Sachsenheim/Cleebronn Wenn Fehler tödlich sein können

Von Michaela Glemser
Cheftierpfleger Benedict Stirblies füttert die beiden Polarfüchse Babsi und Schorsch. Foto: /Martin Kalb.

Benedict Stirblies aus Großsachsenheim erzählt von seinem Alltag als Cheftierpfleger im Wildparadies Tripsdrill.

Aufgeregt laufen Babsi und Schorsch mit ihren langen weißen Puschelschwänzen am Zaun ihres Geheges entlang. Wenn die beiden knapp ein Jahr alten Polarfüchse Benedict Stirblies mit seinem Eimer erblicken, wissen sie genau, dass die Fütterungszeit gekommen ist. Die beiden Jungtiere, die aus Tierparks in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ins Wildparadies Tripsdrill kamen, haben in den vergangenen Monaten ein echtes Vertrauensverhältnis zu dem Cheftierpfleger aufgebaut und fressen ihm wortwörtlich aus der Hand.

Erste Flugshow mit 15 Jahren

„Ich hatte schon von Kindheit an ein Feingespür für Tiere und habe bei uns im Dorf Blindschleichen und Eidechsen gesammelt, bei den Bauern in der Nachbarschaft im Stall geholfen und eine eigene kleine Mäusezucht gepflegt“, erzählt Stirblies, der ursprünglich Tierarzthelfer werden wollte. Doch die zunehmende Büroarbeit schreckte ihn ab.

„Meine Mutter hat mir schließlich ein Praktikum im Wild- und Freizeitpark in Willingen im Sauerland vermittelt, und ich durfte dort dem Falkner schon nach wenigen Wochen richtig zur Seite stehen. Damals habe ich im Alter von 15 Jahren sogar schon meine ersten Flugshows gemacht“, erinnert sich der gebürtige Hesse, der im August 2012 im Wildparadies Tripsdrill anfing.

Seit 2019 ist er dort nicht nur Cheftierpfleger für über 60 Tierarten, sondern auch Cheffalkner. „Ich liebe die Abwechslung an meinem Beruf, denn kein Tag ist wie der andere. Ich bin meist an der frischen Luft unterwegs, obwohl auch die Büro- und Dokumentationsarbeit immer mehr zunimmt“, sagt der 32-Jährige. Er ist im Wildparadies für ein Team mit zwei Tierpflegern, drei Auszubildenden und einem Jugendlichen im Freiwilligen Sozialen Jahr verantwortlich.

Routine kann tödlich enden

Sein Arbeitstag beginnt morgens um 8.30 Uhr mit der Fütterung und Kontrolle aller Tiere. „Ich merke sofort, wenn ich das Gehege betrete, ob die Tiere einen schlechten oder einen guten Tag haben. Fehler kann ich mir nicht erlauben, denn diese können auch tödlich sein“, betont Stirblies. Daher kontrolliert er jeden Tag sorgfältig, ob etwa alle Riegel im Bärengehege verschlossen und die Tiere weggesperrt sind, bevor er das Gehege betritt und säubert.

„Bären haben kleine Augen und kleine Ohren und sind nur schwer einschätzbar. Daher ist es gefährlich, im Bärengehege etwas als Routine anzusehen und nicht umsichtig zu sein. Bei den Wölfen erkenne ich die Stimmungslage meist an der Schwanzhaltung“, erläutert der Tierpfleger.

Vom Waschbären gebissen

Auch wenn Stirblies Wildtiere selbst großgezogen hat, kann er sich niemals sicher sein. „Ich habe einmal einen Waschbären aufgezogen und nach der Geschlechtsreife hat er mich ordentlich in die Wade gebissen. Andere Tiere wie unser Storch Fridolin, der einst aus dem Nest gefallen ist und von uns aufgepäppelt wurde, sind uns ein Leben lang dankbar und sehen uns als Partner an“, sagt Stirblies.

Regelmäßig sind auch bei ihm Zuhause in der Doppelhaushälfte in Großsachsenheim Jungtiere wie Waschbären, Rotfüchse oder auch ein kleines Auerochsenkälbchen zu Gast, die ohne die Hilfe des Tierpflegers nicht überleben würden.

Zum Glück ist auch seine künftige Ehefrau Jaqueline sehr tierlieb und brachte Katzen und einen Hund mit in die neue Wohnung. Kennengelernt hat sich das Paar bei einer Flugshow im Wildparadies. Neben Tochter Mia, die seine Partnerin mit in die Beziehung brachte, erwartet das Paar gerade die erste gemeinsame Tochter. „Als Tierpapa habe ich ja schon einige Erfahrung. Nun bin ich gespannt auf meine Aufgabe als Vater eines kleinen Neugeborenen“, sagt Stirblies.

Im Notfall auch Geburtshelfer

Allzu viel Zeit hatte er in der Vergangenheit nicht für die Familie, denn zu seinem Arbeitsalltag als Tierpfleger und Falkner gehören auch zwei Flugshows mit 25 Raubvögeln sowie diverse Schaufütterungen. Für die Tiere im benachbarten Erlebnispark Tripsdrill ist Stirblies ebenfalls verantwortlich.

Erst abends gegen 21 Uhr dreht er seine letzte Runde in dem rund 47 Hektar großen Wildparadies und bringt die Tiere in ihre Ställe. „Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, bringt dies den gesamten Tagesablauf durcheinander. Oft muss ich auch bei einer Tierarztbehandlung einspringen“, berichtet Stirblies. So war er schon bei der Geburt eines Lammes dabei und hat mit einem ausgewachsenen Hirsch gekämpft, um diesem die notwendige Narkosespritze zu verpassen.

Eine dunkle Narbe an seinem Fuß zeigt, dass nicht alle Tierbegegnungen glimpflich verlaufen. Schuld war ein Löwe. Allerdings traf Stirblies auf diesen nicht im Wildparadies, sondern in einem Reservat in Afrika. Aber auch im Wildparadies selbst hat Stirblies der Gefahr schon ins Auge geblickt und sah sich einem wütenden Yak-Bullen gegenüber. Einmal zog ihn ein Bär an seiner Gürtelschnalle an den Käfigzaun.

In seiner Freizeit ist Stirblies als Jäger aktiv, seit kurzem auch als Stadtjäger, der bei Problemen mit Mardern oder Waschbären auf dem Dachboden hilft. Eine Aufgabe, die er auch gerne in Sachsenheim übernehmen würde.

Für ihn ist sein Beruf eine echte Berufung und eine große Leidenschaft. „Wir leisten im Wildparadies wichtige Aufklärungsarbeit, denn so nah kommen die Besucher sonst kaum an Wildtiere in freier Wildbahn. Die Menschen dürfen den Bezug zu diesen Tieren nicht verlieren“, mahnt Stirblies und macht sich auf den Weg zum benachbarten Rotfuchsgehege, wo er auch bereits sehnsüchtig erwartet wird.

 
 
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