Derby SGV Freiberg - 08 Bissingen Freche Nullachter bringen Spitzenreiter ins Wanken

Von Andreas Eberle
Riccardo Gorgoglione machte über den rechten Bissinger Flügel mächtig Dampf und versucht sich hier beim Kopfball. Freibergs Innenverteidiger Azur Velagic (links) kommt einen Schritt zu spät. Der frühere 08-Torjäger Konstantinos Markopoulos beobachtet das Luftduell aus nächster Nähe.⇥ Foto: Martin Kalb

Der FSV 08 Bietigheim-Bissingen knöpft dem SGV Freiberg im Oberliga-Derby ein 0:0 ab – und leistet den Stuttgarter Kickers Schützenhilfe im Titelkampf. Von Andreas Eberle

In der vierten Minute der Nachspielzeit ging es bei der letzten Aktion um die berühmten Zentimeter: Freibergs Christian Mauersberger schoss den Ball aus spitzem Winkel an den Pfosten und eben nicht ins Netz. Damit blieb’s bei der Nullnummer im Oberliga-Prestigeduell zwischen dem SGV Freiberg und dem FSV 08 Bietigheim-Bissingen. Der Aufstiegsfavorit vom Wasen büßte seinen Zwei-Punkte-Vorsprung auf den siegreichen Verfolger Stuttgarter Kickers (3:0 gegen Absteiger FV Lörrach-Brombach) ein. Beide Aufstiegsfavoriten führen die Tabelle drei Spieltage vor dem Saisonende nun mit 82 Zählern an, wobei Freiberg immerhin noch über das um 16 Treffer bessere Torverhältnis verfügt. „Am Status quo hat sich nichts geändert. Jetzt brauchen wir eben drei Siege aus den letzten drei Spielen“, sagte SGV-Trainer Ramon Gehrmann.

Nur drei Freiberger mit Normalform

Die Leistung seiner Elf am Samstag war freilich alles andere als titelreif. Entsprechend unverdient wäre ein Last-Minute-Sieg gewesen. Ideenlos, pomadig und seltsam emotionslos traten die Hausherren vor den 600 Zuschauern im Wasenstadion auf. Ballverluste und Ungenauigkeiten prägten den Freiberger Auftritt. Die Topstürmer Marco Grüttner und Marcel Sökler waren völlig abgemeldet, auch alle Standards verpufften. „Ich kann nur drei Spieler aufzählen, die heute Normalform hatten. Alle anderen waren schlecht“, fand Gehrmann deutliche Worte und sprach von der „spielerisch schlechtesten Leistung“ seit seiner Rückkehr an den Wasen Mitte April.

Die Fußball- und Gefühlswelt von 08-Coach Markus Lang war hingegen in bester Ordnung. Denn seine Schützlinge boten das Kontrastprogramm zum SGV – und dem Favoriten nicht nur die Stirn, sondern waren sogar in allen Belangen besser als der Spitzenreiter. Nach dem 2:1-Coup bei den Stuttgarter Kickers zwei Wochen zuvor stellten die Bruchwald-Kicker nun auch dem zweiten Meisterschaftsanwärter ein Bein. „Ich habe vermutet, dass meine Jungs im Derby wieder gut funktionieren. Denn in solchen Spielen gegen starke Gegner liefern sie einfach“, frohlockte Lang.

Youngster Tom Vahldiek im Tor

Dabei war der FSV 08 bei weitem nicht in Bestformation aufgelaufen. Die Torhüter Henning Bortel (krank) und Moritz Welz (Einblutung in der Hüfte) fehlten ebenso wie die verletzten Defensivkräfte Tim Reich, Duc Thanh Ngo und Pierre Williams sowie die Angreifer Marius Kunde und Pascal Hemmerich. Wie schon beim 1:1 gegen Walldorf II bewachte Eigengewächs Tom Vahldiek, die etatmäßige Nummer drei, das Gehäuse. Bis auf einen Patzer in der Anfangsphase, als er Grüttner die Kugel in den Fuß spielte, verriet der 19-Jährige keine Schwächen. Und in der besagten Situation hatte er auch das Glück des Tüchtigen: Der designierte Oberliga- Torschützenkönig setzte seinen Heber zu hoch an und über die Latte. Darüber hinaus hatte der SGV vorne nur noch zwei Pfostentreffer von seinem besten Feldspieler Mauersberger zu bieten – einmal per Kopf (25.), einmal per Fuß (90.+4).

