Digitalisierung von Kommunalverwaltungen Das Problem ist der Föderalismus

Von Heidi Vogelhuber
Digitalisierung soll auch in den Kommunalverwaltungen im Kreis vorangetrieben werden. Eine einheitliche Digitalisierungsstrategie jedoch ist in Deutschland nicht absehbar, was gerade kleine Verwaltungen vor große Herausforderungen stellt. Foto: /dpa/Sebastian Gollnow

Gemeinsam mit der Hochschule für Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg macht sich die Gemeinde Kirchheim auf den Weg, für ihre Bürger und Bürgerinnen digitaler zu werden.

Kirchheim hat sich systematisch auf den digitalen Weg gemacht“, sagt Professorin Dr. Birgit Schenk im Gespräch mit der BZ. Sie lehrt seit 2011 im Bereich Verwaltungsmanagement/e-Government an der Hochschule für Verwaltung und Finanzen (HVF) in Ludwigsburg und arbeitet an einem Projekt, das seinesgleichen sucht. Geleitet wird es von Professorin Dr. Claudia Schneider, die seit 2009 an der HVF lehrt. Unter dem Titel „Zukunftsfähige Gemeindeverwaltung Kirchheim: bürgernah digitalisiert“ entstand 2021 über eine ehemalige HVF-Studentin, die zwischenzeitlich Mitarbeiterin in Kirchheim war, der Kontakt zwischen Gemeinde und Hochschule. „Vom Projekt profitieren drei Seiten: Kommune, Studierende und Hochschule“, so Schenk.

Zum Digitalisierungsprojekt

Kurz zusammengefasst, haben Studentinnen und Studenten der Hochschule den Status quo der Digitalisierung in Kirchheim unter Anleitung der Professorinnen erfasst – aus Perspektive der Bürger und des Verwaltungsteams. Durch interne Befragungen sowie Straßenumfragen wurde analysiert, was die Gemeinde bräuchte, um digital gut aufgestellt zu sein, was sich Mitarbeiter und Bürger wünschen. „Die Studierenden können auf diesem Weg lernen, wie man digitale Transformationsprozesse gestaltet“, so Schenk. Über eine Laufzeit von fünf Jahren sollen die verkrusteten Strukturen Stück für Stück erneuert werden.

„Digitalisierung ist mehr als nur ein Gerät hinzustellen“, sagt Kirchheims Bürgermeister Uwe Seibold. Übergänge müssten definiert und Abläufe vereinfacht werden, das sei schon mühsam. Unter anderem soll in Kirchheim ein Servicebereich gestaltet werden, an dem Bürger alles erledigen können. „Die Mitarbeiter wechseln, nicht der Bürger“, berichtet Seibold. „Das ist alles keine Hexerei“, aber es müsse neu verknüpft, strukturiert, optimiert werden.

Warum klappt’s nicht?

Was das Problem sei mit der Digitalisierung in deutschen Verwaltungen? „Jahrzehntelang wurde die Notwendigkeit, etwas zu verändern, nicht erkannt. Es hat ja funktioniert und man war stolz auf die deutsche Bürokratie“, sagt Schenk. So habe man aber wichtige und nötige Modernisierungsschritte verpasst. Und nun mache man sich mit Hinblick auf das Onlinezugangsgesetz (OZG) auf den Weg, jede Kommune für sich. Das Problem sei der Föderalismus, der störe, weil er alles verkompliziere. Bürger müssten sich immer wieder auf unterschiedlich gestaltete Online-Zugänge einstellen, weil jede Kommune ihren eigenen Weg suche. „Aber Daten kennen keinen Föderalismus“, so die Professorin. Sinnvoll wäre eine Bürgerakte, in der bestimmte Bereiche für die Ämter durch die Bürger freigeschaltet werden können.

Nicht serviceorientiert, eher Marketingseiten

Problematisch sei auch die Ausrichtung der Homepages der Kommunen: „Sie sind nicht serviceorientiert, es handelt sich eher um Marketingseiten.“ Ein weiteres Manko: Ausbildung und Lehrpläne sind nicht auf Digitalisierung ausgerichtet. „Das Know-how im IT-Bereich ist gering.“ Man habe in den Verwaltungen lange gedacht, dass man durch Digitalisierung Arbeitsplätze abbaue. „Ja, Arbeitsplätze können wegfallen. Dafür kommen aber andere, qualifizierte Stellen hinzu und in Zeiten des demografischen Wandels kann der Mitarbeiterbedarf momentan schon nicht mehr gedeckt werden“, sagt Schenk. Es bewege sich aktuell etwas, aber es gehe sehr langsam. „Wir hinken 20 bis 30 Jahre hinterher“, sagt die Expertin und hofft, dass die junge Generation das ändert. Singuläre Stellen aber wie „Digitalisierungsbeauftragte“ seien zum Scheitern verurteilt. Alle müssten an einem Strang ziehen.

Reaktion der 160 Rathaus-Mitarbeitenden

Das Kirchheimer Digitalisierungsprojekt jedenfalls sieht die Professorin positiv. „Die Studierenden können erleben, wie man Digitale Transformation aufsetzt und etwas ins Rollen bringt.“ Das sei angewandte Forschung. Auch Seibold ist zufrieden. Auch wenn die Reaktion der insgesamt 160 Rathaus-Mitarbeitenden (Seibold: „Verschont bleibt kein Mitarbeiter vor der Digitalisierung“) anfangs eher verhalten war, sei das Feedback mittlerweile positiv.

 
 
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