Bietigheim-Bissingen „Erste Anlaufstelle nach der Diagnose“

Von Petra Neset-Ruppert
Arne Jöns und Ralf Müller (rechts) vom BSVW sind auch in Bietigheim-Bissingen unterwegs. Foto: /Oliver Bürkle

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg bietet Menschen, die ihre Sehkraft verlieren unkomplizierte Hilfe. Der Bietigheimer Ralf Müller leitet die Bezirksgruppe Ludwigsburg. In Bietigheim-Bissingen organisiert er immer wieder Veranstaltungen für die Mitglieder.

Nachdem meine Trauerphase herum war, kam dann der Schritt zur Bezirksgruppe“, erinnert sich der Bietigheimer Ralf Müller. Trauer kam auf, als er vor mehr als zehn Jahren erblindete. Die Erkrankung Grüner Star führte zu einem starken Verlust des Sehsinns. Vor seiner Erkrankung war Müller als Kupferschmied tätig, doch mit nachlassendem Sehvermögen hatte er zahlreiche Arbeitsunfälle und erhielt eine Reha. „Da wurde dann geschaut, ob ich noch wirtschaftlich bin. Eine Umschulung war allerdings nicht möglich, da ich die Brailleschrift nicht schnell genug so gut lernen konnte, dass ich sie im Arbeitsalltag nutzen konnte“, erinnert sich Müller.

Von Betroffenen für Betroffene

Also machte er sich auf die Suche nach einer neuen Aufgabe und entdeckte online den Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg (BSVW), der auch eine Bezirksgruppe in Ludwigsburg hat. „Die Selbsthilfe von Betroffenen für Betroffene, das ist das, was mich angesprochen hat“, erzählt Müller. Dort lernte er Arne Jöns kennen, der damals der Leiter der Bezirksgruppe Ludwigsburg war und heute im Vorstand des Verbands tätig ist.

„Wir sind die erste Anlaufstelle nach der Diagnose des Augenarztes und versuchen den Menschen zu erklären, was auf sie zukommen wird“, erklärt Jöns. Das geschehe auf einer sehr persönlichen Ebene, auch indem man von den eigenen Erfahrungen spreche. „Die Menschen brauchen Zeit, um sich in diese Situation einzufinden. Das ist ganz individuell“, erklärt Müller. Deshalb sei der Austausch mit anderen so wichtig. Es gehe dabei um das Gefühl: „Du bist nicht allein.“

Früher hatten viele der Blinden und sehbehinderten Menschen von Geburt an diese Behinderung. Heutzutage verlieren die Menschen jedoch eher erst im Alter ihre Sehkraft, erklärt Jöns. In den Gesprächsangeboten des Verbands gehe es vor allem auch darum, klar zu machen, dass die Frage „Warum ich?“ einen nicht weiterbringe und man ein Bewusstsein schaffen müsse, dass es an der Krankheit und nicht an einem selbst liegt, weiß Ralf Müller.

Besondere Führungen

Der Bietigheimer ist auch in der Stadt aktiv und organisiert für die Ortsgruppe verschiedene Veranstaltungen. „Wir waren auch schon in der Städtischen Galerie unterwegs und haben eine Führung erhalten, bei der wir Kunst erfühlen durften“, erzählt Müller (die BZ berichtete). Auch Führungen durch die Altstadt gab es in der Bezirksgruppe bereits.

Für Müller ist die Stadt auf einem guten Weg beim Thema Inklusion, natürlich gehe immer noch mehr, aber es passiere stetig etwas. Über Infoveranstaltungen und Messestände, wie zum Beispiel bei der „Gesund Leben Messe“, möchte der Bietigheimer mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und ihnen die Angst nehmen. Häufig spreche er auch erst einmal mit Angehörigen, die dann helfen können den ersten Schritt zu gehen. So können Betroffene zum Beispiel ein Gespräch bei Blickpunkt Auge vereinbaren (jeden zweiten Freitag von 15.30 bis 18 Uhr) in Ludwigsburg. „Oder man kommt einfach mal ganz unverbindlich bei unserem Stammtisch vorbei. Das ist immer eine ganz entspannte Atmosphäre“, sagt Müller.

So habe auch Müller damals angefangen und mittlerweile habe er sich neben der Leitung der Bezirksgruppe Ludwigsburg auch auf das Thema Umwelt und Verkehr spezialisiert. Erst vor Kurzem nahm er an der Schulung der Busfahrer der Firma Spillmann teil (die BZ berichtete). „Wenn ich unterwegs bin und erkannt werde, sprechen mich die Leute auf ganz unterschiedliche Themen an“, so der ehemalige Kupferschmied. Er sei in regelmäßigem Austausch mit der Stadt und auch anderen Vereinen. Für Bietigheim-Bissingen würde er sich wünschen, dass ertastbare Pläne an wichtigen Orientierungspunkten wie zum Beispiel dem Rathaus oder dem Bahnhof aufgestellt werden. „Damit können nicht sehende Menschen sich tastend orientieren“, erklärt Müller. Die Barrierefreiheit im Kreis habe noch Luft nach oben, findet Müller. Doch das sei eben immer eine Entwicklung, die Zeit brauche.

BSVW Ludwigsburg

Die Bezirksgruppe Ludwigsburg des BSVW gibt es seit rund 70 Jahren und bietet niederschwellige Informationsangebote an. Jeden dritten Donnerstag gibt es einen Stammtisch in der Weinstube Klingel in Ludwigsburg, Eberhardstraße 9. Der nächste Stammtisch ist am 18. April, ab 17 Uhr statt. Auch beim Louis Braille Festival vom 3. bis 5. Mai in Stuttgart wird die Bezirksgruppe vor Ort sein.

 
 
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