Die Nullachter gingen aggressiv zur Sache, wirkten spritziger, strotzten vor Spielfreude und schalteten bei Ballgewinnen stets blitzschnell um. So wie in der fünften Minute, als Riccardo Gorgoglione mit einem Querpass Roman Kasiar bediente. Dessen Schuss parierte Freibergs Keeper Sven Burkhardt mit einer Fußabwehr. Bei der zweiten Riesenchance der Gäste wäre der künftige Bietigheim-Bissinger allerdings machtlos gewesen: Anil Sarak nahm Moritz Hailes Ecke direkt und jagte den Ball um Zentimeter neben das Gehäuse (15.).

Gorgoglione wirbelt über rechts

Der gefährlichste Kicker im gelben 08-Dress war aber Gorgoglione. Der 29-Jährige sorgte auf dem rechten Flügel mit seinen schnellen Vorstößen immer wieder für Gefahr. Nur im Abschluss haperte es bei ihm – etwa in der 50. Minute, als er freistehend aus acht Metern drüberschoss. Am Ende kam der SGV noch mal mit einem blauen Auge davon. „Das Unentschieden ist okay. Wenn wir hier drei Punkte geklaut hätten, hätte sich aber auch keiner beschweren dürfen“, sagte 08-Mittelfeldmann Yannick Toth und – wunderte sich über die blutleere Derbyvorstellung des Lokalrivalen: „Die Freiberger haben wohl gedacht, sie kommen hierher und hauen uns mit 4:0 weg. Das war zumindest mein Gefühl auf dem Platz.“

Stimmen zum Spiel

Ramon Gehrmann, Trainer des SGV Freiberg: Nach dem Spielverlauf war es für uns ein gewonnener Punkt. Insgesamt waren wir heute nicht zwingend genug und viel zu ungenau im Passspiel – und zwar von der ersten Minute an. Auch die Spielerwechsel haben nicht groß gefruchtet. Es war ein 50:50-Spiel. Spielerisch war es die bisher schlechteste Leistung, seit ich wieder beim SGV bin. Ich will das aber nicht auf den Druck schieben. Wenn es für eine Mannschaft um nichts mehr geht, funktionieren einfache Dinge manchmal besser. Das hat man heute bei Bissingen gesehen.

Markus Lang, Coach des FSV 08 Bietigheim-Bissingen: Ich hätte das Spiel heute gern gewonnen und bin unzufrieden – weil ich uns über das gesamte Spiel als die bessere und aktivere Mannschaft gesehen habe. Wir haben mehr ins Spiel investiert und den fitteren Eindruck hinterlassen – obwohl wir unter Hobbybedingungen trainieren. Ich hatte den Eindruck, dass Freiberg die Luft ausgegangen ist und nicht ganz auf der Höhe war. Das wundert mich bei einer Mannschaft, die mitten im Titelkampf ist. Allein „Ricci“ (Riccardo Gorgoglione, Anm. d. Red.) hätte heute drei Tore machen müssen.

Yannick Toth, 08-Mittelfeldspieler und Co-Kapitän: Wir sind gegen die guten Teams immer auch besonders gut. Bei unseren Chancen hatten wir etwas Pech. In den 90 Minuten waren wir kämpferisch und läuferisch mindestens gleichwertig. Dabei haben wir auf dreimal Training reduziert, während der SGV sechsmal in der Woche trainiert. Diesmal haben wir den Stuttgarter Kickers einen kleinen Gefallen getan – so wie wir den Freibergern vor zwei Wochen mit unserem 2:1-Sieg in Degerloch einen Gefallen getan haben. Ich bin zufrieden mit unserer Leistung.

Sven Burkhardt, Freiberger Torhüter und ab Sommer wieder ein Nullachter: Ich stehe bis 30. Juni beim SGV unter Vertrag und gebe bis dahin alles für den Verein. Die Bissinger haben sich heute verdient einen Punkt geholt. Sie waren giftiger, aggressiver und williger. Wir waren nicht so im Spiel und im Flow wie üblich. Am Ende müssen wir froh sein, dass wir ein Unentschieden erreicht und damit unsere Tabellenführung behauptet haben. Das Derby haken wir jetzt schnell ab. Ab Montag geben wir wieder Vollgas. In Göppingen wollen wir es am nächsten Samstag wieder besser machen.

 
 
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