DLW-Areal in Bietigheim-Bissingen Die Städtische Galerie organisiert Führungen übers Fabrikgelände

Von Gabriele Szczegulski
Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger und Künstlerin Sara Focke-Levin (von links) haben eine atmosphärische Soundführung durch das fast leerstehende DLW-Gebäude kreiert. Foto: Werner Kuhnle

Anlässlich der Ausstellung „gestern:heute:morgen“ in der Städtischen Galerie finden Führungen im ehemaligen Bürogebäude und dem Fabrikgelände statt.

Der Fahrstuhl im ehemaligen DLW-Gebäude stammt aus dem Jahr 1927 und fährt immer noch, das Marmortreppenhaus glänzt, das Muster auf dem Linoleumfußboden im Foyer ist wie neu. Und doch ist das ehemalige Bürogebäude an der Stuttgarter Straße wie ausgestorben. Nur ein paar Büroräume sind vermietet, die kompletten beiden ersten Stockwerke stehen leer. Genauso wie auf dem DLW-Gelände die riesige Kantine, in der noch die Zubereitungsblöcke bereit stehen. Aus dem ehemaligen Kraftwerk kommt kein Strom mehr. Das alles sind Bereiche auf einem Gelände mitten in Bietigheim, die viele Bürger und Bürgerinnen noch nie gesehen haben und ehemalige DLW-Mitarbeiter schon lange nicht mehr.

Historischer Rundgang

Deswegen fand die Leiterin der Städtischen Galerie, Isabell Schenk-Weininger, es eine gute Idee, anlässlich der aktuellen Ausstellung „gestern:heute:morgen“, für die sich Künstlerin Sara Focke-Levin mit der Firma auseinandergesetzt hatte, Führungen zu arrangieren. Am Samstag, 8. Oktober, soll es sozusagen einen „DLW-Tag“ geben, an dem Interessierte das Gelände, auf dem das sogenannte „Bogenviertel“ entstehen soll, besuchen können.

Dr. Christoph Florian und Sonja Eisele vom Stadtarchiv Bietigheim werden auf einem historischen Rundgang namens „Wir arbeiten im Linoleum“ die Geschichte von DLW Revue passieren lassen. Denn Linoleum und Bietigheim gehörten lange Zeit untrennbar zusammen: Im Jahr 1899 siedelte sich der erste Betrieb in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs an und nahm die Produktion des modernen Bodenbelags aus Leinöl, Korkmehl und Jutegewebe auf. Die Deutschen Linoleumwerke expandierten rasch und waren jahrzehntelang der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Stadt. Dieses Gewerbe prägte nicht nur die Industriegeschichte Bietigheims, sondern mit dem Bau von Arbeitersiedlungen und Fabrikgebäuden auch die Stadtentwicklung.

2018 wurde der Produktionsstandort Bietigheim endgültig geschlossen. Seitdem laufen die Planungen für eine neue Nutzung des frei gewordenen Areals der Linoleumwerke – eine Fläche von mehr als elf Fußballfeldern. Für die meisten Bietigheimer sei das gesamte – zwischen B27 und Bahngleisen gelegene – sogenannte Bogenviertel ein weißer Fleck, betriebsfremde Personen durften das Gelände nicht betreten, sagt Schenk-Weininger. „Nun bietet sich die vielleicht letzte Gelegenheit.“

Wie klingt der Leerstand?

Aber da der DLW-Tag aus einer Kunstausstellung von Sara Focke-Levin entstanden ist, hat auch sie einen speziellen Rundgang konzipiert: eine atmosphärische Soundführung durch DLW-Gebäude, Kantine, Gelände und Kraftwerk. Anhand von für das jeweilige Gebäude typischen Geräuschen will sie der Vergangenheit nachspüren, aber auch die Laute der Gegenwart und den Sound der Zukunft hören lassen, erklärt die Ludwigsburger Künstlerin. „Wie klingt der Leerstand und wie klang es früher?“, fragte sie sich.

Der Rundgang, an dem alle Mitarbeiter der Galerie mitmachen, sei ein Klang-Experiment, das Gelände wiederzuentdecken, sagt Focke-Levin. Da klingen Schreibmaschinen nach, ticken Uhren, klirren Gläser, aber da zirpen auch Grillen im leerstehenden Kraftwerk oder ein Vogel brütet unterm Dach. Entstehen, so die Künstlerin, soll ein gesamtheitliches, atmosphärisches Erleben eine Geländes, das so wichtig für die Stadt war und ist, sowie ihr Erscheinungsbild prägte und prägen wird.

 
 
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