Asylbewerber Moria-Debatte: Stadt hält sich zurück

Von Uwe Mollenkopf
Asylbewerber bei der Ankunft 2016 an der Sporthalle des Berufsschulzentrums in Bietigheim-Bissingen. Aktuell wird über die Asylpolitik wieder diskutiert.⇥ Foto: Martin Kalb

Bietigheim-Bissingen hat sich zwar zum „Sicheren Hafen“ erklärt, sieht die Zuständigkeit für die Aufnahme von Asylbewerbern aber bei Bund und Land. Auch der Kreis agiert zurückhaltend. Hintergrund sind hohe Kosten und Wohnraumknappheit.

Am Wochenende hat es in der Innenstadt von Bietigheim-Bissingen eine Mahnwache für Moria gegeben. Die Teilnehmer forderten die Aufnahme von Migranten von der griechischen Insel. Die Bundesregierung hat auf den öffentlichen Druck inzwischen reagiert, indem sie weitere Asylbewerber von dort holen will. Im Vorfeld hatten etliche Kommunen, die sich zu „Sicheren Häfen“ erklärt haben, öffentlich bekundet, zur Aufnahme zusätzlicher Migranten bereit zu sein. Zu den „Sichere-Häfen-Kommunen“ zählt seit 21. Juli 2020 auch Bietigheim-Bissingen. Hier geht man das Thema indes zurückhaltender an.

Drei Städte im Kreis dabei

„Für die Entscheidung, Asylbewerber aus Moria aufzunehmen, sind Bund und Länder zuständig“, erklärt Sprecherin Anette Hochmuth auf BZ-Anfrage. „Diese verteilen die Flüchtlinge dann im Rahmen der geltenden Quoten und eventuell per Zusatzvereinbarung auf die Städte und Gemeinden.“ Dies geschehe über die Landkreise. Bietigheim-Bissingen habe bereits beim Beschluss zum Sicheren Hafen erklärt, „dass wir für die Aufnahme von Asylbewerbern nicht direkt zuständig sind“. Daher wolle man dazu auch keine Erklärungen abgeben.

Auf Kreisebene hat der Verwaltungsausschuss Ende Juni einen Antrag der Kreistagsfraktion der Grünen zur Erklärung des Landkreises Ludwigsburg zum „Sicheren Hafen“ mit 17 Nein- zu 7 Ja-Stimmen abgelehnt. Stattdessen wurde mehrheitlich ein modifizierter Antrag der Grünen beschlossen, in dem es allgemein heißt, der Landkreis Ludwigsburg zeige „Solidarität mit den Flüchtlingen, die über das Mittelmeer fliehen“.

Die Bundes- und Landesregierung werden darin aufgefordert, „sich nachdrücklich und verstärkt für die Bekämpfung der Fluchtursachen sowie für die Rettung von schutzsuchenden Menschen einzusetzen“. Der Landkreis appelliere an die Städte und Gemeinden, sich mit der Thematik „Sicherer Hafen“ zu befassen.

Laut der Organisation „Seebrücke“, welche die Sichere-Häfen-Kampagne initiiert hat, sind neben Bietigheim-Bissingen im Landkreis Ludwigsburg mit Asperg und Marbach nur zwei weitere Städte dem Bündnis beigetreten.

Auch viele Obdachlose

Die Stadt Bietigheim-Bissingen hat bei der Beschlussfassung über den Status als „Sicherer Hafen“ auch darauf verwiesen, dass sie in der Vergangenheit viele Flüchtlinge aufgenommen habe und auf die Kosten verwiesen. „Eine große Anzahl von Geflüchteten erfordert hohe Aufwendungen beispielsweise bei der Schaffung von Wohnraum, bei der Begleitung der Integration und bei der Suche nach Arbeitsplätzen, die zu einem großen Teil von den Kommunen bereitgestellt werden müssen“, heißt es in der damaligen Beschlussvorlage. Weil darüber hinaus auch der Verteilungsschlüssel geändert werden solle und die Anzahl der Personen, die  ihre  Wohnung aus den  verschiedensten Gründen verlieren und obdachlos werden, stetig zunehme, müsse die Stadt ohnehin „größere Kapazitäten zur Unterbringung dieser Personen und deren Betreuung“ zur Verfügung stellen.

Seitens der Kreisverwaltung wurde in der Beratung über den Grünen-Antrag wiederum darauf verwiesen, dass man für eine freiwillige Verpflichtung über der Quote die Zustimmung der Kreiskommunen bräuchte. Denn: Nach Abschluss des Asylverfahrens beziehungsweise spätestens nach Ablauf von 24 Monaten werden die Asylbewerber von der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung der Kommunen weiterverteilt.

Soweit es sich um Kontingentflüchtlinge handelt, beträgt die Verweildauer im Kreis sogar nur sechs Monate. Viele Kreiskommunen stünden bereits jetzt vor großen Herausforderungen, da entsprechender Wohnraum beziehungsweise Unterkunftskapazitäten nicht zur Verfügung stünden.

Kreisweit 81,6 Millionen Euro

Aber auch der Landkreis selbst hatte seit der „Wir-schaffen-das-Politik“ des Jahres 2015 enorme Lasten zu schultern. Wie Pressesprecher Frank Wittmer auf BZ-Anfrage mitteilte, sind dem Kreis seit der Flüchtlingskrise 2015 rund 81,6 Millionen Euro an Nettoressourcenbedarf entstanden (wobei das Jahr 2020 bislang nur als Planwert eingeflossen ist). Die Kosten für unbegleitete minderjährige Ausländer, Ausländerbehörde und Jobcenter sind darin indes noch nicht mit eingerechnet, ebenso wenig die Investitionen. Letztere werden dem Kreis über Abschreibungen teilweise vom Land erstattet. Nimmt man sie hinzu, kommt man auf Kosten von knapp 112 Millionen Euro.

 
 
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