Der Verein Silberdistel kümmert sich um Opfer sexuellen Missbrauchs Kindesmissbrauch: Corona bringt mehr Fälle zutage

Von Gabriele Szczegulski
Die Beratungsstelle des Vereins Silberdistel hilft Opfern von sexuellen Übergriffen⇥ Foto: dpa

In der Beratungsstelle des Vereins Silberdistel für sexuellen Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen nimmt die Anzahl der Fälle stetig zu.

Auffällig sei, so Sozialpädagogin Elke Karle,  dass in der Beratungsstelle Silberdistel im Vergleich zum ersten Quartal 2020 in diesem Jahr ein starker Anstieg der Fälle zu verzeichnen ist. Der Verein Silberdistel ist Träger der Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch bei Kindern. „Aber: Das heißt nicht zwangsläufig, dass mehr Kinder im Lockdown missbraucht wurden, sondern – und das ist positiv – es haben mehr Kinder davon erzählt“, so Karle, die seit 2007 bei Silberdistel ist.

Im Lockdown, so Karle, haben Eltern im Homeoffice oder Ansprechpartner in der Notbetreuung mehr Zeit für ihre Kinder gehabt. „Es entstanden vertrauliche Gespräche, weil die Bezugspersonen besser zuhörten, und da kamen Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch oder sexuellen Grenzerlebnissen zum Beispiel durch Mitschüler und in sozialen Medien zutage“, sagt sie. Das sei ein positiver Effekt, da die Opfer sich oft nicht trauten, von einem missbräuchlichen Erlebnis zu berichten, und somit auch keine Hilfe bekommen, um ihr Trauma verarbeiten zu können. „Sie erzählten einfach, weil ihnen jemand zuhörte und aufmerksam war, was unter  „normalen“ Bedingungen im Alltag oft schwer ist. Und dann suchen die Erwachsenen die Beratung bei uns“, sagt sie.

Ob der tatsächliche Missbrauch während des Lockdowns anstieg, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, da die Betroffenen meist einige Zeit brauchten, um sich zu offenbaren. „Was wir aber merken, ist, dass die Kinder, die bei uns in der Beratung sind und auf einem guten stabilen Weg waren, oft in depressive Phasen verfielen, weil sie von ihrem sozialen Umfeld abgeschnitten waren“, sagt Karle.

„Zudem hatten viele Kinder im Lockdown ein Aha-Erlebnis. Sie merkten, ich muss Ostern gar nicht zum Onkel, der mich immer berühren will, vielleicht kann ich auch sagen, dass ich in Zukunft da nicht mehr hin will und warum“, so Elke Karle.

Zugenommen aber, so Karle, habe in den letzten Jahren und auch in der Pandemie die Gefahr durch die sozialen Medien. „Das ist etwas, was wir schon lange beobachten, dass Missbrauchsabbildungen im Netz immer mehr werden oder aber auch die Fotos von Klassenkameraden von einem Schüler beispielsweise aus der Toilette.“  Vor allem, da in der Pandemie die sozialen Medien oft die einzige Kontaktmöglichkeit unter Kinder und Jugendlichen seien und diese Missbräuche oft geheimgehalten werden können.

Um solche Grenzverletzungen zu vermeiden, so Karle, seien strukturelle Maßnahmen, die eine nachhaltige Veränderung bewirken sollen  – hin zu einem besseren Schutz für Kinder und Jugendliche – in den Aufgaben der Beratungsstelle immer mehr geworden. Oft litten die Kinder neben den Missbrauchserfahrungen daran, dass ihnen nicht geglaubt wird beziehungsweise an den Konflikten, die aus der Offenlegung entstehen. Dehalb hat Silberdistel Projekte und Fördermaßnahmen für Kindertagesstätten und Schulen, in denen vor allem die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geschult werden, Missbrauch zu erkennen, und Strukturen in der eigenen Einrichtung zu schaffen, um schnell reagieren zu können.

 
 
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