Bergwacht Unterland in Hessigheim Die junge Generation übernimmt das Seil

Von Gabriele Szczegulski
Gründungsmitglied Manfred Hormann (Mitte) leitet zwar die Bergwacht Unterland, aber junge Mitglieder wie Timo Heim (links) und Nico Schön (rechts) stehen schon bereit. Foto: /Oliver Bürkle

Die Bergwacht Unterland hat seit 50 Jahren die Rettungs- und Naturschutzoberhoheit in den Felsengärten. Nach einem Neuanfang haben jetzt die Jungen die Anker in der Hand.

Im April 1972 gab es den letzten Todesfall eines abgestürzten Kletterers in den Hessigheimer Felsengärten. Alle zwei Jahre, so die Statistik, gab es zuvor einen Todesfall, zwischen drei bis fünf Schwerverletzte kamen jährlich hinzu. Ein Grund für Manfred Hormann aus Sachsenheim und 19 weitere Kletterer und Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes, eine eigene Bergwacht-Abteilung in Hessigheim zu gründen. 1973 nahm die Bergwacht Unterland ihren Dienst auf, als Abteilung des Deutschen Roten Kreuzes Württemberg und im Verband der Bergwacht Württemberg. Dass der Verein sich nicht nach dem Ort, also Hessigheim, benannte, hatte den Grund, dass nicht nur viele Mitglieder aus dem ganzen Kreis kommen, sondern die Bergwacht auch außerhalb des Kreises bei Einsätzen als ausgebildete Bergretter und Einsatzkräfte aushilft.

Keinen Todesfall mehr seit 1972

Seit der Gründung gab es jährlich mit nur drei Abtransporten von Verletzten und zirka 20 Hilfeleistungen keine größeren Unfälle und Todesfälle mehr. Denn die 30 Mitglieder der Bergwacht Unterland sind nicht nur ausgebildete Rettungssanitäter sondern klären in den Felsengärten auch die Kletterer, Wanderer und Besucher über Gefahren auf. Manfred Hormann, einziges noch aktive Gründungsmitglied, sagt, dass es sehr wichtig sei, die Besucher darauf hinzuweisen, nicht auf die Felskante zu gehen, kein Feuer zu legen oder mit unangemessenem Schuhwerk in die Felsengärten zu gehen.

Zudem pflegen die Bergwachtler das fünf Hektar große Naturschutzgebiet Felsengärten, darüber haben sie mit dem Regierungspräsidium Stuttgart und dem Landratsamt Ludwigsburg einen Vertrag geschlossen. Zwei der Mitglieder sind auch Naturschutzwarte der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises.

Doch 2016 kam es genau aus der Verantwortung, das Naturschutzgebiet zu schützen, zum Eklat. Die Gemeinde Hessigheim, zu der die Felsengärten rein geografisch gehören, stellte eine Stele mitten in das Naturschutzgebiet, ohne Genehmigung. Eine beträchtliche Fläche des unter Naturschutz stehenden Magerrasens wurde zerstört – die Mitglieder der Bergwacht waren empört und sahen sich in ihrer Arbeit beschränkt, so Hormann. Der Verein wurde stillgelegt, weil viele Mitglieder ihrer Empörung durch Vereinsaustritt Luft machten. Die Bergwacht Unterland war nicht mehr dienstfähig, die Felsengärten ohne regelmäßige Betreuung. Nur die 30-köpfige Jugendgruppe wurde bis 2019 weitergeführt, sie soll auch demnächst wieder neu gegründet werden.

2021 gab es einen Neubeginn. Zwölf neue Mitglieder kamen hinzu, machten die Grundlagenausbildung. Seither wird wieder oberhalb der Felsengärten Dienst geschoben, wenn auch noch nicht wie zuvor an jedem Wochenende. „Das Ziel ist, wieder jedes Wochenende vor Ort zu sein“, sagt Manfred Hormann.

„Ich fand die Einrichtung einer Bergwacht an den Felsengärten eine notwendige Einrichtung“, sagt Timo Hein aus Münchingen, der von Beruf Rettungssanitäter ist. „In der Bergwacht kann man das medizinische Helfen und die Liebhaberei, das Klettern, verbinden“, so sagt auch der jetzige Naturschutzbeauftragte Nico Schön aus Sersheim. Ihm ist vor allem daran gelegen, dass die Felsengärten und das Naturschutzgebiet angemessen geachtet werden. „Das Ansinnen der Bergwacht ist nicht, dass die Felsengärten für die Öffentlichkeit geschlossen werden, wie während Corona, wir wollen, dass die Menschen herkommen, aber sie müssen die Regeln beachten“, sagt er.

Henrik Gannott aus Erligheim hatte einen Unfall beim Klettern in den Alpen. „Ich habe am eigenen Leib erlebt, wie wichtig professionelle und schnelle Hilfe vor Ort ist, wenn man verunglückt“, sagt er. Deshalb ließ er sich bei der Bergwacht ausbilden. „Zwei junge Leute sind bei uns Mitglied geworden, weil sie regelmäßig Skifahren und eine gute Bergrettung vermisst haben“, so der Sachsenheimer Manfred Hormann, der noch mit 68 Jahren in die Seile steigt und Vorsitzender der Bergwacht Unterland ist.

Neues Problem: Drohnenflüge

Laut Gannott würden Drohnenflüge immer mehr zum Problem: „Mindestens eine Drohne am Tag, am Wochenende auch mehrere gleichzeitig, fliegen ohne Genehmigung über die Felsengärten, verscheuchen und verängstigen Vögel.“ Bis zu 800 Spaziergänger und 150 Kletterer werden an Wochenenden gezählt, und die gilt es, so Heim, für die Natur in den Felsengärten zu sensibilisieren.

Gründung der Bergwacht im Jahr 1973

Seit 1934 gibt es in den Hessigheimer Felsengärten verbriefte Klettertouren. Ende der 1960er- und in den 1970er-Jahren nahm die Begeisterung am Klettern und Bergsteigen zu. Die Felsengärten wurden zum nahen Ziel, seine Fähigkeiten zu trainieren und dem Sport zu frönen. Es kam immer wieder zu Unfällen und auch Todesfällen. Unkenntnis, Übermut, Selbstüberschätzung und nicht die richtige Ausrüstung von Kletterern, aber auch Spaziergängern, waren und sind bis heute die Gründe. Führungskräfte in den Alpenvereinen Heilbronn und Ludwigsburg sowie der Kreisverband Ludwigsburg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kamen zu der Einsicht, dass nur ausgebildete Fachkräfte eine zuverlässige Rettung und Erstversorgung vor Ort gewährleisten können. 1972 wurde die Bergwacht Unterland in Hessigheim gegründet.

Der Naturschutz nimmt in der Bergwacht einen großen Teil ein: Nico Schön und Henrik Gannott sind nicht nur Naturschutbeauftragte der Bergwacht, sondern auch Naturshcutzwarte der Unteren Landschaftsbehörde des Landratsamts. Jährlich mindestens zweimal werden Pflegearbeiten an Büschen, Wiesen und Bäumen vorgenommen, zudem werden weitere Magerwiesen, eine Besonderheit des Gebietes, freigelegt und abgesperrt, damit die Pilze und das Moos weiter wachsen können. Die schwedische Goldrute ist neben Spaziergängern, die auf den Magerwiesen laufen, eine weitere Gefahr, weil sie alles überwuchert. Auch hier wird die Bergwacht tätig.

 
 
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