Freiwilliges Soziales Jahr Gutes tun und selbstständiger werden

Von Sandra Bildmann
Die 17-jährige Emily Adams aus Bietigheim-Bissingen plant ein Freiwilliges Soziales Jahr in Frankreich. Foto: Oliver Bürkle

Die 17-jährige Emily Adams aus Bietigheim-Bissingen will nach dem Abitur ein Jahr lang nach Frankreich gehen. Dort will sie sich sozial engagieren.

Sie wird ein Jahr lang streichen und tapezieren, spachteln und im Büro sitzen. Dafür wird sie Deutschland verlassen und an die französische Küste gehen. Die 17-jährige Emily Adams aus Bietigheim-Bissingen plant nach dem Abitur ein Engagement im Rahmen des europäischen Freiwilligendienstes. „Kopf durchlüften, nicht nur akademisch, sondern auch körperlich arbeiten und sich engagieren“, fasst sie ihre Motivation im Gespräch mit der BZ zusammen.

Auf der Baustelle

Vor über einem Jahr habe sie angefangen, sich zu erkundigen; sich einen Überblick über die unzähligen Angebote von Organisationen und Diensten zu verschaffen. Ursprünglich wollte sie nach Chile. Doch nicht nur aufgrund der Coronapandemie habe sich ihre Überzeugung gefestigt, in Europa bleiben zu wollen, sagt sie und fügt an: „Ich fühle mich europäisch.“ Dass ihr Vater Franzose ist und sie mit diesem Land gut vertraut ist, sei nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen, dass ihre Wahl letztlich auf Frankreich fiel.

Sie empfindet es als „glückliche Fügung“, dass sie vor gut zwei Monaten eine Zusage der „Compagnons Bâtisseurs“ bekommen hat. Denn ihr gefällt deren Konzept, Renovierungsarbeiten mit einer sozialen Komponente zu verbinden.

Vier Tage in der Woche wird sie auf einer Baustelle sein, den fünften Tag im Büro. Die „Compagnons Bâtisseurs“ helfen Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen am Rand der Gesellschaft stehen. Emily Adams sieht eine Aufgabe des Projekts in der Ermutigung dieser Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe. „Diese Arbeit ist keine einmalige Unterstützung“, erklärt die 17-Jährige, die manche Ansätze humanitärer Hilfe kritisch sieht. Dieses Projekt betrachte die Menschen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe, meint sie. Die Herangehensweise sei nicht missionarisch, sondern Hilfe zur Selbsthilfe.

Berufsziel: Diplomatin

Die Bietigheim-Bissingerin reizt der Gedanke, „langfristig zu einer systemischen Veränderung“ beizutragen, erklärt sie und reflektiert ihren eigenen Antrieb: „Ja, ich tue Gutes, engagiere mich sozial. Aber ich mache das auch für mich, um mich selbst kennenzulernen und selbstständiger zu werden.“ Von dem Auslandsjahr erhofft sie sich zudem, viele neue Menschen kennenzulernen und sich auf europäischer Ebene vernetzen zu können. Ihr Berufsziel: Diplomatin.

Zunächst einmal gilt ihre Aufmerksamkeit aber dem Freiwilligendienst, der trotz der Pandemie auf jeden Fall stattfinden wird, wie man ihr seitens der Organisation versichert habe, so Adams, die sich darauf freut, ganz im Stile „learning by doing“ technische und handwerkliche Fähigkeiten zu erlernen. Vor Ort wird sie sich hauptsächlich in der mittelalterlichen Kleinstadt Dinan im Nordosten der Bretagne aufhalten und ist in einem „Foyer“, einer Art Wohnheim, untergebracht. Los geht es Anfang September.

Um den europäischen Freiwilligendienst zu finanzieren, reichen die staatlichen Fördermittel nicht aus. So gehört zum Konzept, dass die Teilnehmer selbst einen Anteil der Kosten beisteuern – aber nicht etwa durch eine Überweisung finanzstarker Elternhäuser. Emily Adams muss einen Förderbetrag von 2800 Euro aus verschiedenen Zuwendungen aufbringen. Zum einen, um ihrer Trägerorganisation, dem gemeinnützigen Verein „Sozialer Friedensdienst Kassel“ entgegenzukommen. Zum anderen hat dies eine symbolische Funktion, wie Emily Adams erklärt: „Es geht darum, dass wir in der Lage sind, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“ Bisher hat sie ungefähr die Hälfte der Summe zusammen: unter anderem durch den Gewinn eines Schreibwettbewerbs, einen großzügigen Familien- und Freundeskreis und ihre Kirchengemeinde.

Für Teil zwei hofft sie besonders auf Unterstützung von Unternehmen und Stiftungen. Bis zum Beginn ihres Dienstes sollte sie mindestens 80 Prozent gesammelt haben. Die 17-Jährige ist zuversichtlich, dass sie das schafft.

Info Seit ihrer Gründung im Jahr 1957 engagieren sich die Compagnons Bâtisseurs unter dem Motto „Restaurons des vies!“ („Lasst uns Leben wieder aufbauen!“) in ganz Frankreich. Dazu gibt es Lokalbüros in elf Städten. Ziel der Organisation mit ihren Freiwilligen aus Frankreich und der Welt ist, durch handwerkliche Arbeiten Menschen in erschwerten Lebensumständen einen verbesserten Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Ihr Angebot konzentriert sich beispielsweise auf Personen in finanzieller Armut, mit Migrationshintergrund oder im hohen Alter.

 
 
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