Bietigheim-Bissingen Mit Kassetten bekannt werden

Von Jörg Palitzsch
Kassettendesign von Bands aus Bietigheim-Bissingen: Links das Cover von „Asparagus“ (1988), rechts das Cover der Kassette „From Under The Surface“ des Trios „The Crew“ (1989). Foto: Jörg Palitzsch

Die Musikkassette wird 60 Jahre alt. In den 1980er Jahren entdeckten Bands aus Bietigheim-Bissingen den Tonträger für sich.

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evor sich Anfang der 1990er-Jahre die CD massenhaft verbreitete, warben viele Bands aus Bietigheim-Bissingen mit Kassetten für ihre Musik. Verkauft wurden diese mit einer Laufzeit von 60, 90 und 120 Minuten Spielzeit bei Konzerten, unter anderem bei „Rock Around The Enz“ im Bissinger Liederkranzhaus, in der „Scheune“ in der Talstraße und im Eigenvertrieb. Dabei war der Tonträger zu diesem Zeitpunkt schon eingeführt, vor 60 Jahren revolutionierte Philips mit der Erfindung der Audiokassette die Art und Weise, wie Millionen von Menschen Musik konsumierten.

Mit Bleistift gedreht

In Bietigheim-Bissingen machten sich die Bands auf, mit sogenannten Demokassetten auf sich aufmerksam zu machen. Ein frühes Exemplar legte die Band Asparagus 1988 vor, auf der sich auf zwei Seiten vier Songs befanden. Auf dem Papiereinleger (Inlet) wurde darauf hingewiesen, dass die Spielzeiten auf beiden Seiten unterschiedlich seien. „Bitte bringen Sie darum die Kassette mittels Rücklauf an den Spielanfang“. Falls dieser Rücklauf nicht funktionierte, nahm man einen Bleistift zur Hand und drehte das Band zurück. Ein lockeres Band erzeugte eine leiernde Melodie. 1989 veröffentlichte die Bietigheimer Band „The Crew“ eine Kassette unter dem Titel „From Under The Surface“ mit einem bunten Coverdesign. Zu sehen ist das Indie-Trio auf einem bunten Bild mit seinen Instrumenten. Nach der Band-Umbenennung in „Paradox Indeed“ wurde unter diesem Namen eine weitere Kassette veröffentlicht.

Eingängiger Rock und ein ausgeprägter Harmoniegesang prägteden Sound der Band „Baby Lemonade“. Das Trio verschickte Anfang der 1990er-Jahre 30 Demokassetten, eine davon landete in einem Hamburger Studio, wo man Interesse an einem Produktionsvertrag signalisiere. Die Kassette „The Insides Of A Transquillizer“ hatte ihren Zweck erfüllt.

„Rauh, dreckig, direkt“

Die Kassetten-Auflagen machten sich also bezahlt, wie etwa bei der Band „Geröllheimers“. Ihr Demoband „rauh, dreckig, direkt“ wurde insgesamt 300 Mal produziert und verkaufte sich bei Konzerten 200 Mal.

Stark vertreten auf Musikkassetten waren ebenso die „Boyards“, die mit Synthesizern neue Akzente in der Bietigheimer Musikszene setzen. Ihre Demokassetten, 1988 „True Devotion“ und 1992 „Where The River Broke“, fanden auch bei Plattenfirmen Gehör. Zweimal wurde die Band zu Intercord nach Stuttgart eingeladen. Dort gab man den Musikern allerdings zu verstehen, dass man bereits Depeche Mode unter Vertrag hätte und man sich im eigenen Geschäft keine Konkurrenz aufbauen könnte.

Wie man auf der Klaviatur der Tonträger spielt, zeigten „Marshmallow Overdose“. Die Band entwickelte sich aus dem Trio „Tres Hombres“, die 1988 die Demokassette „Come On Burger, Get The Cheese“ einspielte. Nach der Erweiterung und Umbenennung legten „Marshmallow Overdose“ 1990 die Single „A Taste Of Mallows“ und zwei Jahre später eine live eingespielte Promokassette mit dem gleichen Titel vor. 1993 folgte schließlich die CD „Time Sweet“. Weitere Bands mit Kassetten waren unter anderem „Orange Crush“, die „Jersey Jam Company“, „Sour Mash“, „The Aend“, „Rebirth“, „Baphomet“ und „Ivanhoe“.

Kassetten als Werbemittel

So gab es Ende der 1980er-Jahre in Bietigheim-Bissingen viele Bands, die auf Demokassetten als Werbemittel setzten. Der größte Teil der Kassetten ist allerdings verschwunden, zum Teil achtlos weggeworfen.

Neben Vinyl wurden die Tonbänder schließlich Anfang der 1990er-Jahre durch den neuen Tonträger CD ersetzt.

 
 
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