Bietigheim-Bissingen und ihre Tochtergesellschaften Holding schreibt erstmals rote Zahlen

Von Heidi Vogelhuber
Das Rathaus in Bietigheim-Bissingen. Der Jahresabschluss der Städtischen Holding Bietigheim-Bissingen GmbH hat erstmals – nach 23 Jahren – ein negatives Ergebnis von Minus 589 000 Euro. Foto: Martin Kalb

Fast 600 000 Euro Minus weist der Jahresabschluss der Städtischen Holding Bietigheim-Bissingen auf. Schuld sind vor allem Verluste der Stadtwerke und des Busunternehmens Spillmann. Aber auch die Wohnbau wird künftig zu kämpfen haben. Die Stadt will den aktuellen Fehlbetrag ausgleichen.

Das Desaster fing während der Pandemie an“, leitete Bietigheim-Bissingens Oberbürgermeister Jürgen Kessing das Gespräch am Dienstagmorgen ein, zu dem die Stadt sowie ihre Tochtergesellschaften – die Bietigheimer Wohnbau (BW), die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen (SWBB) und der Omnibusverkehr Spillmann – geladen hatten.

Städtische Holding

Zum ersten Mal nach 23 Jahren ist der Jahresabschluss der Städtischen Holding Bietigheim-Bissingen, deren Geschäftsanteile zu 100 Prozent die Stadt hält, negativ. Zwar werden rund 3,9 Millionen Euro aus dem erzielten Jahresabschluss der BW sowie knapp 84 000 Euro von den SWBB an die Städtische Holding abgeführt, „die Gewinne können jedoch die Verluste der Tochterfirmen der Stadt nicht ausgleichen“, so OB Kessing, wodurch ein Minus von 589 000 Euro entsteht – ein Novum in der Unternehmensgeschichte.

Aufgrund der Finanzbeziehung zwischen Holding und Stadt könne das Minus ausgeglichen werden: „Die Holding hat uns geholfen, jetzt helfen wir der Holding“, sagte OB Kessing mit Blick auf die Entscheidung in der Gemeinderatssitzung nächste Woche, ehe er das Wort an die Geschäftsführer der Tochterfirmen übergab.

Bietigheimer Wohnbau

„Die Zukunft sieht nicht rosig aus“, sagte Carsten Schüler, Geschäftsführer der Bietigheimer Wohnbau . Und das, obwohl bei einem Gesamtumsatz von rund 79,3 Millionen Euro im Jahr 2022 ein Jahresüberschuss von rund 6,5 Millionen Euro erzielt wurde.

Die Einnahmen im vergangenen Jahr stammen vor allem aus Übergaben aus den Vorjahren, denn nur diese sind für das Jahresergebnis des Bauträgergeschäfts relevant. Verkäufe jedoch seien kaum zustande gekommen, was sich auf das Ergebnis 2023 und die Folgejahre auswirken dürfte.

„Der Immobilienmarkt stagniert“, sagte Schüler und verwies auf eine toxische Mischung aus hohen Baukosten (unter anderem durch gestiegene Materialpreise, aber auch Fachkräftemangel), hohen Zinsen und daraus resultierend weder Bauwilligen noch Kapitalanlegern.

Der Immobilienbau oder -kauf lohne sich unter den aktuellen Bedingungen einfach nicht. Der Neubauverkauf sei daher fast vollkommen zum Erliegen gekommen, so auch bei der BW, die sich auf „kleinere Baufelder konzentrieren“ wolle und „außerhalb Bietigheim-Bissingens keine großen Bauvorhaben mehr neu beginne“.

Konkret heißt das, dass etwa das Aurain-Carré „sukzessive bebaut“ werden soll, in sieben Abschnitten, um nicht zu viele Wohnungen zeitgleich auf den geschwächten Markt zu bringen. Die Fertigstellung sei trotzdem bis 2030 geplant. Auch der Zeitplan im Lothar-Späth-Carré soll eingehalten werden. „Wir sind gut aufgestellt und können trotzdem in Maßen sozialen Wohnungsbau betreiben“, kündigte Schüler an und verwies darauf, dass die Wohnbau mit ihren verschiedenen Geschäftsbereichen breit aufgestellt sei und somit „auch längere und schwere Phasen im Bauträgergeschäft gut überstehen“ könne. Mietwohnungen seien gefragt wie nie und auch aus den (Haus-)Verwaltungstätigkeiten generiere man Einnahmen.

Stadtwerke

„2022 war geprägt durch die Energiekrise“, sagte Richard Mastenbroek, Geschäftsführer der Stadtwerke. Vor allem die Preisschwankungen in der zweiten Jahreshälfte hätten es dem Unternehmen schwer gemacht.

Ende 2021/Anfang 2022 hätten einige Energieversorger die Belieferung eingestellt und Verträge gekündigt, was die Stadtwerke in eine schwierige Lage brachte, mussten sie doch unerwartet viele Kunden mit Energie versorgen. Um künftig agiler handeln zu können, setzen die SWBB nun auf eine neue Beschaffungsstrategie, um widerstandsfähiger gegenüber Schwankungen zu werden. Dabei werde vor allem auf erneuerbare Energien gesetzt sowie eine breitere Lieferantenbasis, um Abhängigkeiten zu minimieren.

Der Umsatz der Stadtwerke konnte 2022 trotzdem um 23,8 Prozent auf 139,98 Millionen Euro gesteigert werden. Dennoch konnte ein Verlust in Höhe von 2,2 Millionen Euro nicht verhindert werden, sagte Mastenbroek. Zum Vergleich: 2021 waren es 1,93 Millionen Euro Gewinn.

Spillmann

„Ein Verkehrsunternehmen unterliegt auf der Kostenseite anderen Marktbedingungen“, führte Bülent Meneske, Geschäftsführer von Spillmann aus. Preise und Einnahmen würden politisch geregelt. Vor allem kritisierte Menekse, dass 2009 das System geändert wurde. Das aktuelle Finanzierungssystem fuße auf einer linearen Kostenentwicklung. Zuvor habe man mit einem Vorschuss zu Jahresbeginn vom Aufgabenträger, dem Landkreis Ludwigsburg sowie dem Land Baden-Württemberg, gearbeitet, zum Jahresende sei dann die Spitzabrechnung erfolgt.

Seit 2009 starte man aber mit einem Defizit und gleiche zum Jahresende aus, was jedoch im Zuge von Corona und den ausbleibenden Einnahmen sowie um 65 Prozent gestiegenen Dieselkosten und Personalkostensteigerungen von 8,6 Prozent nicht mehr funktioniere, da die Nachzahlungen nicht mehr ins Bilanzjahr 2022 einfließen konnten.

2022 erfolgte ein Verlust von rund 1,76 Millionen Euro. „Wir fordern, zum alten System zurückzukehren, um nicht in solche Liquiditätsengpässe zu kommen“, so Menekse.

 
 
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