Bönnigheimer Hilfsprojekt 30 Jahre Hilfe für Vietnam

Von Susanne Yvette Walter
Rosemarie Höhn-Mizo (Zweite von rechts) bei Ihrem jüngsten Besuch in der Schneidereiklasse im Dorf der Freundschaft in Vietnam. Foto: /Mizo

Rosemarie Höhn-Mizo aus Hofen setzt das Lebenswerk ihres Mannes George Mizo fort und leitet seit 1993 ein Hilfsprojekt in Vietnam.

Sei 30 Jahren lebt und entwickelt sich in Vietnam ein einzigartiges Hilfsprojekt, das „Dorf der Freundschaft“. Es hat seine Wurzeln in Bönnigheim-Hofen bei der Familie Mizo.

Was war der Auslöser, das Dorf der Freundschaft in Vietnam vor 30 Jahren zu gründen?

ROSEMARIE HÖHN-MIZO: Mein Mann war US-Amerikaner und Soldat im Vietnam-Krieg. Früh hat er gemerkt, wie grausam und sinnlos dieser Krieg ist. Nach der dritten Verwundung wurde er ausgeflogen in die USA und wollte von da an, zu Frieden und Versöhnung beitragen. Ende der 1960er-Jahre gab es noch keine diplomatischen Beziehungen zu Vietnam, dafür das Wirtschaftsembargo, Sanktionen und kaum Kontaktmöglichkeiten. 1988 ist mein Mann zum ersten Mal nach Vietnam zurückgekehrt mit dem Wunsch nach einem Friedens- und Versöhnungsprojekt. Die vietnamesische Regierung hat uns damals die ehemaligen vietnamesischen Soldaten zur Seite gestellt. So haben die früheren Feinde miteinander gearbeitet und dieses Projekt gestartet. Im Wohnzimmer bei uns daheim in Hofen haben wir, wie es sich gehört in Deutschland, einen Verein gegründet und der wird nun 30 Jahre alt.

Wie hat sich das Dorf der Freundschaft in drei Jahrzehnten entwickelt?

HÖHN-MIZO: Wir sind heute verzahnt mit anderen Hilfsprojekten und der vietnamesischen Regierung. Inzwischen ist das eine große Einrichtung nahe der Hauptstadt Hanoi. Das Dorf der Freundschaft nimmt zeitweise bis zu 120 Kinder mit Beeinträchtigungen als Spätfolge dieses Gifteinsatzes der Amerikaner auf, und Kriegsveteranen. Sie werden dort medizinisch und therapeutisch betreut.

Wie genau entstand das Dorf der Freundschaft?

Am Anfang hatten wir nicht viel mehr als eine gute Idee und ein Reisfeld – ein Geschenk der vietnamesischen Regierung. Dann haben wir erst einmal Spenden sammeln müssen, um überhaupt anfangen zu können zubauen. Wir suchten Kontakt zu Kriegsveteranen , die mit Vietnam zu tun hatten, Japaner und Franzosen, die Vietnam kolonisiert hatten. Später haben wir eine internationale Unterstützergruppe ins Leben gerufen, die das Dorf der Freundschaft auf den Weg gebracht hat. Trotzdem hat es sechs Jahre gedauert bis auf dem ehemaligen Reisfeld ein paar Häuser standen. Die ersten Kinder mit Behinderungen sind 1998 eingezogen. Von da an wurden auch Kriegsveteranen betreut. Heute gibt es familienähnliche Wohngruppen für Kinder mit Behinderungen, die Hausmüttern betreuen, eine Schule mit sechs sonderpädagogischen Klassen, Ausbildungsklassen für die Schneiderei für die Stickerei, eine Computerklasse, eine Klasse, die vietnamesische Seidenblumen herstellt und eine Weberei. Man kann eine Friseurausbildung machen. Es gibt ein Therapiezentrum und Physiotherapie.

Wer leitet das Dorf der Freundschaft heute?

