Tag des Assistenzarztes Arzt: Traumjob mit Schattenseiten

Von Heidi Vogelhuber
Die Assistenzärztin Elisabeth Rebekka Z. an ihrem Arbeitsplatz im Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen bei einer Ultraschalluntersuchung an einer Patientin. Foto: /Martin Kalb

Die BZ spricht mit Assistenzärztin Elisabeth Rebekka Z. vom Klinikum in Bietigheim über den (Traum-) Beruf Arzt, über Klischees aus dem TV und den harten Alltag als Chirurgin.

Gehetzt rennen sie von OP-Saal zu OP-Saal, treffen sich heimlich, um aneinander Nähte zu üben und nutzen jede freie Minute, um über spannenden Quatsch und Tratsch aus dem Krankenhaus zu reden. Ach wie lieben wir sie doch, die TV-Sendungen über blutjunge und attraktive Assistenzärzte und -ärztinnen, die total gestresst ihrem extrem spannenden Job nachkommen. Zum „Tag des Assistenzarztes“, der am 6. Oktober ist, redet die BZ mit einer echten Assistenzärztin aus dem RKH-Krankenhaus in Bietigheim-Bissingen über ihren Traumberuf, der in der Realität doch ein wenig anders aussieht als auf dem Bildschirm.

Assistenzärztin in Bietigheim

Elisabeth Rebekka Z. ist 32 Jahre alt und wohnt in Bietigheim. 2011 hat sie ihr Medizinstudium in Würzburg begonnen und 2017 ihren Abschluss gemacht. Das Studium hat eine Regelstudienzeit von 13 Semestern, also 6,5 Jahren. Während oder spätestens nach dem allgemeinen Studium entscheidet man sich für einen Bereich, in dem man später tätig sein will, es folgt ein Fachgebiet – auch mehrere Fachgebiete sind möglich. „Mir ist es leichtgefallen, mir eine Richtung auszusuchen. Ich wusste schon als Schülerin, dass ich Chirurgin werden will. Ich weiß nicht, warum genau, ich wusste es einfach“, sagt sie.

Die Länge der Facharztausbildung unterscheidet sich von Fachgebiet zu Fachgebiet, mindestens sind es fünf Jahre. In der Viszeralchirurgie, zu der operative Eingriffe an Magen, Darm, Speiseröhre sowie an der Schild- und Nebenschilddrüse gehören und in der Elisabeth Rebekka Z. tätig ist, sind es sechs Jahre. Mindestens sechs Jahre ist man also Assistenzarzt. Das liegt unter anderem daran, dass man eine bestimmte Anzahl an Eingriffszahlen braucht, erklärt die Assistenzärztin. „Manche OP’s sind einfach zu bekommen, andere sind seltener.“ Zum Beispiel musste sie mindestens 50 Ultraschalluntersuchungen und mindestens 50 ambulante Operationen durchführen. Das war locker im ersten Jahr als Assistenzärztin zu schaffen. Dünndarmresektionen wiederum sind eher seltener. Es kann dementsprechend einige Jahre dauern, bis das Soll erfüllt ist.

Arzt, Doktor, Facharzt

Übrigens kann man bereits als Arzt arbeiten, sobald das Studium mit der Approbation, also der staatlichen Zulassung, abgeschlossen ist. Möchte man jedoch Ober- oder Chefarzt werden, ist das nur mit einer abgeschlossenen Facharztausbildung möglich – einen Doktortitel braucht man dazu nicht (siehe Infobox). Das Gehalt staffelt sich vom ersten zum fünften Assistenzjahr, danach bleibt es für Assistenzärzte gleich. Prinzipiell könnte man auf dem Level Assistenzarzt bis zur Rente arbeiten. Die meisten legen aber die Facharztprüfung ab, um im hierarchischen System aufzusteigen. Ob es eine so klare Hackordnung wie in den Serien gibt? „Es kommt immer auf den Umgang miteinander an“, sagt sie und berichtet, dass es durchaus Abteilungen gebe, in denen es klar definiert sei: Der Oberarzt macht die Ansagen und der Assistenzarzt muss kuschen. Bei ihr in der Fachabteilung sei das zum Glück nicht so, sagt die 32-Jährige und ergänzt: „Es kommt sicherlich auch darauf an, wie gut man ist. Bei gesammelter Erfahrung oder offensichtlichem Interesse wird einem auch mehr zugetraut. Dann weiß man, was man aneinander hat“, sagt sie und erklärt zum Verhältnis zu den Pflegekräften: „Auf meine Schwestern lass’ ich nichts kommen. Wir haben ein tolles und vertrauensvolles Verhältnis. Ich sage ihnen zwar auch, was sie tun sollen, sie geben mir aber wiederum Tipps, Hinweise und Rückmeldung.“

Um weiterzukommen, müsse man sich als Anfänger anstrengen, zeigen, was man kann und dass man lernen möchte. Jedoch warnt die junge Ärztin: „Es besteht dann eben auch die Gefahr der Überlastung.“ Denn das sei kein Serienklischee, das sei Realität. Das Schichten, vor allem auch die 24-Stunden-Dienste, die neben dem Arbeitstag noch Bereitschaftszeit beinhalten, seien hart. Diese Dienste seien zwar auf vier pro Monat begrenzt, „das klappt aber nicht immer“, so die Ärztin. Während in der regulären Arbeitszeit geplante Eingriffe durchgeführt werden, wird in der Bereitschaft geholfen, wo Hilfe benötigt wird. Aber auch Arbeit, die angefallen ist, weil man im Arbeitsalltag nicht dazu gekommen ist, wird erledigt.

