Bönnigheim Wie ein herrschaftliches Haus zum Schnapsmuseum wurde

Von Helena Hadzic
Kurt Sartorius zeigt auf das Fenster, das im Steinhaus verbaut wurde. Dieses wurde durch die drei gotischen Fenster ersetzt, die nachkonstruiert wurden. Foto: /Oliver Bürkle

Bis ins Jahr 1296 reicht die Geschichte des Bönnigheimer Steinhauses zurück – ein Rückblick auf vergangene Tage.

Das älteste Gebäude Bönnigheims befindet sich im Meiereihof: das Steinhaus. Allein diese Tatsache mache das Bauwerk bereits so besonders, findet Kurt Sartorius, der erste Vorsitzende der historischen Gesellschaft Bönnigheim sowie Leiter des Schwäbischen Schnapsmuseums, welches 1993 in das alte Gemäuer einziehen durfte. Gerade der Wandel der Nutzung spiegle das Potenzial des Massivbaus sowie den historisch wertvollen Charakter wider, und zwar „von einem herrschaftlichen Anwesen, über ein einfaches Bauernhaus bis zu einem Schnapsmuseum“, betont Sartorius.

Alles begann im 13. Jahrhundert

Begonnen hat die Geschichte vor fast einem Jahrtausend, nämlich im Jahr 1296, als das Steinhaus auf noch älteren Grundmauern errichtet wurde. „Angedacht war es als Palas einer Burg, in dem eine Familie wohnen sollte“, erklärt der Steinhaus-Experte. Und dabei sollte es sich nicht um ein gewöhnliches Wohnhaus handeln. Das Steinhaus hat insgesamt vier Stockwerke. Läuft man im ersten Stock durch die Räume, begegnen einem neben mehreren originalen Fenstern im Flur des Hauses auch drei gotische Fenster, die mit ihren Bögen an eine Kirche erinnern, wie Sartorius bemerkt. Und zwar exakt an der Stelle, wo sich einst eine Toilette befand. Würde man hier allerdings annehmen, es handle sich um Originale, läge man grundlegend falsch. „Wir haben eine Zeichnung gefunden, die die ursprüngliche Bauweise zeigt, und das Denkmalamt hat genehmigt, dass man diese nachbaut“, sagt der Bönnigheimer. Das einstige viereckig verbaute Fenster, welches an der Stelle prangte, wird gegenüber der gotischen Bögen an der Wand aufbewahrt.

Die Bögen allerdings, die danach konstruiert wurden, zeigten, dass es sich um ein herrschaftliches Gebäude gehandelt haben muss – die Familie hingegen, die einziehen sollte, habe niemals einen Fuß in das Haus gesetzt. „Vermutlich sind sie vorher weggezogen“, meint Sartorius. Die zwei Kamine des Gebäudes wurden jedenfalls niemals benutzt.

Holzwerk wird 1350 erneuert

Danach diente das Bauwerk mindestens 200 Jahre als Lagerstätte, im Jahr 1350 wurde das Holzwerk des Gebäudes erneuert, allerdings mit dem ursprünglichen Material. In dieser Zeit entstand auch der imposante Gewölbekeller, der vorher ein gewöhnlicher Keller mit Balkendecke war. Früher wurden dort verschiedene Nahrungsmittel gelagert – unter anderem Brot. An der Decke des Gewölbekellers hängt immer noch die sogenannte „Brothange“, wo die Brotlaibe aufbewahrt wurden. „So konnten die Mäuse nicht an das Brot kommen“, sagt Sartorius lachend. Heute wird der Keller als Seminarraum genutzt.

1435 kam es zum nächsten Umbau des Gebäudes, denn die Kelter wurde neben dem Steinhaus am Ostgiebel angebaut, erklärt der Vorsitzende. 300 Jahre später kam das Steinhaus in den Besitz der Herrschaft Württemberg, bevor es 1822 von einem Stuttgarter Kaufmann, Christian Eckardt, aufgekauft wurde. Im Jahr 1860 konnte der Fabrikant Emmanuel Böhringer aus Stuttgart das Gebäude ergattern, nutzte es aber lediglich als Kapitalanlage. Nur 19 Jahre später, im Jahr 1879, kaufte der Bönnigheimer Weingärtner Christian Waibler das Haus.

Danach wechselte das Steinhaus noch ein paar Mal den Besitzer. Zwischendurch wohnte auch eine türkische Familie bis 1988 im ersten Stockwerk zur Miete, bevor es im selbigen Jahr in den Besitz der Stadt Bönnigheim kam. Die Räumlichkeiten dienen heute als Schnapsmuseum. Aber auch aus der Mietzeit ist noch etwas erhalten geblieben. „Wir haben immer noch einzelne Utensilien der Familie hier ausgestellt“, sagt Sartorius, wie etwa den alten Wasserkessel der Familie. Ob es dort durch den Steinbau des Hauses im Winter kalt war? Darauf hat Sartorius einstens folgende Antwort bekommen: „Oh Bub, im Sommer ischs angenehm kühl – und im Winter auch.“

Und heute?

Heute ist das Steinhaus mit dem Durchbruch zur Kelter, der die Gebäude miteinander verbindet, ein Gebäudekomplex von sechs Stockwerken mit einem im Jahr 2011 eingebauten Aufzug. Mit dem Durchbruch wurden zwei Fluchtwege geschaffen, „sonst hätten wir das Museum schließen müssen“, so der Vorsitzende. Der historische Charakter allerdings ist geblieben, das war Sartorius wichtig. Auf dem Dachboden etwa oder in der „Abstinenzlerkammer“ wurden die ursprünglichen Ziegelplatten nachträglich neu verlegt. Im ersten Stockwerk, wo die frühere Mietwohnung war, sind verschiedene Schnapskessel und historisches Zubehör ausgestellt. Im Erdgeschoss, der früheren Scheune mit Futterkammer, wird heute die Entwicklung der Installationstechnik des Museums gezeigt.

In der ehemaligen Küche findet sich übrigens die Nachkonstruktion einer winzigen Toilette mit schmaler Tür. Wenn man den Deckel hebt, sagt eine Stimme: „Deckel drauf, es stinkt“. „Geschichte kann also auch lustig sein“, so Sartorius.

 
 
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