Wir haben 60 vietnamesische Mitarbeiter, die vom Staat angestellt sind. Die Arbeit vor Ort leisten komplett Menschen aus Vietnam. Wir als deutscher Verein unterstützen die laufenden Kosten und spezielle Projekte, zum Beispiel wenn, wie jetzt, die Physiotherapie Material braucht für die Förderung der Feinmotorik. Wir sind 65 Mitglieder im Verein, arbeiten ehrenamtlich und haben eine kleine Vorstandsgruppe von acht Leuten und eine Handvoll Aktive drum herum. Für unser Projekt werden hier Flohmärkte abgehalten. Ein Flötenensemble aus Besigheim hat für uns Konzerte gegeben. Das Schillergymnasium in Marbach gibt Kleinkunstabende für das Dorf der Freundschaft. Zweimal im Jahr verschicken wir einen Rundbrief, der über unsere Arbeit informiert.

Auf diesen Wegen kommen viele kleine Einzelspenden von treuen Spendern. Große Sponsoren haben wir nicht. Wir wollen mit unseren treuen Spendern das 30-jährige Bestehen des Vereins entsprechend feiern.

Wie feiern Sie das 30-jährige Bestehen des Vereins?

Wir laden unsere Mitglieder für heute abend ins Gemeindezentrum Franziskushaus in Großsachsenheim ein, wo vorher auch unsere Mitgliederversammlung stattfindet. Wir wollen mit Bildern eine Zeitreise durch 30 Jahre Vietnam und durch das Dorf der Freundschaft machen und schauen, was sich verändert hat. Es gab große Entwicklungen und man kann sehen, was man miteinander bewegt und erlebt hat in all diesen Jahren.

Was für einen Bezug haben die Mitglieder zu Vietnam?

Viele begleiteten uns seit langem. Früher haben mein Mann und ich einen Tag fürs Diakonische Werk zum Thema Krieg und Frieden gestaltet. Auch aus dieser Zeit gibt es noch Kontakte.

Frau Höhn-Mizo, Sie kommen gerade aus Vietnam. Besuchen Sie das Land regelmäßig?

Wir sind normalerweise alle zwei Jahre in Vietnam und treffen uns mit Partnern vor Ort und den Unterstützergruppen aus anderen Ländern, um Abrechnungen durchzusprechen für den Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht. Und wir planen miteinander die nächsten zwei Jahre. Durch Corona konnten wir fünf Jahre nicht nach Vietnam reisen. Jetzt waren wir zum ersten Mal wieder dort.

Wie ist es für Sie nach Vietnam zu kommen?

Das ist so schön. Wir haben große gemeinsame Feste und Treffen mit tollen Darbietungen der Kinder aus dem Dorf der Freundschaft. Dieses Mal haben sie eine Modenschau auf die Beine gestellt.

Welche Kinder kommen ins Dorf der Freundschaft?

Sehr unterschiedliche Kinder, teils mit geistiger, teils mit körperlicher Behinderung, Gehörlose und Blinde. Fast alle haben Eltern, die oft mehrere Kinder mit Behinderungen haben. Sie sind einige Zeit im Dorf der Freundschaft für ihre schulische und berufliche Bildung und gehen dann zurück zu den Familien. Im Anschluss haben wir Projekte, die die Integration in den Heimatdörfern unterstützen. Es gibt Startfinanzierungen, die das internationale Komitee für Hühner- und Krabbenzucht trägt. Das sind oft ländlich lebende Menschen und mit Hilfe können diese Familien mit behinderten Kindern Existenzen gründen.

Wie gelangen Spenden ins Dorf der Freundschaft und was haben sie bewirkt?

Was wir an Spenden bekommen geht direkt nach Vietnam. Es war viel Kleinarbeit über viele Jahre, die zeigt, was einzelne bewegen können, wenn man entschlossen ist, etwas zu ändern. Das Dorf der Freundschaft gibt denen eine Plattform, die einen Schritt in Richtung Frieden und Versöhnung machen wollen. Heute gibt es dort einen kleinen Laden, wo man das verkauft, was selbst hergestellt wird. Der Erlös geht auf das Konto der Kinder, und die können ihre Familien unterstützen.

 
 
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