Ludwigsburg OB Knecht im Jahresgespräch mit der BZ

Von Heidi Vogelhuber
Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht in seinem Arbeitszimmer im Rathaus Ludwigsburg. Foto: /Oliver Bürkle

Ludwigsburgs OB Matthias Knecht spricht im Jahresgespräch mit der BZ über finanzielle und organisatorische Grenzen, engagierte Bürger und Herzensprojekte.

Mit der BZ wirft Ludwigsburgs Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht einen Blick auf das vergangene Jahr. Im Interview spricht er über herausfordernde Aufgaben, ein nicht zu verachtendes Haushaltsloch, aber auch die schönen Momente 2023.

Wie war 2023 für Ludwigsburg?

Matthias Knecht: 2023 war ein herausforderndes Jahr. Nicht nur für Ludwigsburg, sondern allgemein für die Gesellschaft. Eine große Herausforderung waren die Themen Migration und Integration sowie sozialer Zusammenhalt – die uns auch weiterhin begleiten. Auch die Haushaltsberatungen waren schwierig.

Trotzdem war 2023 gut, weil wir viele Entscheidungen getroffen haben, die lange gewartet haben. Etwa den Baubeschluss für das Bildungszentrum West, das uns 200 Millionen Euro kosten wird, oder den Beschluss zur Sporthalle Ost, um die wir seit 2009 kämpfen. Außerdem haben wir im Mai die Partnerschaftsurkunde mit Bergamo unterschrieben. Und wir wurden vom Land Baden-Württemberg als Vorbildkommune Klimaneutralität ausgezeichnet – das war ein stolzer Moment für Ludwigsburg. Aber die Umsetzung wird eine Herkulesaufgabe, da müssen wir die Bürgerschaft gut mitnehmen.

Wo wir schon bei den Finanzen sind: Der Gemeinderat hat eine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer abgelehnt. Wie kam das zustande?

Es war ein schwieriger Moment, als klar wurde, dass wir keine Mehrheit bekommen werden für den Dreier-Kompromiss, den wir uns überlegt hatten: Gewerbe- und Grundsteuer sowie die Kita-Gebühren zu erhöhen. Im Endeffekt haben wir die Kita-Gebühren um vier Prozent erhöht, wir hatten 8,5 vorgeschlagen. Die Grund- und Gewerbesteuer sind unangetastet geblieben – zumindest vorerst.

Ich verstehe, dass eine Grundsteuerhöhung diejenigen, die Wohnraum zur Verfügung stellen, belastet. Zudem ist die Verfassungsmäßigkeit der Reform noch nicht geklärt. Auch eine Anhebung der Gewerbesteuer ist so eine Sache. Aber man muss auch ehrlich sein: Sie betrifft vor allem die 100 größten Unternehmen, 6000 von 8000 Unternehmen in Ludwigsburg sind aus rechtlichen Gründen gar nicht betroffen. Daraus ergibt sich kein Standortnachteil, sondern die Firmen tragen zum Standortvorteil bei, sie sichern Kultur, Sport, Bildung, Lebensqualität. Alles Dinge, die die Firmen auch einfordern. Und nun fehlen eben 2,5 Millionen Euro Gewerbe- und eine knappe Million Grundsteuer und Kitagebühren. Das wird man natürlich merken.

Wie soll das Haushaltsloch ausgeglichen werden?

Ich wäre natürlich froh, wenn diese 3,5 Millionen Euro der Stadt nicht fehlen würden. Trotzdem haben wir Lösungen gefunden. Wir haben zum Beispiel die Sanierung des Sportplatzes im Schlösslesfeld um ein Jahr geschoben und wir haben im Personalbereich und in der Gebäudeunterhaltung zusätzlich gekürzt. So können wir einen Teil der Ausgaben einsparen. Wir können aber nicht dauerhaft auf eine Erhöhung der Gewerbesteuer verzichten. Das ist utopisch. Irgendwo muss das Geld herkommen.

Wie ist denn die Stimmung in der Bürgerschaft?

Es gibt eine spürbare Verunsicherung, deshalb müssen wir die Menschen mitnehmen. Es müssen derzeit viele Themen parallel angegangen werden von Klimaneutralität über Bildung, Betreuung und Migration. Gelassenheit ist wichtig, denn wir können nicht alles auf einmal lösen. Wir werden in den nächsten Jahren in einer Mangelgesellschaft leben. Es geht nicht anders. Deshalb müssen wir uns gut organisieren.

In Ludwigsburg haben wir ein unglaubliches Engagement, auch von den 30 000 Menschen, die sich in den verschiedenen Vereinen einbringen. Der soziale Zusammenhalt ist sehr gut. Das hat uns auch so lange durch die Flüchtlingskrise getragen.

Apropos: Wie funktioniert die Aufnahme und Integration von Geflüchteten im Stadtgebiet?

Bislang bewältigen wir die Integration. Die Zahlen müssen sich jedoch beruhigen. Dabei setze ich auf den europäischen Asylkompromiss mit einer besseren Verteilung auf Europa.

Ansonsten sind Bildung, Sprache und Arbeit die wichtigsten Säulen der Integration. Uns fehlen Arbeits- und Fachkräfte in der Region. Daher ist es wichtig, Menschen in Arbeit zu bringen. Deshalb verstehe ich auch gar nicht, wie eine integrierte Pflegekraft von Abschiebung bedroht sein kann. Wenn jemand einmal so weit integriert ist, darf es keine Rolle mehr spielen, wo er herkommt. Denn unser Arbeitsmarkt kann nicht mehr von eigenen Arbeitskräften gestillt werden.

Wie viele Geflüchtete hat Ludwigsburg derzeit und wie sind die Menschen untergebracht?

Derzeit sind 1588 Personen in der Anschlussunterbringung in Ludwigsburg. Wir haben dafür Häuser und Wohnungen angemietet und gekauft. Es klappt bislang gut, die Menschen dezentral auf alle Stadtteile zu verteilen, um keine sozialen Brennpunkte zu schaffen. Wir haben auch Modulbauten und ein Containerdorf. Auch im Gasthof Krauthof, der aufgegeben wurde, haben wir 60 Geflüchtete untergebracht.

Wie weit ist Ludwigsburg mit der kommunalen Wärmeplanung?

Im Dezember haben wir die kommunale Wärmeplanung beschlossen. Was jedoch konkret in jedem Teilbereich sein wird, wissen wir erst, wenn die Transformationsplanung umgesetzt wurde. Diese wird jetzt auf die Wärmeplanung aufgesattelt. Welche Energie- und Wärmeform wen erreicht, wird Anfang 2025 feststehen. Das Projekt Klimaneutralität wird uns rund zwei Milliarden Euro kosten, die Investitionssumme der SWLB zur Fernwärme im Hinblick auf die Klimaneutralität 2035 liegt bei 600 Millionen Euro. Damit ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine organisatorische Grenze erreicht. Baustellen, Fachkräfte und Finanzen/Förderungen müssen koordiniert werden.

Was war ihr persönliches Herzensprojekt im vergangenen Jahr?

Alles, was rund um die deutsch-französische Freundschaft auf der kommunalen Ebene passiert und was dabei die jungen Menschen auf die Beine stellen, ist für mich ein tolles Zeichen dafür, dass es Hoffnung für eine friedvolle Zukunft gibt. Auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg oder das Verhältnis zwischen Juden und Moslems. Es zeigt, dass etwas, das unversöhnlich scheint, doch überwindbar ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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