Schneideratelier in Freiberg Alles auf Maß

Von Gabriele Szczegulski
Petra Blessing-Frankenhauser mit zwei ihrer Kreationen in ihrem Maßatelier in Freiberg-Geisingen. Foto: /Oliver Bürkle

Mit 17 Jahren lernte die Freibergerin Petra Blessing-Frankenhauser den Beruf der Damenschneiderin im Atelier der Stuttgarter Modedesignerin Beate Mössinger.

Eben haben wir unsere braven Schwäbinnen in den kurzen Rock gehievt, da können wir doch nicht gleich aufhören“, sagte die Stuttgarter Modedesignerin Beate Mössinger 1988, als bei den Pret-a-porter-Shows in Paris Lagerfeld, Montana und Mugler ihre Mannequins in langen, engen Schlauchröcken und ebenso langen wehenden Capes über die Laufstege schickten. Mössinger machte Mode für die schwäbische High Society – qualitativ hochwertig und nicht ganz so verrückt wie Lagerfeld und Co. Sie führte ein strenges Regiment, aber bei ihr als Schneiderin zu arbeiten, hieß auch richtig gut sein zu müssen.

1988 – da arbeitete die junge Petra Blessing gerade als Gesellin in dem Modeatelier in Stuttgart, ihre Lehre zur Damenschneiderin bei Beate Mössinger hatte sie gerade als Kammersiegerin beendet. Nun brauchte sie drei Gesellenjahre bei der Stuttgarter Ikone, um sich dann als Damenschneidermeisterin selbstständig machen zu können, denn das war von Anfang an ihr Traum. „Ich habe mit 17 Jahren mein Hobby zum Beruf gemacht, ich wollte nie etwas anderes werden als Schneidern“, sagt die heute 54-Jährige.

Mitglied imMeisterprüfungsausschuss

Denn, so sagt sie, viele ihrer Mit-Auszubildenden wollten die Lehre nur als Grundlage, um Designerin zu werden. Ihr sei es immer nur um das Handwerk gegangen. Deswegen hat Blessing-Frankenhauser sich, nachdem sie sich vor 30 Jahren selbstständig gemacht hatte, im Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer engagiert sowie den Werkstattunterricht in der Berufsschule des Schneiderhandwerks in Stuttgart-Feuerbach geleitet.

In ihrem Maßatelier in Freiberg-Geisingen fertigt sie Kleidung auf Maß, ändert Kleidung oder arbeitet sie um. „Ich bin aber keine Änderungsschneiderin, denn dazu muss man heutzutage nicht mal eine Ausbildung machen“, gibt sie einen Wink auf die vielen Änderungsschneidereien, die Schneiderateliers durch günstige Preise Konkurrenz machten.

Sie habe zwar auch für Änderungen Pauschalpreise, aber wenn sie ein Kleidungsstück umarbeite oder nach Maß neu anfertige, müsse sie einen Stundenlohn von 50 Euro ansetzen. „Für ein Kleid, das ich nach Wunsch anfertige, brauche ich zirka zehn Stunden“, sagt sie. Die Beratung, Stoff- und Materialiensuche seien umsonst. „Dafür hat man aber auch ein Einzelstück und ganz nach individuellem Wunsch, das hochwertig ist und aus guten Stoffen genäht.“

„Ich habe ein großes Faible für feine Stoffe wie Seide, Samt oder Chiffon“, sagt sie. Deshalb sind Abend- und Brautmode ihre Spezialität. Blessing-Frankenhauser arbeitet seit Jahren mit Brautstudios zusammen, für die sie Änderungsarbeiten macht, aber auch neue Brautkleider näht.

Seit einigen Jahren hat sie eine Kooperation mit dem Freiberger Brautmodengeschäft „Turteltaube“. „Bräute sind sehr pingelig, die wollen alles perfekt haben, und da kommt es meist auch nicht aufs Geld an.“ Auch das würde ihr an ihrem Beruf gefallen: Der Umgang mit den Menschen, auf deren Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. „Wenn es auch manchmal keinen Spaß macht, einer jungen Frau zu sagen, dass das Brautkleid, das sie unbedingt haben will, nicht so umgearbeitet werden kann, wie sie es sich vorstellt“, so die Schneidermeisterin.

„Das Maß ist bei der Schneiderei alles“

In ihrem Studio arbeitet sie derzeit an einem Jäckchen für eine ältere Dame, die dies bei einem Jubiläumsfest tragen will. Sie hatte ganz bestimmte Vorstellungen, und Blessing-Frankenhauser schneidert ihr es auf den Leib. Oft kämen auch Frauen zu ihr, die ein Lieblingsteil haben, das sie sich von ihr aus einem anderen Stoff genauso noch einmal schneidern lassen. Oder aus einem zu eng gewordenen Kleid wird ein neu entworfener Rock. „Das Maß ist bei der Schneiderei alles, richtig zu messen, ist eine Kunst und die Grundlage meines Berufes“, sagt die Freibergerin. Für die Schlossfestspiele hat sie auch schon vor einigen Jahren historische Kostüme geschneidert, für eine Sportfirma fertigte sie Erstschnitte für Sportbekleidung. Einige Kundinnen bringen sich Stoffe aus ihrem Urlaub mit, wie Seide aus Thailand, und lassen sich diese von Petra Blessing-Frankenhauser auf den Leib schneidern. „Ich habe noch gut zu tun, aber ich bin im Landkreis auch eine der wenigen Damenschneiderinnen“, sagt sie.

Immer weniger junge Menschen würden sich zum Damen- oder Herrenschneider ausbilden lassen. „Unser Beruf ist heute ein Luxusberuf“, sagt sie, denn Handwerk sei teuer, und so würden sich nur wenige Menschen ein Kleidungsstück, das von einer Schneiderin genäht ist, leisten können. „Früher wollten die Damen und Herren individuelle Kleidung für Silvester, den Opernbesuch, die Hochzeit, heute gehen sie in Jeans und T-Shirt“, so Blessing-Frankenhauser. Die Einstellung zu Kleidung habe sich verändert, das Bewusstsein, sich chic zu machen, sei gering. Dabei sei es nachhaltiger, Kleidung hochwertig zu kaufen, lange zu tragen und dann in ein anderes Stück umändern zu lassen. Für sich selbst kommt sie selten dazu, ein Kleidungsstück zu nähen, „vielleicht eines oder zwei im Jahr“, sagt sie.

 
 
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