Eine „Aufbruchstimmung und eine breite Mobilisierung der Bevölkerung“ will Stefan Ranzinger von der Bürgerinitiative „Bietigheim-Bissingen klimaneutral“ erzeugen, damit die Stadt es schafft, das selbst gesteckte Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, zu erreichen. Dazu soll ein Einwohnerantrag für ein städtisches Förderprogramm zur Anschubfinanzierung von Balkonkraftwerken den nötigen Impuls geben. Am Dienstagabend übergaben die Initiatoren eine Unterschriftenliste im Rathaus an Oberbürgermeister Jürgen Kessing.
Bietigheim-Bissingen Wunsch nach mehr Strom vom Balkon
Die Klima-Initiative hat über 700 Unterschriften für ein städtisches Förderprogramm im Rathaus übergeben. Die Stadt plädiert weiter auf eine Ablehnung der Subvention.
Finanzielle Anreize
Gefordert wird in dem Antrag Folgendes: „Die Stadt Bietigheim-Bissingen soll den Ausbau von privaten Photovoltaik-Anlagen auf dem Stadtgebiet fördern. Dazu schafft sie finanzielle Anreize zur Stromgewinnung durch Sonnenenergie mittels Balkonkraftwerken (Steckersolargeräten). Dies soll durch ein städtisches Förderprogramm für 1000 Balkonkraftwerke in den Jahren 2024 bis 2026 geschehen, bei dem für Anschaffung und Betrieb ein städtischer Zuschuss in Höhe von 250 Euro je Balkonkraftwerk gegeben wird.“ Die Stadt solle für diese Maßnahme flankierend eine Öffentlichkeitskampagne durchführen und jährlich über die Entwicklung des Förderprogramms berichten, heißt es weiter.
Das Mittel des Einwohnerantrags nach Paragraf 20b der Gemeindeordnung, mit dem erreicht werden soll, dass der Gemeinderat über dieses Thema berät, ist ein Novum in der Stadt. Es war als ein Instrument zur Stärkung der direkten Demokratie in Baden-Württemberg erst 2015 von der damaligen grün-roten Landesregierung eingeführt worden. Der Einwohnerantrag löste den vorherigen Bürgerantrag ab und ist dadurch gekennzeichnet, dass das nötige Quorum gesenkt und der Personenkreis, der den Einwohnerantrag stellen kann, ausgeweitet wurde (etwa auf 16- und 17-Jährige sowie Nicht-EU-Ausländer).
Quorum von 1,5 Prozent
Im Fall von Bietigheim-Bissingen beträgt das erforderliche Quorum 1,5 Prozent der unterschriftsberechtigen Personen, was am Stichtag 1. Februar 2024 einer Anzahl von 560 Menschen entspricht. Die von der Bürgerinitiative durchgeführte Unterschriftensammlung verlief laut Stefan Ranzinger innerhalb von circa drei Wochen so erfolgreich, dass 727 Menschen aus Bietigheim-Bissingen – und damit mehr als nötig – unterschrieben haben.
Die Gemeindeordnung sieht vor, dass innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einreichung des Einwohnerantrags das Thema in einer öffentlichen Sitzung behandelt werden muss und die Vertrauensleute der Initiative – Stefan Ranzinger und Steffen Becker – anzuhören sind. Die Initiative wünscht sich nun eine Einladung zur Gemeinderatssitzung im April, damit die Stadträte noch in der laufenden Amtszeit einen Beschluss fassen können.
Im Dezember vertagt
Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt, wollte sich auf BZ-Anfrage nicht auf einen konkreten Zeitpunkt festlegen. Der Termin, an dem das Thema behandelt wird, werde nach Vorlage des Einwohnerantrags und dessen Prüfung mit dem Gemeinderat abgestimmt.
Das Thema Balkonkraftwerke stand wie berichtet bereits im Dezember vergangenen Jahres auf der Tagesordnung des Gremiums, Bezug nehmend auf einen Antrag der SPD, die sich ebenfalls für ein Förderprogramm für Balkonkraftwerke ausspricht, und einen Antrag der CDU, die sich für eine Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden stark macht. Die Verwaltung hatte sich damals dagegen ausgesprochen, ein städtisches Förderprogramm aufzulegen. Dies war damit begründet worden, dass ein solches Programm eher zu Mitnahmeeffekten führen würde als eine Impulswirkung zu entfalten. Zwar könne durch eine zusätzliche städtische Förderung für Photovoltaik-Anlagen oder Balkonkraftwerke eine gewisse Erhöhung der Anschaffungsquote erreicht werden, so die Argumentation der Verwaltung, jedoch werde dieser Effekt vergleichsweise gering und für den Klimaschutz nicht erheblich sein. Zudem gehe in Verbindung mit weiteren Förderprogrammen ein nicht zu unterschätzender personeller Mehraufwand einher.
Zu einer Abstimmung war es im Dezember dann aber nicht gekommen, weil Oberbürgermeister Jürgen Kessing das Thema von der Tagesordnung genommen hatte. Hintergrund war eine Beschwerde der Bürgerinitiative gewesen, die moniert hatte, dass die Entscheidung angesichts der damals noch laufenden Unterschriftensammlung für den Einwohnerantrag fallen sollte, was diese obsolet gemacht hätte.
Baustein für Energiewende
An der ablehnenden Haltung der Verwaltung hat sich laut Hochmuth aber auch nach Einreichung der Unterschriften nichts geändert. Derzeit sei dies die Auffassung der Verwaltung, „vorbehaltlich weiterer Beratungen mit dem Gemeinderat“, so die Sprecherin gegenüber der BZ. Ranzinger argumentiert hingegen damit, dass das Förderprogramm nicht nur ein Baustein für die Energiewende sein solle, sondern auch ein Marketinginstrument für Klimaschutz. „Denn wir müssen noch viel mehr Klima-Kommunikation betreiben“, sagt der Schulleiter des Beruflichen Schulzentrums. Als Alternative zum Einwohnerantrag steht außerdem noch ein geänderter Antrag der SPD zum gleichen Thema im Raum. Darin sprechen sich die Sozialdemokraten für eine Förderung von 100 Euro pro Balkonkraftwerk mit einer Mindestleistung von 600 Watt aus. Die Fördersumme solle auf 20 000 Euro limitiert werden, so der SPD-Vorschlag.