„Wir haben Arztzimmer zum Aufenthalt und auch ein Extrazimmer mit einem Bett und einem Fernseher – wobei ich gar nicht weiß, ob der überhaupt funktioniert“, sagt die Assistenzärztin, die in ihrem Dienst kaum bis gar nicht zum Schlafen kommt. „Gelangweilt habe ich mich noch nie.“ Oftmals befasse sie sich mit dem Erstellen von Dienstplänen oder Papierkram, der nicht eilt, aber doch erledigt werden muss. Auch das Nachtragen von Studien geschehe oft in der Bereitschaft. „24 Stunden sind schon hart. Danach ist man durch“, sagt sie und berichtet, dass sie oftmals so versunken ist, dass sie weder Hunger noch Durst spürt. Nach dem Dienst schlafe sie zumeist fast den ganzen Tag durch. Zeit für Freizeitaktivitäten bleibe kaum – „vielleicht zwei Stunden – je nach Schlafbedürfnis“, sagt die Ärztin. Manche kämen mit weniger Schlaf aus, sie zumeist nicht.

Work-Life-Balance?

Was heißt das für das Privatleben? „Viele, die im Krankenhaus arbeiten, haben auch viele Freunde aus dem Gesundheitswesen“, sagt die 32-Jährige. Das Problem seien dann die Schichten, die oftmals nicht übereinstimmen. Sie selbst habe mehr Freunde außerhalb der Branche und das Glück, viel Verständnis zu bekommen.

Zeit für Freizeitaktivitäten? „Wenig. Ich bin dann gerne mit meinen Eltern auf unserem Stückle, das wir gemeinsam bewirtschaften“, sagt die junge Ärztin. Gesundes Essen mit Gemüse aus ihrem Garten sei selbstverständlich für sie. Sie habe aber auch Kollegen, die weit entfernt von gesund leben. „Das liegt oft auch am Stress“, sagt sie.

Auch ihr ging es so. „Ich hatte das Gefühl, nur noch zu arbeiten, zu essen und zu schlafen.“ Deshalb hat sie vor zwei Jahren die Reißleine gezogen und auf 80 Prozent heruntergestuft. Die Belastung sei zu hoch gewesen. Die grausame Realität: „Ich habe trotzdem immer ein rotes Ampelkonto wegen der vielen Überstunden.“ Daher steht für die junge Ärztin fest: Immer im Krankenhaus arbeiten möchte sie nicht. Das liege keineswegs am Bietigheimer Krankenhaus, sondern an der Organisation des Gesundheitswesens allgemein. „Das Medizinische per se ist mein Traumberuf. Das Drumherum macht nur nicht immer Spaß“, sagt sie. Das liege vor allem an den vielen Stunden, die mit Papierkram am Schreibtisch verbracht werden müssen.

2024 wird sie sich vermutlich zur Facharztprüfung anmelden, was dann folgt, steht noch nicht fest. „Vielleicht werde ich eine Weile nur Notarztfahrten machen“, da nämlich halte sich der Papierkram im Rahmen. Eine andere Stadt oder gar das Ausland seien auch durchaus denkbar. „Ich war während des Studiums im Tschad. Das ist noch mal etwas ganz Anderes, da lernt man die medizinische Versorgung in Deutschland echt zu schätzen.“

Klischees über Assistenzärzte: Wahr oder falsch?

Exzessives Kaffeetrinken: Zumeist. Elisabeth Rebekka Z. trinkt zwar gar keinen Kaffee, sagt jedoch, dass es sehr viele ihre Kollegen sehr oft tun.

Selbstverständlicher Doktortitel: Nein. Den bekommt man in Deutschland nicht automatisch nach dem Studium, wie es oftmals im Ausland üblich ist. Eine Doktorarbeit muss geschrieben werden – berufsbegleitend. „Durch die Belastung durch den Job, sehe ich für mich derzeit keine Chance dazu“, so die junge Ärztin.

Assistenzärzte werden ausgenutzt und bekommen nur „lästige“ Aufgaben: Als Anfänger dürfe man noch nicht jeden Eingriff vornehmen, durch die Schichten bekomme man aber viel mit. „Es kommt auch darauf an, wie man sich anstellt, welche Aufgaben man übernehmen darf.“Assistenzärztinnen werden nicht ernst genommen: „Patienten sprechen mich manchmal mit ‚Schwester’ an“, berichtet die Assistenzärztin. Es sei leider immer noch so, dass Jugend und Weiblichkeit für viele immer noch bedeutet, dass man nicht der behandelnde Arzt sein kann. „Man muss sich ein dickes Fell zulegen – auch, was die Respektlosigkeit einiger Patienten angeht.“

 
 
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