstätte, der auch Gedenkfeiern organisiert sowie Michaela Fuchshuber, die das Archiv digitalisiert.

 
 
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