Bietigheim-Bissingen 67 Maßnahmen für den Klimaschutz

Von Yannik Schuster
Qualmende Schornsteine am Morgen in Bietigheim-Buch. Die Stadt hat sich die Klimaneutralität zum Ziel gesetzt. Foto: /Martin Kalb

Ein Klimaneutralitätskonzept soll als Leitfaden dienen. Mit einem Klimaschutzpreis will die Stadt die Bürger mit ins Boot holen.

Bis ins Jahr 2035 will die Stadt Bietigheim-Bissingen klimaneutral sein. In der jüngsten Gemeinderatssitzung stellte die Verwaltung einen Sachstandsbericht zum städtischen Klimaaktionsplan vor und brachte neue Maßnahmen und Projekte auf den Weg. Ein Überblick:

Bereits beim Personal ergibt sich der erste Dämpfer. So hat der bisherige Klimaschutzmanager der Stadt diese Mitte April verlassen. Die Stelle des Klimaschutzmanagers ist daher derzeit unbesetzt und wird ausgeschrieben, wie Baubürgermeister Michael Wolf ausführte.

Zur Unterstützung des kommunalen Klimaschutzmanagements lassen sich derzeit mehrere ehrenamtliche Klimaschutzpaten ausbilden, wie aus der Gemeinderatsvorlage hervorgeht. Erste Ideen, wie die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft und die Durchführung eines Klima-Kinos, seien aktuell in Bearbeitung.

Klimaneutralitätskonzept kommt

Im Rahmen des European Energy Awards (die BZ berichtete) wurde ein Energiepolitisches Arbeitsprogramm (EPAP) erstellt. Dieses konkretisiert die energie- und klimapolitischen Vorhaben der Verwaltung und soll als Instrument für die kommenden Jahre dienen. Insgesamt umfasst das EPAP 67 Maßnahmen, von denen zwölf bereits in Umsetzung sind. Unter anderem sieht das EPAP die Umstellung städtischer Fahrzeuge auf Elektro-Fahrzeuge, eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen in Wohngebieten oder die Umstellung aller städtischen Gebäude auf Ökostrom vor.

Seit März dieses Jahres arbeitet die Stadtverwaltung mit der Energieagentur Kreis Ludwigsburg (Lea) an einem Klimaneutralitätskonzept. Darin sollen kurz-, mittel- und langfristig geplante Maßnahmen mit Potenzial zur Treibhausgaseinsparung beschrieben, bilanziert und priorisiert werden. Erste Ergebnisse werden voraussichtlich im dritten Quartal 2024 vorliegen, heißt es in der Vorlage.

Im Bereich der kommunalen Wärmeplanung arbeitet die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken Bietigheim-Bissingen an der Umsetzung konkreter Maßnahmen. Dazu zählt ein Stromnetzcheck, der Aufschluss über den Zustand und Ausbaubedarf der Stromnetze gibt und dessen erste Ergebnisse bis Ende des Jahres vorliegen sollen. Auch eine Studie zur Erschließung des Potenzials für Sanierung und Effizienzsteigerung und eine Transformationsstudie für die Wärmenetze Buch und Kreuzäcker sind geplant sowie der Ausbau von Wärmenetzen und die Erschließung neuer regenerativer Energiequellen, unter anderem Flusswasserwärme und Freiflächen-Solarthermie. Die Gesamtleistung von Photovoltaik-Anlagen auf kommunalen Dächern liegt aktuell bei 660 Kilowatt Peak, im laufenden Jahr sind weitere Maßnahmen in einem Leistungsumfang von etwa 250 Kilowatt Peak vorgesehen. Zudem werden Freiflächen hinsichtlich ihrer Energiegewinnungspotenziale untersucht.

Das Hochbauamt hat indes mit dem Büro Eco2nomy einen Sanierungsfahrplan Hochbau erarbeitet, der den Sanierungsbedarf aller städtischen Gebäude erfasst. Der Fahrplan soll dem Gemeinderat in Kürze vorgestellt werden. Ein neues Instrument des Klimaschutzes soll der Klimacheck für Beschlussvorlagen sein. Künftig sollen Vorhaben und Projekte auf ihre Klimaauswirkungen untersucht werden, um diese in die Entscheidungsprozesse einbeziehen zu können. Die Einführung soll im Laufe des Jahres erfolgen.

Investitionen in Millionenhöhe

Im Jahr 2024 investiert die Stadt 750.000 Euro für den energetischen Unterhalt, Technik und Beleuchtung des Gebäudebestands, dazu kommen 1,3 Millionen Euro für die energetische Sanierung der Gymnasien sowie Planungsraten für Gebäude und die Wärmeplanung in Höhe von 500.000 Euro. Die Bietigheimer Wohnbau investierte 2023 5,2 Millionen, 2024 14 Millionen in die energetische Sanierung, hinzu kommt das „Green Building“ an der Stuttgarter Straße für 2,85 Millionen. Die Stadtwerke wiederum haben in den vergangenen drei Jahren fünf Millionen Euro in die Fernwärme investiert, für 2024 sind weitere zwei Millionen vorgesehen. Für den Ausbau der Glasfasernetze wurden drei Millionen ausgegeben, für Photovoltaik auf Dächern 1,6 Millionen, für E-Ladesäulen insgesamt 700.000 Euro, für die Energiezentrale Mitte 19 Millionen Euro. Für den ÖPNV wurden 1,1 Millionen für den barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen sowie zwei Millionen jährlich als Finanzierungsbedarf investiert. Die Planungsraten für den Fuß- und Radverkehr betragen 385.000 Euro. Für die Öffentlichkeitsarbeit im Klimaschutz sind 2024 85.000 Euro vorgesehen.

Jährlicher Klimaschutzpreis

Als neues Projekt ruft die Stadt einen jährlichen Klimaschutzpreis bis zum Zieljahr der Klimaneutralität ins Leben. Bewerben können sich Gruppen, Unternehmen und Privatpersonen aus Bietigheim-Bissingen mit Klimaschutzprojekten. Der Preis ist mit jährlich 2035 Euro dotiert.

Ines Brodbeck (SPD) begrüßte die Vorlage und äußerte ihre Hoffnung, die Position des Klimaschutzmanagers möge schnell wieder besetzt werden. Hans-Martin Sachs (Freie Wähler) sagte: „Der Klimaaktionsplan ist ein Schritt in eine nachhaltige Zukunft.“ Er zeige auf, wie die Stadt zum Klimaschutz beitrage und sei essenziell, um die Ziele zu erreichen. Simone Schmidt (GAL) lobte die Verwaltung für ihre Transparenz, kritisierte jedoch den Gemeinderat: „Wenn man vor ein paar Monaten noch den Lärmaktionsplan wegen ein paar Geschwindigkeitsbegrenzungen ablehnt, passt das nicht zu den aktuellen Äußerungen zum Klima.“

 
 
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