Dortmund und SG BBM messen sich im Topspiel Bietigheimerinnen nehmen sich Flensburgs Männer zum Vorbild

Von Andreas Eberle
Amelie Berger, hier beim Wurf, geht mit der SG BBM an diesem Mittwoch an ihrer künftigen Wirkungsstätte auf Torejagd. Zur neuen Saison wechselt die Rechtsaußen zu Borussia Dortmund. ⇥ Foto: Marco Wolf

Die ersatzgeschwächte SG BBM will Dortmunds Serie brechen und ihre Minichance auf den Titel wahren. Eine Infektion stoppt Torhüterin Sando.

Markus Gaugisch, der Trainer der SG BBM Bietigheim, nimmt sich für den Kracher an diesem Mittwoch (19.30 Uhr/Sportdeutschland TV) bei Borussia Dortmund die Handballer der SG Flensburg-Handewitt zum Vorbild. Trotz vieler Ausfälle kämpften jene am Samstag im Topspiel den favorisierten Meister THW Kiel nieder: Sie gewannen mit 31:28 und verdrängten den Erzrivalen von Platz eins.

„Flensburg war schwer dezimiert, aber alle, die auf der Platte waren, sind über sich hinausgewachsen, haben wahnsinnig clever gespielt und bis zum letzten Blutstropfen gekämpft. Das ist ein gutes Beispiel“, sagt Gaugisch. In der Sporthalle Wellinghofen hofft er nun auf einen ähnlichen Coup und einen unbeschwerten Auftritt seiner Stars: „Wir freuen uns auf das Spiel und haben nichts zu verlieren.“

Die Ausgangslage im Gipfelduell der Frauen-Bundesliga ist fast identisch wie bei dem der Männer vor vier Tagen. Wie Flensburg muss die SG BBM auf einige Topkräfte verzichten, während der BVB fast in Bestbesetzung antritt. So kann Bietigheims Stammtorhüterin Emily Sando derzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mitwirken. Der Grund: Die 32-jährige Norwegerin hat sich eine Infektion eingefangen, die behandelt werden muss, es droht eine wochenlange Zwangspause.

Die Rückraum-Asse Karolina Kudlacz-Gloc (Corona-Quarantäne nach Länderspiel-Reise), Julia Maidhof (Nasenbeinbruch) und Stine Jørgensen (Schwangerschaft) sowie Linksaußen Kim Braun (Bänderriss im Sprunggelenk) fallen ebenso weiter aus. Dafür stehen mit Keeperin Rena Keller, Magdalena Probst, Matilda Ehlert und Gianina Bianco wieder vier Nachwuchsspielerinnen aus der SG-Talentschmiede im Kader. „In unserer Lage müssen wir nun noch enger zusammenrücken, und jede einzelne Spielerin wird noch mehr Verantwortung tragen. Nur wenn jeder über sich hinauswächst, können wir in Dortmund bestehen“, sagt Gaugisch. „Die Ausgangssituation ist wahnsinnig ambitioniert.“

23 Spiele, 23 Siege

Die Borussia ist in dieser Bundesliga-Saison bisher das Maß aller Dinge: 23 Siege aus 23 Partien lautet die Traumbilanz der Westfälinnen, die entsprechend mit 46:0 Punkten das Klassement anführen. Als einziger ernsthafter Verfolger sind die Bietigheimerinnen (39:5) übriggeblieben, die allerdings bereits fünf Minuspunkte mitbringen. Schon in der Vorrunde hatte die Gaugisch-Sieben in der Ludwigsburger MHP-Arena beim 22:28 keine Chance gehabt. Sollte die SG am Mittwoch auch das zweite Kräftemessen mit Dortmund verlieren, kann sie dem BVB eigentlich schon zu seiner ersten Meisterschaft im Frauenhandball gratulieren.

„Das Spiel ist entscheidend, um nach vorne noch einen Fuß in die Tür zu bekommen“, weiß die Bietigheimer Rechtsaußen Amelie Berger und gibt zu: „Es ist immer schwer, wenn man es nicht mehr selbst in der Hand hat und auf die Schützenhilfe anderer Mannschaften hoffen muss.“

Schon in der Vorsaison stand Dortmund an der Tabellenspitze, ehe die Runde coronabedingt abgebrochen wurde. Doch anders als bei den Männern, bei denen der erstplatzierte THW Kiel zum Meister erklärt wurde, wurde der Titel bei den Frauen nicht vergeben – was damals für große Empörung im schwarz-gelben Lager gesorgt hatte. Eine Niederlage hat die Truppe von Trainer André Fuhr auf nationaler Ebene übrigens auch in der laufenden Spielzeit schon kassiert: Mit einem 25:26 beim Buxtehuder SV schied sie bereits im Achtelfinale sensationell aus dem DHB-Pokal aus.

Brisante Personalien

Abgesehen von der Tabellenlage sorgen auch einige Personalien für Brisanz. Im Oktober 2020 verpflichtete der BVB Laura van der Heijden. Die niederländische Nationalspielerin trug von 2018 bis 2020 das Bietigheimer Trikot, ehe sie zu Siófok KC nach Ungarn weiterzog, wo sie jedoch nur ein kurzes Gastspiel gab. Zur neuen Saison wechselt außerdem die jetzige SG-Nationalspielerin Amelie Berger nach Dortmund. Den umgekehrten Weg von Westfalen ins Schwabenland gehen im Sommer die niederländischen Weltmeisterinnen Kelly Dulfer und Inger Smits.

Berger will sich aber noch gar nicht mit ihrem künftigen Arbeitgeber beschäftigen – und hat sich bisher aus Zeitgründen auch noch nicht mal eine Wohnung in Dortmund und Umgebung suchen können. „Ich bin voll bei meiner aktuellen Mannschaft, mit der ich jeden Tag trainiere und noch etwas erreichen möchte“, sagt die 21-jährige gebürtige Tübingerin, die seit 2019 für die SG BBM mit der Nummer drei aufläuft. „Und wenn es mit der Meisterschaft nicht klappen sollte, haben wir noch den Pokal vor Augen. Den zu holen, ist ein großes Ziel.“

 
 
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