Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen „Mich gibt’s ja noch“

Von Jürgen Kunz
Hauke Kaufmann (links), Pädagoge und Sporttrainer, und Christian Bieg haben langjährige Depressionserfahrungen und wollen eine Selbsthilfegruppe in Freudental aufbauen. Die Libermenta-Klinik im Schloss stellt dafür notwendige Räume und Ressourcen zur Verfügung Foto: /Libermenta

Der BZ erzählt der 55-Jährige Hauke Kaufmann von seinem Leben mit 30 Jahre Depressionen.

Unter dem Namen „Trialog – ich, du, wir“ startet im Oktober eine offene, selbst organisierte Selbsthilfegruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und für Angehörige und Freunde von Betroffenen. Die Libermenta Klinik im Schloss Freudental stellt die notwendigen Räume und Ressourcen zur Verfügung, ist aber ausdrücklich nicht der Organisator. Initiatoren sind Hauke Kaufmann und Christian Bieg. In einem Gespräch mit der BZ erklärt Kaufmann die Beweggründe für die Selbsthilfegruppe und von seinem Leben, das inzwischen seit drei Jahrzehnte von Depression beeinflusst wird.

Kaufmann will anderen ganz bewusst Hoffnung geben: „Ich habe 30 Jahre Erfahrung, wie man mit Depressionen umgeht und ich möchte meinen ,Werkzeugkasten’ teilen.“ Der 55-Jährige ist Pädagoge und Sporttrainer und lebt in Fellbach. Er sammelte im Zusammenhang mit seiner Depressionserkrankung drei Jahrzehnte Therapieerfahrung mit verschiedenen Behandlungsmethoden, sowohl ambulant als auch stationär. „Seit über 30 Jahren habe ich Depressionen und diese haben meinen Lebensweg beruflich und privat beeinflusst“, sagt er ganz offen. Bewusst habe er keine Psychopharmaka eingesetzt, er habe für sich „definitiv bemerkt, was mir gut tut“ und nennt Kreativität, Klavierspielen und ganz viel Sport. Kaufmann: „Es besteht die Gefahr der absoluten Hoffnungslosigkeit. Bei kompletter Dunkelheit kann man sich selbst nicht mehr spüren.“ Ihm helfe Kraftsport, um den Körper wieder zu spüren, und es sei wichtig, „ein ganz großes Augenmerk auf die Ernährung zu legen“.

Vor vielen Jahren habe er ein-, zweimal eine Selbsthilfegruppe besucht, das sei aber „ein Suhlen im eigenen Leid“ gewesen und damit nichts für ihn. Depressionen belasten, so Kaufmann, die Familie und Angehörige stark, da sie oft hilflos seien. „Deshalb wollen wir eine Selbsthilfegruppe starten für psychisch Kranke und Angehörige, da diese oft allein gelassen werden.“ Oft helfe schon eine kleine Geste, wie „ich bin das“ und echtes Mitgefühl. „Wenn das ankommt, kann das wirklich hilfreich sein“, so der 55-Jährige.

Er will das Tabuthema Depression auch in die Öffentlichkeit bringen, denn eine große Sehnsucht von psychisch Kranken sei, Verständnis zu bekommen. Nach der Einschätzung von Kaufmann, gibt es eine große Scham bei Menschen mit Depression, „weil man will, aber nicht kann“. In einer Gruppe passiere viel untereinander und so könne man sich gegenseitig stützen. Jeder Austausch könne, so Kaufmann, therapeutisch wirken. „Mich gib’s ja noch“, diese Selbsterkenntnis von Erkrankten, sei anzustreben, denn „soziale Kontakte tun gut und sind antisuizidal“, erklärt er. Die Selbsthilfegruppe soll Menschen helfen, die kaum noch ein soziales Netz haben.

Die offene Selbsthilfegruppe, der Räume von der Libermenta Klinik im Freudentaler Schloss zur Verfügung gestellt werden, richtet sich an alle Menschen, die entweder selbst von psychischen Erkrankungen betroffen sind oder eine betroffene Person im nahen Umfeld haben. „Zwar ist die Gruppe keine therapeutische Maßnahme und ersetzt diese auch nicht, es ist aber bekannt, dass der Austausch mit anderen Betroffenen Halt und Unterstützung bieten, Mut machen und Trost spenden kann“, betont Hauke Kaufmann, der zusammen mit Christian Bieg die Gruppe ins Lebens ief. Der 41-jährige verheirateter Familienvater ist ebenfalls depressionserkrankt. Zu seinem Krankheitsbild gehören Angst- und Panikattacken. Seine Therapieerfahrung reicht über drei Jahre ambulanter und stationärer Behandlung.

Natürlich gelte in der Selbsthilfegruppe das Vertraulichkeitsprinzip – alles, was in der Gruppe besprochen wird, soll auch in der Gruppe bleiben und nicht nach außen getragen werden, betonen die Initiatoren.

Infoabend am 28. September

Der Start
der offenen Selbsthilfegruppe in Freudental  markiert eine offene Informationsveranstaltung am Mittwoch, 28. September, um 19.30 Uhr in der Libermenta Klinik Schloss Freudental. Chris Bieg und Hauke Kaufmann laden an diesem Abend alle Interessierten in die Räume der Tagesklinik ein, erzählen mehr zum Konzept der Selbsthilfegruppe und beantworten gerne alle offenen Fragen. Eine Teilnahme am Informationsabend ist unverbindlich, das Interesse an der Teilnahme der Selbsthilfegruppe kann im Anschluss geäußert werden. Im Anschluss an den Informationsabend werden regelmäßige Termine für die Selbsthilfegruppe bekanntgegeben

 
 
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